Losgröße 1 als Problem entlarvt

Ein Artikel von Raphael Zeman | 13.09.2019 - 08:48

Während die Arbeitsproduktivität über alle Wirtschaftsbereiche von 1995 bis 2018 gesehen um 1,7 % jährlich (insgesamt rund 33 %) anstieg, sank sie im Baugewerbe um 0,6 %. Das beagt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Beraternetzwerks KREUTZER FISCHER & PARTNER. Die Baubranche sei zudem der einzige große Wirtschaftsbereich, dessen Wachstum in den vergangenen 20 Jahren ausschließlich durch Preiserhöhungen bedingt war.

Das Argument, dies liege an der hohen Personalintensität am Bau, weist die Studie durch einen Vergleich mit dem Tourismussektor zurück: „Beherbergungsbetriebe und Gastronomie sind ebenso personalintensive Gewerbe, konnten aber einen jährlichen Produktionsgewinn von 0,4 % erzielen. Generell stieg die Arbeitsproduktivität im Tourismus seit 1995 um 7,5 %, die des Baus sank um 9,3 %.“

Entwicklung der Arbeitsproduktivität 1995 bis 2018
Sektoren Durchschnitt/Jahr Insgesamt
Bauwirtschaft – 0,6 – 9,3
Tourismus + 0,4 + 7,5
IKT + 1,2 + 21,8
Handel + 1,7 + 32,9
Wirtschaft total + 1,7
+ 32,9
Industrie + 3,8
+ 89,5
Landwirtschaft + 4,7
+ 119,9
Finanzwirtschaft + 4,8 + 121,3

Losgröße 1 vermeiden

Einer der beiden wichtigsten Gründe für die rückläufige Entwicklung, ist laut Studienautor Andreas Kreutzer die mangelnde Industrialisierung. Dabei vermisst er die Bereitschaft, „ein und dasselbe Mehrparteienhaus öfter als einmal zu errichten“, denn „wenn es ums Wohnen geht, ist vordergründige Individualität Trumpf, 'Losgröße 1' der Standard“. Dabei könne man mit dem Bau von nur 100 identischen Wohngebäuden mit gleichzeitiger Harmonisierung und Vereinfachung im behördlichen Genehmigungsprozess bereits ein Sechstel der Baukosten einsparen. Bei jährlich 2600 neuen Wohngebäuden mit mehr als drei Wohneinheiten beträfe das nicht einmal jedes 25. Gebäude, ein Einheitsbrei sei also keineswegs zu befürchten. Darüber hinaus könne durch die Optimierung der Produktionsprozesse auf der Baustelle um gut ein Drittel effizienter gearbeitet werden, wobei hier auch die geringe Planungstiefe sowie „baubegleitendes Planen“ eine Rolle spielen.

Skepsis gegenüber Innovationen

Als zweiten Grund für die mangelnde Arbeitsproduktivität nennt die Studie die innovationsfeindliche Grundhaltung im ausführenden Sektor. Während der Anteil der Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklungen über alle Wirtschaftsbereiche gesehen bei 2,3 % der Bruttowertschöpfung liegt, investiert man im Bausegment gerade einmal 0,35 %. Zudem würden Innovationen aus der Baustoffindustrie nur zögerlich aufgenommen.

Quelle: KREUTZER FISCHER & PARTNER