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©Mark Power / Magnum Photos

Edel im Auftritt, holzig im Abgang

Ein Artikel von Redaktion | 02.07.2018 - 16:12


Nur „Whisky“ ist schottischer Whisky. Whiskey mit „e“ kommt aus Irland, Amerika oder dem Rest der Welt. Auf diesen kleinen, feinen Unterschied legen die Schotten Wert. Auf exzellente Architektur ebenso, scheint es. Eine der ältesten lizenzierten Brennereien Schottlands (seit 1824), Macallan, produziert in der Region Speyside seit Kurzem unter einem hochkomplexen Holzkuppeldach – konstruiert und gebaut in Österreich.

Sechs Liter Macallan M-Whisky gingen vor einigen Jahren für rund 467.000 € an einen Sammler. Die von der schottischen Destillerie in Easter Elchie – Eigentümer ist die Edrington Group – kreierten edlen Tropfen gehören zu den weltweit teuersten und feinsten Whiskymarken. Ein gewöhnlicher Neubau hätte sich für die Spitzenbrennereibesitzer wohl genauso angefühlt wie guter Whisky auf Eis. Edel im Auftritt und vor allem holzig im Abgang sollte er sein. Die renommierten Londoner Architekten Rogers Stirk Harbour + Partners trafen mit einem frei geformten Holzkuppeltragwerk letztendlich den erlesenen Geschmack ihrer Auftraggeber.

Hirnschmalz in jedem Träger

2012 erhielten die Architekten den Auftragszuschlag, im April 2016 begann das Holzbauunternehmen Wiehag aus Altheim mit der Montage der Holzträger, im Dezember schloss man diese ab. Eröffnung war im Mai 2018. Dazwischen liegt eine große Menge an „Computer Brain Power“, wie sich einer der ausführenden Planer, Toby Jeavons, ausdrückt. Und auch die Planungsarbeit im Holzbauunternehmen war nicht unerheblich. „Wir sind seit über 20 Jahren im Vereinigten Königreich tätig und konnten viele innovative Projekte umsetzen. Macallan ist die komplizierteste Holzdachkonstruktion, die wir jemals errichtet haben“, konstatiert Wiehag-Eigentümer und -Geschäftsführer Erich Wiesner.   

In ständigem Austausch mit der Produktion

Einer der im Unternehmen tätigen Statiker, Martin Vierlinger, bestätigt die Aussage seines Chefs. „Es gehörten gesunder Respekt und Mut dazu, das Projekt in Angriff zu nehmen“, bemerkt er. Als einer von drei Mitarbeitern machte er das 3D-Modell der Architekten produktionskompatibel. „Im ersten Moment ist es nicht klar, ob der architektonische Plan von uns auch in die Tat umgesetzt werden kann.“ Für die Lösungserarbeitung ist man bei Wiehag von Beginn an eng mit der Produktion in Kontakt. Gerade bei einem so komplexen Projekt scheint diese Vorgehensweise nur allzu plausibel.

Beidseitige Abgratung erforderlich

Das Holzdach sitzt auf einer bauseitigen Stahlrahmen-Unterkonstruktion, die wiederum auf einer Betonbodenplatte fußt. 1800 Einzelträger, 2700 Dachelemente und 380.000 Einzelbauteile stecken im Gebäude. Fünf nebeneinander liegende Kuppeln – die höchste misst 27 m – spannen sich mit einer Gesamtlänge von 207 m über die Produktionsstätte. Das schwere Gründach war für die Berechnung nicht unerheblich, erzählt Vierlinger.  „Alle Knotenpunkte waren von den Architekten definiert, alle Höhen und Auflagerpunkte ebenso. Die Geometrie aller Träger war vorgegeben“, beschreibt er. Mit der Übertragung in ein parametrisches Design, also ein geometrisches Modell inklusive Elementeigenschaften, erzeugte man bei Wiehag ein Schema. Ein großer Vorteil der parametrischen Methode liegt darin, dass man bei Großprojekten eine Logik entwickelt, die dann auf das Gesamtmodell anwendbar ist. „Man spart sich das lästige Kopieren und Spiegeln.

So konnte die Destillerie innerhalb von dreieinhalb Jahren fertiggestellt werden. Die Gesamtinvestition beläuft sich auf rund 217 Mio. €. Trotz des erheblichen Planungs- sowie Produktionsaufwands sieht sich das oberösterreichische Unternehmen auch für die Zukunft ähnlich komplexen Bauaufgaben gewachsen. Man habe bereits weitere Projekte vergleichbar komplexer Form in Aussicht gestellt bekommen.

100 unterschiedliche Detailanschlüsse

Vorgabe der Architekten war es, die Breite von 200 mm und die Höhe von 750 mm der Brettschichtholzträger innerhalb des architektonischen Grundrasters von 3 mal 3 m entlang der gesamten Dachkonstruktion einzuhalten. Dies schnallte das Holzbauunternehmen in ein enges Korsett. Zudem waren die Anforderungen an die Produktion äußerst anspruchsvoll. „Durch die ständig variierenden Winkel ergaben sich in jedem Feld viele unterschiedliche Abgratungen der Träger. Deshalb mussten wir einen Riesenaufwand bei den Anschlüssen betreiben. Das waren beinahe 100 unterschiedliche“, beschreibt er den für einen Statiker kritischsten Punkt, mit dem ein Bauvorhaben steht oder fällt. Um die Produktionsanforderungen vollends erfüllen zu können, schaffte man in Altheim eine neue Portalbearbeitungsmaschine, eine modifizierte PBA von Hundegger, an.

Dimensionsvorgabe mit BSH nicht möglich

Die BSH-Träger – die längsten messen 18 m – verfügen über einen Fichtenkern von 160 mm, darauf gibt es eine beidseitige Verkleidung mit Kerto (Dünnschicht-Furnierholzplatten) von jeweils 20 mm. Diese ragt unten mit 5 cm Überstand ins Halleninnere. „Das war ebenfalls Vorgabe der Architekten, diesmal allerdings eine ästhetische.“ Aber nicht an jeder Stelle konnte die so beschaffene Trägerdimension von 200 mal 750 mm den statischen Anforderungen genügen. „Weil wir das Maß nicht variieren durften, kam ein kleiner Trick zur Anwendung. Der Kern der am höchsten beanspruchten Träger in den Kuppeln besteht aus Stahlhohlkastenprofilen, die wir ebenfalls mit Kerto verkleideten, um die gewünschte Optik beizubehalten.“ Die Holzanschlüsse wurden mit Schlitzblech-Stabdübellösungen ausgeführt. Am bauseitigen Stahlrahmen wurden die Träger der überwiegend gelenkigen Anschlüsse mit nur einem Verbindungsbolzen angeschlossen. „Damit hatten wir die Bautoleranzen gut im Griff und waren schnell bei der Montage.“

„Das größte Augenmerk galt der Präzision der Bauteile.“ Bei einer Gesamtlänge von 207 m ist das ein Muss. „Auf dieser Länge hatten wir keinen Spielraum für Toleranzen.“ Damit ein reibungsloser Ablauf der Montage garantiert war, wurde jedes einzelne Bauteil mit einer Produktionsnummer versehen. Zusätzlich erhielten die Träger einen Barcode zur schnellen Zuordnung.

Projektdaten

Standort: Easter Elchie, Schottland
Fertigstellung: Mai 2018
Architektur: Rogers Stirk Harbour + Partners
Dachplanung und -ausführung: WIEHAG
Planung Stahlbetonbau: Arup
Generalunternehmer: Robertson Construction Group