Darf eine Lagerhalle für Wirtschaftsgeräte schön sein? Ja, befanden Schweizer Architekten. In einer Zeit, in der bauliche Ästhetik in allen Bereichen abnimmt, muss sie es sogar. Wie Material und Funktion formgebend dazu verhalfen.
Eine Werkhalle für den Wasserbauwerkhof in Andelfingen im Kanton Zürich sollte es sein. Der Bauplatz: idyllische Lage, direkt an der Thur. Ein Zweckbau also. „Sicher hätten wir die Halle auch konventionell aus Stahl bauen können“, eröffnet Architekt Mark Aurel Wyss von Rossetti+Wyss Architekten aus Zollikon am Zürichsee. Vonseiten der Bauherrschaft, der Baudirektion des Kantons, gab es diesbezüglich keine Vorgaben. „Aber wir hatten da so ein Bild im Kopf. Angelehnt an die Kapla-Bauklötze. Da lassen Kinder aus tausend gleichen Teilen wahnsinnige Bauwerke entstehen.“ In Holz.
„Entgegen der zeitgenössischen Tendenz, Bauwerke so kompliziert als möglich zu gestalten, wollten wir hochtechnische oder chemische Prozesse weglassen und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wir stellten uns vor, Holz aufeinanderzutürmen und ineinander zu verzahnen.“ So die Idee. Diese präsentierte das Architektenduo Rossetti+Wyss dem Auftraggeber. Der war begeistert. „Allerdings mussten wir damals ehrlich zugeben, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, ob unser Entwurf in dieser Form umsetzbar war.“ Aber die Verantwortlichen legten Vertrauen in das Projekt und gaben grünes Licht zur Weiterverfolgung des Holzbaukonzepts. Diese waren ermutigt durch die Schweizer Holzbautradition: „Die ältesten Schweizer Bauten sind Massivholzbauten, weshalb sollte also unsere Idee nicht funktionieren?“
Konsequenz liegender Hölzer
Die Zusammenarbeit mit dem Holzbauunternehmen Erne war sehr fruchtbar. So konnte man unterstützend Holzbauwissen beisteuern. Beispielsweise ergab sich dadurch der konsequente Verzicht auf stehende Hölzer. „Da die Halle nicht beheizt und kalter, feuchter Luft ausgesetzt ist – angrenzend fließt die Thur –, war dies eine Notwendigkeit“, weiß Andreas Koger, Erne-Projektleiter. Die Konstruktion wirkt auf den ersten Blick simpel. Es handelt es sich um ein Stricksystem, das in der Schweiz eine lange Tradition besitzt. Aber gerade der Übertrag dieses Blockbauprinzips in die geforderte Dimension stellte die Herausforderung dar: „Tatsächlich gab es bei uns intern heftige Diskussionen und eine Spaltung in zwei Lager. Die einen meinten, das Projekt wäre in dieser Form zum Scheitern verurteilt. Die anderen waren vollends von der Umsetzbarkeit überzeugt. Ich gehörte von Anfang an zum zweiten Lager“, erinnert sich Koger. Dank intensiver Beschäftigung mit der Thematik kam man schlussendlich zu einem positiven Ergebnis.
Holzeigenschaften als konstruktive Vorgaben
Der holzbauaffine Architekt war sowieso von Beginn an überzeugt. Auf die Frage nach seinem Lieblingsbaustoff antwortet er jedoch: „Dem Material ist Unschuld garantiert.“ Er baue mit jedem Material, nur die Handhabe müsse stimmen. Dies sei bei Holz nicht anders. „Wir hielten uns an uralte Prämissen: Baue am höchsten Punkt des Grundstücks. Wende dich von der Wetterseite ab. Setze konstruktiven Holzschutz ein. Letzteres geschah in Form eines 7 m auskragenden Vordachs. Zudem ergibt sich durch die „Schuppung“ der Fassade die regelmäßige Abtrocknung des Holzes. Durch die 2, 20 m breiten, liegenden Binder verkürzt sich der Laufweg des Wassers. Die ganze Höhe von 10 m hätte die Abtrocknungszeit deutlich erhöht. „Die Eigenschaften und Möglichkeiten des Holzes waren konstruktive Vorgaben.“
Konzentration auf das Wesentliche
Neben der Besinnung auf Funktion und Tradition leitete die Planer ein weiterer Beweggrund zu ihrem Entwurf: „Heute wird oft so hochkomplex und -technisch gebaut. Wir hatten genau das Gegenteil im Blick: Die Konzentration auf das Wesentliche, den Mut zur Lücke. Auskommen mit dem, was da ist.“ Aus dieser Motivation heraus rührt die Verwendung von lediglich 36 Brettschichtholzelementen, die ineinander verzahnt sind, für die Kubatur. Massive, großformatige Holzelemente definieren die Halle. Sie misst 31 mal 17 m und ist 10m hoch. Die Spannweite der Dachbinder beträgt 17 m. Dachgleiche feierte man nach nur vier Tagen. Auszukommen mit Vorhandenem setzte die Konstruktionsweise voraus. Das Eigengewicht des Dachs beträgt 80 kg pro m2. Deshalb musste es mit den Wänden verhängt werden. Auf Verbindungsmittel verzichtete man weitgehend, auf Holzschutz im klassischen Sinne ebenfalls. Lediglich ein Vorvergrauungsanstrich, der massive Farbunterschiede auf der Wetterseite verhindern sollte, wurde auf das BSH aufgebracht. „Ich glaube, es wurde keine Schachtel Schrauben gebraucht“, formuliert Wyss den minimalen Einsatz von Verbindungsmitteln. Aufgrund dieser Reduktion auf das Wesentliche lässt sich das Eingangstor auch von Hand aufschieben.
Die Halle wird heute als Einstellhalle für Fahrzeuge und Maschinen genutzt, dient als Lagerfläche und Arbeitsraum für diverse Kleinarbeiten, wie das Faschinenbinden oder Brennholzhacken. „Es war ja nicht unser erster Holzbau“, konstatiert Wyss, „aber in dieser Form handelte es sich tatsächlich um ein Novum.“ Eine Herausforderung, die in harmonischer Zusammenarbeit mit Bedacht auf Material und Funktion geschah. Wichtige Komponenten für ein gelungenes Projekt. „Ich würde jederzeit wieder gerne mit ihm zusammenarbeiten“, schickt Koger noch in Richtung Wyss. Falls es dazu kommt, darf man auf das Ergebnis gespannt sein
Projektdaten
Standort: Andelfingen, CH
Bauzeit: 6 Monate (Dachgleiche Holzbau nach 4 Tagen)
Fertigstellung: 2015
Planung: Rossetti+Wyss Architekten
Ausführung: ERNE Holzbau AG
Holzmenge: 256 m3 BSH,
72 m3 Plattenmaterial
Zulieferer BSH: Hüsser Holzleimbau
Ausführung Holztore: Holzbau Koch