Rechtliche Möglichkeiten bei Preisschwankungen im Materialbereich

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 21.05.2021 - 10:17
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Dr. Bernd Haintz
© Wirtschaftskammer Steiermark

Kostenvoranschlag

Grundsätzlich unterscheidet man garantierte und nicht garantierte Kostenvoranschläge. Um welche Art es sich jeweils handelt, hängt davon ab, was vereinbart wurde. Sind Festpreise z.B. bis Bauzeitende verbindlich vereinbart gibt es in der Regel keine (!) Möglichkeit, gestiegene Rohstoffpreise zu verrechnen. Sollte ein Hinweis beim KV nicht erfolgt sein, so ist im Zweifel gegenüber dem Verbraucher der Preis im Kostenvoranschlag garantiert, gegenüber dem Unternehmer nicht. Der Unternehmerische Auftraggeber muss diese dennoch vorliegende „Garantie“ beim Kostenvoranschlag dann beweisen.

KV gegenüber Verbraucher im Zweifel verbindlich – keine Preiserhöhung möglich; KV gegenüber Unternehmer im Zweifel unverbindlich (Preissteigerung bis zu 10 bis 15 % zulässig)

Unverbindlich bedeutet, dass bei erheblicher Überschreitung (über 10 bis 15 %) z.B. bei Preissteigerungen im Holzbereich dies dem Auftraggeber mitzuteilen ist.

Hier hat in einer Entscheidung das Höchstgericht festgehalten: Bei einem Kostenvoranschlag ohne Gewährleistung/Garantie muss der Unternehmer diese Mehrkosten unverzüglich anzeigen. Unterlässt er dies, verwirkt er jeden Anspruch dieser zusätzlich entstandenen Kosten, selbst dann, wenn der Auftraggeber eine beträchtliche Überschreitung des Kostenvoranschlags vermuten hätte können. Erweist sich ein gegenüber dem Kostenvoranschlag zusätzlicher oder andersartiger Aufwand an Arbeit und Material als unvermeidlich um das ursprünglich vereinbarte Werk herstellen zu können, was zu einer beträchtlichen Überschreitung des Kostenvoranschlags führen muss, dann genügt das Einverständnis des Bestellers mit diesem zusätzlichen oder andersartigen Aufwand allein noch nicht. Nur, wenn der Bauherr in einem solchen Fall nach den Umständen zweifelsfrei den erhöhten Kosten zustimmt, können sie verrechnet werden.

Die Anzeige der Mehrkosten selbst hat so detailliert wie möglich zu sein, allgemeine Hinweise („Preis kann nicht eingehalten werden“) sind nicht ausreichend. Empfohlen wird der Hinweis auf die Ursache der unvermeidlichen Kostenüberschreitung sowie ziffernmäßige Bekanntgabe der Kostenüberschreitung.

Unverzügliche, detaillierte und begründete Anzeige der unvermeidbaren Mehrkosten.

Die Folge der Unterlassung der unverzüglichen Anzeige ist der Verlust jedes Mehranspruchs. Nur wenn die Umstände, die zu Mehraufwendungen führen, in der Sphäre des Bestellers liegen, ist nach der Rechtsprechung die unverzügliche Anzeige der Überschreitung des Kostenvoranschlags nicht erforderlich. Werden Mehrkosten angezeigt, so kann der Bauherr aufgrund dessen vom Vertrag zurücktreten, muss aber die bereits erbrachten Leistungen bezahlen.

Formulierungsvorschlag: „Der Kostenvoranschlag ist unverbindlich und ohne Gewährleistung. Insbesondere können bis zur tatsächlichen Erteilung des Auftrages Preisänderungen aufgrund z.B. von Lohnerhöhungen oder Materialverteuerungen eintreten.“

Empfehlung des Autors darüber hinaus mit hilfreichen Hinweisen zu Abrechnung etc.: Verwendung der Allgemeinen GB des Steirischen Holzbaus

www.wko.at/branchen/stmk/gewerbe-handwerk/holzbau/AGB_Holzbau_2.pdf

ÖNORM B 2110

Sofern aus dem Vertrag nicht erkennbar ist, ob Festpreise oder veränderliche Preise vereinbart sind, gelten

  1. Leistungen, die nach dem Vertrag innerhalb von sechs Monaten nach Ende der Angebotsfrist zu beenden sind, als zu Festpreisen abgeschlossen,
  2. Leistungen auch dann als zu Festpreisen abgeschlossen, wenn im Vertrag keine Leistungs- frist vereinbart ist und die Leistungen innerhalb von sechs Monaten nach Ende der Angebotsfrist beendet werden,
  3. alle übrigen Leistungen als zu veränderlichen Preisen abgeschlossen.

Alle vom Auftragnehmer auf Grundlage der Ausschreibungsunterlagen zur Preisermittlung und Ausführung getroffenen Annahmen (Kalkulationsrisiko) sowie alle Dispositionen des Auftragnehmers sowie der von ihm gewählten Lieferanten und Subunternehmer sind der Sphäre des Auftragnehmers zugeordnet

B 2110: Wenn nichts vereinbart, Leistungen in sechs Monaten Festpreise, Kalkulationsrisiko jedenfalls auch im ABGB bei Auftragnehmer

Selbst wenn man die derzeitige Situation am Bau als höhere Gewalt sehen kann, rechtlich betrachtet ist die Kalkulation mangels Vereinbarung in der Risikosphäre des Auftragnehmers. Das Risiko der Lieferschwierigkeiten und marktunüblichen Preissprünge kann man einvernehmlich bei Vertragsabschluss (z.B. eventuell – wenn unvorhersehbar gewesen – mit Abschluss der ÖNORM B 2110) oder einvernehmlichen Vertragsänderungen überwälzen bzw. klarstellen.

Formulierungsvorschlag: „Die Einhaltung des Bauzeitplans sowie insbesondere des Fertigstellungstermins kann nicht garantiert werden. Selbst wenn im Bestellwesen gewissenhaft als ordentlicher Kaufmann vorgegangen wird, ist bei den derzeitigen Lieferengpässen nicht absehbar, ob alle georderten Baumaterialien dem Auftragnehmer rechtzeitig geliefert werden. Von Pönale- oder Schadenersatzforderungen wird deshalb aufgrund mangelnden Verschuldens abgesehen, nicht vorhersehbare Preissprünge bei Baumaterialien fallen in die Risikosphäre des Auftraggebers und werden entsprechend abgerechnet.“

Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien liegen – wenn unvorhersehbar – im Risikobereich des Auftragnehmers (Ausnahme B 2110). Pönalen können dadurch ausgelöst werden, wenn ein Verschulden am Verzug gegeben ist. Gegenteilige Ausnahme besteht, wenn die Pönale verschuldensunabhängig vereinbart wurde, dann ist jedenfalls eine Pönale fällig.

Alternativlösungen

Nur abhängig vom Vertragsinhalt können gleichwertige Alternativen zulässigerweise ausgeführt werden. Wenn es sich um eine funktionale Beschreibung handelt (Angabe der Leistungs- und Funktionsanforderungen in technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer, funktionaler und sonstiger Hinsicht) ist dies jedenfalls möglich, bei konstruktiver Beschreibung (in Einzelleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis) sollte ein Hinweis z.B. „oder gleichwertige Alternative“ im Vertragstext aufgenommen werden.

Alternative Ausführungen oder Baumaterialien sind nur im Einzelfall zulässig. Entsprechender Hinweis bzgl. der Zulässigkeit im Vertrag wird dringend angeraten.

Zahlungsmodalitäten

Grundsätzlich gilt im ABGB das „Zug um Zug“ Prinzip. Dies bedeutet, dass nur bei mangelfreier Fertigstellung das Entgelt fällig ist. Andere Zahlungsmodalitäten sind zu vereinbaren, z.B. Anzahlung bei Vertragsabschluss, Baubeginn, Teilzahlungen etc.

Nur wenn es vertraglich vereinbart ist, kann eine Anzahlung z.B. für den Kauf von Baumaterialien verlangt werden.