Christof Weissenseer lässt anhand seiner ganzheitlichen Betrachtung gesellschaftlich relevante Veränderungen direkt in seine Unternehmensentscheidungen einfließen. © Weissenseer Holz-System-Bau
Eigentlich wollte Christof Weissenseer in Amerika auf der Kunstakademie Architektur studieren. Pläne ändern sich. Vor rund 35 Jahren hat der damals 21-Jährige spontan den väterlichen Betrieb übernommen. Die Uhren tickten zu dieser Zeit anders als heute. Das sommerliche Bauverbot am Weissensee zwang zur dreimonatigen Pause, die regionalen Aufträge trudelten verlässlich regelmäßig ein. „Mein Vater musste sein Leben lang kein einziges Angebot schreiben“, erinnert sich der damals frisch aus Amerika Zurückgekehrte. Es war eine Zeit, wo man Nägel aus alten Brettern wiederverwendet hat und Terminabsprachen nebensächlich waren. „Wenn man als Zimmerer da war, war man halt da.“ In den späten 1980er-Jahren hätte sich die Situation dann verändert. „Architekten fragten plötzlich im Zuge des stärkeren Tourismusaufkommens am Weissensee Angebote an.“
Re-Use schon 1994 gelebt
Das brachte die erste Veränderung im Betrieb. Aber der junge Christof wollte mehr verändern. „Damals war es mein erstes Ziel, alle möglichen Zimmermannsarbeiten rund um den Weissensee zu machen.“ Das erste größere Projekt außerhalb dieser Grenzen war dann eine Skihütte am Arlberg, der „Moser Wirt“. „Damit lukrierten wir das Dreifache des damaligen Jahresumsatzes. Betriebswirtschaftlich war das ein Wahnsinn“, weiß der Unternehmer, der zwei Jahre berufsbegleitend Betriebswirtschaft studierte. „Aufgrund des Zeitdrucks mitten im Skigebiet mussten wir eine Halle mieten, wo wir das Gebäude innerhalb dieser aufbauten, um es dann so rasch wie möglich montieren zu können.“ Dies war der erste Schritt in Richtung maximaler Vorfertigung.
Reine Montagebaustellen mit maximaler Vorfertigung
In Greifenburg sind rund 50 Mitarbeiter beschäftigt, davon sechs in der Produktion und 15 im Bereich Montage. Der Rest arbeitet im Büro.. © Weissenseer Holz-System-Bau
Das Unternehmen wuchs Jahr um Jahr. 1994 wurde die Standortverlegung außerhalb des Dorfes notwendig. Schon damals hatte Weissenseer den Re-Use-Gedanken im Sinn. Denn er wollte keine neue Halle bauen, sondern eine alte für seine Zwecke nachnutzen. Es wurde eine alte Sägewerkshalle. „Die Re-Use- und Recycle-Thematiken begleiten mich schon mein ganzes Leben. Wie lange hält ein Gebäude, wie schaut die optimale Nachnutzung aus?“ Eine Tennishalle in Schwechat mutierte ein paar Jahre später zur Abbundhalle am Weissensee. Mit dem stetigen Betriebswachstum und durch die dezentrale geografische Lage des Betriebsstandortes Greifenburg kam der Gedanke der maximalen Vorfertigung wie von selbst. „Bei einem Auftrag für ein Saunagebäude, nur 4 km vom Betrieb entfernt, wollte ich die maximale Vorfertigung versuchen.“ Entgegen der Meinung von Zweiflern innerhalb des Unternehmens funktionierte die Taktik sehr gut. „Von da an strebten wir reine Montagbaustellen mit maximaler Vorfertigung unter kontrollierten Bedingungen an. Das schafft für unsere Kunden Preis- und Termingarantie“, kommentiert der Holzbau-Meister die Entscheidung.
Holzbauunternehmer delegieren nicht gern
„Ich bin kein typischer Zimmermann, habe die HTL gemacht, maturiert und dann die Meisterprüfung.“ Angefangen von Buchhaltung, über Planzeichnen und Arbeitsvorbereitung bis hin zu zehn Jahren Baustellenerfahrung hat Weissenseer alle Stationen durchlebt. „Auf jeder Position war einer besser qualifiziert als ich. Ich bin eher der Universalist mit dem holistischen Gedanken.“ Deshalb delegiert er in seinem Betrieb großzügig. „Meine größte Stärke ist, die Stärke anderer zu erkennen“, meint Weissenseer in Bezug auf die Abgabe von Kompetenzen an sein Team. „Ich sehe, dass die meisten guten Handwerker nicht delegieren können oder wollen.“ Verantwortung, sogar Budgetverantwortung, zu übergeben, sieht Weissenseer als maßgeblich an, damit ein Betrieb funktioniert.
Gegebenheiten hinterfragen
Weiter in der Unternehmensgeschichte: „2008 wollten wir eine Plusenergie-Produktion auf die Beine stellen. ‚Noch größer‘, ‚noch höher‘ war dabei nicht unser Ziel, sondern die kleinstmögliche Fabrik mit maximalem Output.“ Das Hallenvolumen wurde gegenüber dem ersten Konzept der Maschinenproduzenten um 70 % reduziert. „Das heißt, 70 % weniger bauen und 70 % weniger beheizen.“ Wie geht das? Weissenseer hinterfragte alle möglichen Bereiche und schaffte damit Einsparungspotenzial: Warum muss die Halle in allen Bereichen 8 m hoch sein? Warum muss hinter den Maschinen 3 m Platz gelassen werden? Durch solche Fragen getrieben, schaffte man die Volumenreduktion. Ohne Heizung erwärmt sich die Halle nun durch die Abwärme der Maschinen mittels Pufferspeicher und Fußbodenheizung. Das heißt, es gibt keinen Spänesilo und mithilfe der Photovoltaik deckt man den gesamten Energiebedarf über das gesamte Jahr hinweg.
Wir müssen viel stärker standardisieren, verschlanken. Eine Auswahl schaffen, die für den Architekten durchblickbar ist.“
Bezahlte Holzbauingenieurstunden
Den Blick über den Tellerrand, den der Kärntner innerhalb des Unternehmens regelmäßig unternimmt, pflegt er auch außerhalb im Kundenkontakt. Fast ausschließlich tritt Weissenseer als Generalunternehmer auf, arbeitet sehr gerne mit Architekten zusammen. „Wir sehen den Architekten als Dirigenten, dieser braucht die besten Musiker. Holzbau-Meister und Holzbauingenieur sind dabei unabdingbar. Letztere gibt es aber in Österreich zu wenige. Wir machen bewusst bei keinen Ausschreibungen mit, denn zu dem Zeitpunkt ist es schon viel zu spät, als Holzbauer einzusteigen.“ Beratend steht man den Planenden deshalb schon früher zur Seite. Eine Holzbauingenieurstunde kostet 150 €. „Diese Kosten sind mittlerweile kein Thema mehr. Wir haben dazu eine Check-list angefertigt. Zu Beginn braucht es vor allem einen Zimmerer, der zuhört.“ In der Check-list werden beispielsweise die Zufahrtsmöglichkeiten abgefragt, an die Architekten nicht vorrangig denken, die aber essenziell ist. Weitere Fragen sind: Wo lässt sich ein Kran positionieren? Ist es möglich, Badezimmermodule vorzufertigen? Wie schauen die Balkone aus? Liegen die Versorgungsschächte übereinander? Ganz früh werden ebenso Spannweiten besprochen. „Weil dann kann ich entscheiden, welches System ich wähle. Wir müssen viel stärker standardisieren, verschlanken. Eine Auswahl schaffen, die für den Architekten durchblickbar ist. Bei der Holzindustrie funktioniert das großteils schon, da müssen wir Holzbauer auch hin. Das bedingt Kooperationen untereinander. Und nur so kommen wir zu dem großen Ziel von leistbarem Wohnraum.“
Lernen, zu kooperieren
Weissenseer spricht in Zusammenhängen, holistisch eben. Je länger man ihm zuhört, desto plausibler wird seine Sicht. Maschinenauslastung und Wirtschaftlichkeit, Kooperation und Kommunikation sind dabei essenzielle Parameter. „Ziel ist für uns immer, eine maximal kurze Bauzeit. Dabei scheuen wir nicht davor zurück, in Arbeitsgemeinschaften zu arbeiten. Das müssen wir Holzbauer lernen.“ Auch in der Zusammenarbeit mit Konzernen habe Weissenseer bislang gute Erfahrungen gemacht. Ein weiteres Kriterium für das Gelingen eines Projekts betrifft die Finanzierbarkeit: „Ganz wichtig ist es, die Kostenkommunikation zu klären. Oft scheitern Projekte daran, dass der eine von Bruttogeschoßflächen, der andere von Nutzflächen spricht.“ Sind diese Punkte geklärt, werden mittels Bauteilkatalog die jeweiligen Produkte und das richtige Konzept gemeinsam mit den Planern ausgewählt. Auch vor Betonfertigteilen scheut sich Weissenseer nicht, „nur am richtigen Platz“.
Zukunft im mehrgeschossigen Holzwohnbau
Nachverdichtung ist im Moment innerstädtisch ein großes Thema. Als typisches Beispiel zeigt der Kärntner Fotos eines jüngst fertiggestellten Berliner Nachverdichtungsprojekts. Derartige zweigeschossige Aufstockungen betreut man vom Berliner Büro aus. Andere Referenzobjekte bewegen sich überdurchschnittlich oft im großvolumigen Bau. „Aus dem klassischen Einfamilienhausbau haben wir uns etwas zurückgezogen. Wenn wir von leistbarem Wohnraum sprechen, ist das Konzept nicht mehr schlüssig.“ Dagegen sieht man die Zukunft im mehrgeschossigen Holzwohnbau definitiv. Unsere Mission ist die Schaffung von nachhaltigem Wohn- und Arbeitsraum in Verbindung mit guter Architektur. „Bauaufträge gehen derzeit generell stark nach unten. Ich sehe, dass der Holzbau in gleichem Maß zugenommen hat.“ Im Moment denkt der Unternehmer auch über Hochhausprojekte nach. „Gemeinsam mit Handler Bau haben wir uns beispielsweise in Berlin für den Bau von Hochhäusern beworben.“
Die Bezeichnung Visionär klingt zu abgehoben, Businessman zu elitär, Zimmerer zu kurz gegriffen. Weissenseer ist ein bisschen von allem, von jedem nicht zu viel. Kurz gefasst: Er hinterfragt eingefahrene Prozesse, sträubt sich gegen gängige Muster, denkt ganzheitlich. Und das kann dem Holzbau mit Sicherheit nicht schaden.