Standard-Holzbau und Formel 1

Ein Artikel von Raphael Zeman | 23.11.2020 - 08:30
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© Mirjam Reither

Wie lautet Ihr Resümee nach etwa eineinhalb Jahren in der Funktion als Berater für mehrgeschossigen Wohnbau?
Vor allem innerstädtisch gibt es großes Potenzial für den Holzbau. Obwohl von allen Seiten Interesse besteht, müssen wir – wenn wir kritisch sind – sagen, dass sich nicht so viel getan hat, wie wir das gerne hätten. Schauen wir zum Beispiel nach Aspern. Natürlich gibt es dort das HoHo – das ist großartig, aber eben Formel 1 und nicht Standard-Holzbau. Daneben besteht der Großteil der Bauten aus Stahlbeton, Styroporfassade und Plastikfenstern. Ich meine das gar nicht negativ – das sind eben die gewohnten Methoden. Sowohl in der Planung als auch der Ausführung. Hier hat man die meisten Erfahrungswerte und deswegen ist es am angenehmsten, es so zu machen.
 
Bei wem fehlt dementsprechend die Holzbauerfahrung?
Die Player sind einerseits die Bauträger und andererseits das Planungsteam. Die Stadt mischt sich hier nicht unbedingt ein, denn für sie muss es schlussendlich leistbar sein. Und auf leistbares Wohnen kann Wien wirklich stolz sein. Die Systematik im Holzbau ist aber eine andere als beim mineralischen Massivbau, denn ich muss hinsichtlich der Vorfertigung gewisse Entscheidungen früher treffen.
 
Das Credo: „den Holzbau von Beginn an mitdenken“, hört man oft.
Richtig. Darüber hinaus gibt es ein paar Dinge, die außerdem zu beachten sind – zum Beispiel Spannweiten. Wenn ich einen klassischen Entwurf hernehme und diesen in Holz bauen möchte, kann ich das zwar tun, aber wirtschaftlich wird es wahrscheinlich nicht so klug sein. Wenn ich einen wirtschaftlichen Zwang habe, muss ich das von Beginn an berücksichtigen.
 
Es gibt aber bereits eingespielte Teams, die den Holzbau fokussieren.
Das gibt es sowohl auf Planer- als auch Ausführerseite. Bei den momentanen Stückzahlen funktioniert das auch gut. Wenn die Holzbauquote aber steigen soll, braucht es mehr. Und von der Auftraggeberseite wird aber auch immer die Frage gestellt, wie ich zu vergleichbaren Angeboten komme. In Österreich ist es gang und gäbe, dass wir einen Planer und einen Ausführenden haben. Der Entwurf wird in ein Leistungsverzeichnis mit fixen Positionen übersetzt – diese Trennung verschwimmt aber im Holzbau. Denn sowohl bei den Lieferanten als auch den Holzbauunternehmen gibt es Unterschiede zwischen den Mitbewerbern, zum Beispiel hinsichtlich der Produktion oder zertifizierter Aufbauten. Es ist also nicht gesagt, dass der Entwurf des Planers von jedem Bewerber so umgesetzt werden kann oder darf.
 
Haben Sie hier einen konkreten Lösungsvorschlag?
Da müssen wir mit einem Auge in die Automobilindustrie schauen. Dort gibt es eine Anforderung an das endgültige Produkt, wie es schlussendlich hergestellt wird, ist Sache des Ausführenden. Früher war der Ablauf, grob gesagt, zuerst planen und dann auf der Baustelle machen. Wenn wir nun aber den Weg zur hohen Vorfertigung und zur Zusammenbaustelle gehen wollen – was meines Erachtens die Zukunft ist –, muss dieser Zwischenprozess der Produktion aufgenommen werden. Dabei denke ich an eine funktionale Ausschreibung, bei der jeder Bewerber seine individuelle Herangehensweise zur Erreichung der gewünschten Werte des Endprodukts anwenden kann.

Das allein würde ausreichen, um mehr Holzbau in die Stadt zu bringen?
Ich denke, wir werden noch viele spannende Entwicklungen erleben. Wir sind ja momentan in ideologischen Sparten gefangen. Entweder BSP oder Holzrahmenbau oder Modulbau oder Hybridbau. Meiner Meinung müssen wir die Dinge so kombinieren, wie sie am besten zusammenpassen. Wenn wir uns hier den Wohnbau anschauen: Ein Schlafzimmer kostet weniger pro m² als ein Bad, wo ich viele Installationen habe. Da wäre es doch sinnvoll, sich diesen ganzen Koordinationsaufwand zu sparen und das Bad als vorgefertigtes Modul auf die Baustelle zu liefern. Die einfachen und flexibleren Bereiche kann ich dann individuell gestalten und verschiedene Elemente kombinieren. Und wenn es dann einige Anbieter für diese Lösungen gibt, dann entsteht ein Markt. Da werden im Werk von Januar bis Dezember zum Beispiel Außenwände produziert. Die Herausforderung werden die Schnittstellen sein. Wie passt die BSP-Innenwand zur Rahmenbau-Außenwand, die Wohnungstrennwand zum Badmodul?
 
Also sprechen Sie von einer Standardisierung?
Ja, aber es geht nicht um ein Rastersystem, sondern um die Standardisierung der Verbindungspunkte. Dann kann ein breites Anwenderfeld sicher in Holz bauen. Wir werden aber auch noch an anderen Stellen ansetzen müssen, beispielsweise bei den Flächenwidmungen. Wenn bei Stadterneuerungs- oder -erweiterungsgebieten 23 m Gebäudehöhe gewidmet sind, dann entspricht das im mineralischen Massivbau acht Geschossen. Mit dem Standardholzbau dürfen wir sechs Geschosse hoch bauen. Wenn der Bauträger nun vor der Entscheidung zwischen sechs und acht Geschossen sitzt, dann braucht man gar nicht weiterreden. Es geht aber auch nicht um die Forderung: „Ich will jetzt auch acht Geschosse bauen“, sondern beispielsweise, dass bei jedem Stadterneuerungsgebiet 25 % der Flächen auf 18 m gewidmet sind. Das lässt Spielraum für die Art der Bebauung und dann kann auch ein echter Markt entstehen. Für ein einzelnes Projekt wird man seine Aufbauten nicht ändern – wenn es einen Markt gibt, vermutlich schon. Den muss man kontinuierlich aufbauen.
 
Denken Sie, dass da auch in der Bildungslandschaft ein Hebel ist?
Sicherlich. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen, dass das Interesse bei den jungen Leuten bereits riesig ist. Darum meine ich, es braucht ein bundesweites, logisch aufgebautes Bildungssystem für den Holzbau und keinen Fleckerlteppich an Bildungsangeboten. Ich glaube, wir sehen in Österreich den Mitbewerber fälschlicherweise im anderen Bundesland bzw. Holzbaubetrieb. Und das gilt genauso für die Ausbildung. Ich denke, es müssen alle zusammen – die Ausführenden, Hersteller, Planer, der Forst – strukturiert gemeinsam ein Konzept erarbeiten. Und wahrscheinlich müssen wir da nicht nur österreichweit, sondern europaweit denken. Österreich hat das Know-how auf allen Ebenen. Da sind wir Weltklasse und sollten daraus vielleicht ein Produkt machen.

Zur Person

Bernd Höfferl absolvierte die holztechnische Basisausbildung an der HTL Mödling und die Zimmermeisterprüfung. Bislang war er in leitenden Positionen in Zimmereibetrieben mit dem Schwerpunkt auf Dachgeschossausbauten und sieben Jahre in technischer Hauptverantwortung in der Fertighausindustrie tätig. In dieser Zeit war er an der Errichtung mehrerer vier- bis siebengeschossiger Gebäude in England beteiligt. Das berufsbegleitende Studium überholz an der Universität Linz und die Beschäftigung als Sachverständiger vertieften sein Wissen zusätzlich. Darüber hinaus ist Höfferl im Normungsausschuss und in Arbeitsgruppen für mehrgeschossigen Holzbau und Hybridbau in Österreich und Deutschland vertreten. In seiner neuen Position bei proHolz Austria sollen nun möglichst viele von seinem Wissen profitieren.

Anfragen an Bernd Höfferl unter hoefferl@proholz.at