Man würde meinen, der Mensch ist ein Rudeltier. Doch wenn es um‘s Wohnen geht, kochen viele doch gerne ihr eigenes Süppchen. Wie durch ein gutes Wohnkonzept Nachbarn zu Freunden werden und warum Verdichten auch am Land Sinn macht, zeigt ein Reihenhausobjekt nahe Innsbruck.
Noch immer gehört es für viele von uns zu den erstrebenswertesten Zielen im Leben, irgendwann einmal eine Tür hinter sich zuzumachen, die man nicht nur gemietet hat, sondern die einem selbst gehört. Etwas zu besitzen, gibt uns nun mal ein gutes Gefühl, es belohnt uns für die Strapazen der Arbeit und zeichnet uns aus gegenüber anderen, die mit ihrer Arbeit nicht gleich so erfolgreich sind.
Während das Recht auf eigenen Grund und Boden für den Einzelnen als unantastbar und völlig selbstverständlich gilt, wird die Sache aber vor dem Hintergrund einer rapide steigenden Weltbevölkerung ganzheitlich gesehen, zum Problem. Hätte nämlich jeder die finanziellen Möglichkeiten für ein Haus mit Garten, würde es in Österreich relativ schnell eng werden, denn zu jedem Einfamilienhaus gehört neben der eigenen Grundfläche auch die Erschließbarkeit durch Straßen. Wenn man bedenkt, dass die durch Straßen verbaute Fläche in Österreich bereits die Größe des Landes Vorarlbergs erlangt hat, mag die Vorstellung eines solchen Szenarios greifbarer werden.
Ob Stadt, ob Land: Der Mensch braucht Platz
Während am Land die Tendenz zum Einfamilienhaus nach wie vor ungebrochen ist, zieht es auf der anderen Seite immer mehr Menschen zu den gut ausgebauten Infrastrukturen der Städte. Zwei scheinbar gegensätzliche Trends – man könnte somit die Schlussfolgerung ziehen, in der Stadt würde jene Bodenfläche verdichtet, die am Land "verschwendet" wird – eine Art Ausgleich also. Aber wir Menschen wollen uns auch in der Stadt breitmachen und so schwillen die Speckgürtel um Wien, Salzburg, Graz und Innsbruck immer weiter an. Wertvolle stadtnahe Flächen werden hier seit Jahrzehnten einer großzügigen Zersiedelung unterzogen. Wer beispielsweise von den Trassen der Wiener U2 auf den 22. Bezirk hinabblickt, wird Zeuge der unglaublichen Dimension dieser Verschwendung.
Verdichtung ist das Gebot der Stunde
Ganzheitlich und vor allem vorausschauend betrachtet, wird man um eine Verdichtung nicht herumkommen, denn auch in Österreich hat die Bevölkerung seit 1990 um eine Million Einwohner auf heute 8, 7 Millionen zugenommen. Für die Zentren der Städte hat man mit Aufstockungen und kleineren Wohnungen mit intelligenten Grundrissen bereits praktikable Lösungen gefunden. Für die Stadtrandgebiete und die weniger dicht besiedelten Kleinstädte und Dörfer scheinen die Bestrebungen nach attraktiven und lebenswerten Mehrfamilienhäusern noch in den Kinderschuhen zu stecken. Es gibt freilich eine Vielzahl an gelungenen Mehrparteiengebäuden auch in ländlichen Gebieten, nicht selten fehlen diesen aber die Argumente, welche die Menschen davon zu überzeugen, am Land zu bleiben und nicht in die Städte abzuwandern. Neben dem bloßen Wohnraum sollten derartige Gebäude nämlich auch den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen und Siedlungscharakter aufweisen können, damit sich deren Bewohner innerhalb der Gemeinschaft mit den Nachbarn zu Hause fühlen können.
Freizeitgestaltung und Nahversorgung nehmen dabei elementare Rollen ein. Aber auch der schnelle und unkomplizierte Zugang zum Internet gewinnt stark an Bedeutung. Immer mehr Menschen wollen von zu Hause aus arbeiten können, was nur mit Breitbandverbindungen praktikabel umsetzbar ist. Wer vom Land aus seinen Bürojob ausübt, für den lassen sich Karriere und Naturerlebnis leicht verbinden. Damit sich aber mehr Menschen darauf einlassen, auch am Land etwas zusammenzurücken, ist in erster Linie die Wohnqualität entscheidend, die jener eines Einfamilienhauses in nichts nachstehen darf. Alle eben aufgezählten Aspekte und noch viele mehr wollten die Planer Alois und Sabine Ilmer mit einer selbst entworfenen Reihenhausanlage verwirklichen. Dazu mussten sie aber über ihre eigentliche Rolle als Gebäudeplaner hinauswachsen und als Bauträger agieren. In Sistrans, einer 2200-Seelen-Gemeinde unweit von Innsbruck, suchte das Paar nach einem geeigneten Grundstück und wurde schließlich im Stockachweg fündig. Dort stehen nun seit 2011 auf nur 1700 m2 Grundfläche sieben Reihenhäuser, die in Holzbauweise vom Tiroler Unternehmen Schafferer Holzbau aus Navis errichtet wurden.
Vom "zusammen leben" geprägt
Ursprünglich wollte die junge Familie Ilmer nur einen Platz zum Leben finden. Die endgültige Entscheidung, mehrere Reihenhäuser zu bauen, wurde erst mit dem Kauf des Grundstücks gefällt. "Ich wollte aber schon immer Siedlungen bauen. Es ist der soziale Aspekt, also das Zusammenleben der Menschen, das mich daran interessiert", erzählt Alois Ilmer. Ihm und seiner Frau ging es von Beginn des Projekts an darum, die Frage zu klären, wie man ein Gebäude in eine Gemeinde integriert, um so einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. "Alle sollen etwas davon haben und glücklich damit sein." Und glücklich sind seit 2011 im Stockachweg nicht nur die sieben Familien, die hier ein neues Zuhause gefunden haben, sondern auch ihr Umfeld. Nachbarn, die schon länger in Sistrans wohnhaft sind, profitieren von dem neuen Leben in der Straße. Gemeinschaften bis hin zu Freundschaften sind entstanden. Mit Straßenfesten feiert man das gemeinsame Leben am Land. Unter den Einwohnern hat sich das in ganz Sistrans bereits herumgesprochen.
Andere Verhältnisse, andere Nutzungsbedürfnisse
Die sieben Häuser bemessen jeweils zwischen 100 und 128 m2 Wohnfläche und wurden von Alois und Sabine Ilmer allesamt an ihre Bewohner verkauft. Diese sind Familien mit und ohne Kinder. Berufstätige sind direkt in der Region beschäftigt oder arbeiten von zu Hause aus. Die Wohn- und Lebensverhältnisse gestalten sich bei allen sieben Familien anders, weshalb bei der Planung der Anlage großer Wert auf flexible Nutzungsmöglichkeiten gelegt wurde. "Uns war es wichtig, dass die Bauherren maximalen Einfluss auf die Raumeinteilungen nehmen konnten. Jeder sollte sich mit seinem Haus bestmöglich identifizieren können und selbst bestimmen, wo Wohnzimmer, Küche und Kinderzimmer den eigenen Bedürfnissen optimal gerecht werden. Wir selbst sind aber davon überzeugt, dass gemeinsame Wohnbereiche und die Durchmischung der Nutzungsflächen sehr wichtig sind. In unserem eigenen Haus haben wir deshalb dafür gesorgt, dass das Kinderzimmer in der Nähe des Wohnzimmers ist", so Ilmer.
Holz, weil es sympathisch ist
Für den Baustoff Holz haben sich die Ilmers zum einen wegen der bekannten wissenschaftlichen Vorteile, aber vor allem aufgrund subjektiver Gründe entschieden. "Viele Menschen nehmen Holz einfach anders wahr als Mauerwerk. Es wirkt wohlig, man riecht es gern und es vermittelt ein angenehmes Gefühl. Die Geschmäcker sind natürlich verschieden, aber wir bemerken, dass sehr viele Menschen Holz als angenehm empfinden – die Käufer unserer Reihenhäuser auf jeden Fall." Und was dem Planer und Bauträger in den Jahren seiner beruflichen Tätigkeit auch aufgefallen ist: "Holzbauer sind Professionisten. Sie haben offensichtlicherweise einen besonderen Zugang zu ihrem Material. Sie sind sehr genaue Handwerker, ihre Werke sind sehr feine Gebäude. Und ich schätze es, wenn jemand bei der Arbeit mitdenkt und sich bemüht. Im Endeffekt entstehen so Häuser, die fast auf den Millimeter genau passen." Alle sieben Reihenhäuser wurden in Holzmassivbauweise und als Niedrigenergiehäuser errichtet. Hinterlüftete Fassaden aus vorvergrautem Fichtenholz und Vordächer schützen die Außenwände vor der Witterung.
Verdichten als ein Mehr an Lebensqualität
Zum verdichteten Wohnen hat Alois Ilmer eine klare Meinung: "Damit die Menschen am Land bleiben und nicht abwandern, muss ihnen die nötige Infrastruktur geboten werden, man muss für attraktive Landgefüge sorgen und den Bewohnern geben, was sie benötigen. Außenräume spielen eine enorm wichtige Rolle. Dazu gehören auch Zentren des sozialen Lebens. Probleme und Herausforderungen lassen sich gemeinsam besser lösen als alleine – das steigert wiederum die Lebensqualität des Einzelnen."
Projektdaten
Standort: Sistrans
Fertigstellung: 2011
Bauweise: Holzmassiv
Planer und Bauträger: ilmerilmer GmbH
Holzbau: Schafferer Holzbau