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Mit seinem Baukastensystem trifft Lukas Lang Building Technologies augenscheinlich den Nerv der Zeit.  © Lukas Lang Building Technologies

Der Konstante untergeordnet

Ein Artikel von Redaktion | 20.09.2018 - 12:57


Ein relativ junges österreichisches Unternehmen entpuppt sich in Sachen serielle Massenfertigung zunehmend als ernstzunehmende Größe. Mit seinem Baukastensystem – fast so leicht und schnell zu montieren wie die Einrichtungsgegenstände eines schwedischen Möbelherstellers, hört man – trifft Lukas Lang Building Technologies augenscheinlich den Nerv der Zeit. Woran das liegt, hat holzbau austria am Unternehmenssitz im 13. Wiener Gemeindebezirk in Erfahrung gebracht.

Als der mittlerweile 91-jährige Architekt Lukas Lang 1995 gemeinsam mit dem Unternehmer Hans-Christoph Prutscher die Vision von Gebäuden als flexible, industriell gefertigte Baukastensysteme andachte, war das mit Sicherheit vorausschauend. Damals hatten die Wiederverwend- und Versetzbarkeit ganzer Bauten noch nicht wirklich viele im Fokus. Nach mehrjähriger intensiver Produktentwicklungsphase entstand 2003 der erste Pavillon, 2005 folgte ein Musterhaus à la Lukas Lang. Mit der Mehrheitsbeteiligung Hans-Peter Haselsteiners (STRABAG) und der Gründung von Lukas Lang Building Technologies 2008 wurde schließlich der Grundstein für die industrielle Serienfertigung in großen Stückzahlen gelegt. Spätestens mit dem Bau der drei Ersatzquartiere für das Österreichische Parlament 2017 erlangte das Unternehmen in Österreich weitreichend Bekanntheit.

Adaptierung jederzeit möglich

Stand zu Beginn der Einfamilienhausbereich im Mittelpunkt, denkt man heute am Hauptsitz im 13. Wiener Gemeindebezirk viel weiter. Im Büro- und mehrgeschossigen Wohnbausektor hat das Unternehmen längst Fuß gefasst. Der Grundgedanke der Gebäudeflexibilität mithilfe eines Systembaukastens blieb jedoch der gleiche und dieser bringe etliche Vorteile: den zerstörungsfreien Abbau, die Wiederverwendbarkeit einzelner Komponenten und vor allem die Adaptierungsmöglichkeit aller Gebäude zu jeder Zeit. Dies ist aus mehrerlei Gründen möglich. Man arbeitet mit einem Systembaukasten, der auf der Skelettbauweise basiert. Als Standard ist eine Holzelementfassade vorgesehen. Innenraumelemente können je nach Gebäudeart gewählt werden. Mit sechs Trägertypen können alle möglichen Grundrisse entstehen. Dabei gibt es eine fixe Konstante: ein 1, 4 m-Raster, dem sich alle restlichen Komponenten unterordnen. Auch die Geschoss- und Raumhöhen sind fix definiert. Bei 3, 5 m Geschosshöhe kommen 3 m Raumhöhe im Objektbau zustande. Im Wohnbau sind es 3 m Geschoss- und 2, 6 m Raumhöhe. Dabei werden auch Holz-Stahl-Komponenten verwendet. Dem Zufall wird nichts überlassen. „Von der kraftschlüssigen Verbindung bis zur Haustechnik verfolgen wir den Ansatz, vor Ort so wenig wie möglich entscheiden zu müssen und vor allem, keine Überraschungen zu erleben. Dafür braucht es sehr viel Disziplin“, erzählt der Geschäftsführer Christian Leitner, der schon seit dem Jahr 2008 im Unternehmen tätig ist.

Um einen reibungslosen Ablauf vor Ort zu gewährleisten, ist jeder Träger mit einer Artikelnummer und einem Code versehen, der bei Montage ausgelesen wird. Ein RFID-Chip ist ebenfalls im Gespräch. „Das wird relevant, wenn es um die Versetzbarkeit geht. Hier könnten wir beispielsweise Daten bezüglich der Holzfeuchte auslesbar machen.“ Dabei handelt es sich aber noch um Zukunftsmusik. Darüber hinaus arbeitet man bei Lukas Lang sehr anlagenlastig. „Wir beschäftigen Maschinen- und Anlagenbauer, Bauphysiker, Statiker, Architekten und Ingenieure.“ Im Sinne einer „Kaufstrategie“ arbeitet man darüber hinaus mit ständigen externen Partnern aus dem Holzbau, der Architektur und mit Zulieferbetrieben zusammen. Selbst produziert man nicht. „Sobald es eine Ausschreibung nach Gewerken gibt, machen wir nicht mit.“ Auch bei der Montage greift man auf Fremdfirmen zurück. „Wichtig ist, dass immer einer dabei ist, dem das System vertraut ist“, erklärt Leitner. Jener kommt üblicherweise aus dem eigenen Haus.

Zubau innerhalb eines Tages

Übung hat man aber bereits in Sachen Ab- und Wiederaufbau. „Es kommen monatlich Aufträge rein – Erweiterungs- oder Umbauarbeiten betreffend.“ Im „Seeresort Hautzendorf“ zum Beispiel gehe die Flexibilität sogar so weit, dass Bewohner selbst umbauen. Dort, in der Nähe von Graz, werden 24 Einfamilienhäuser auf einer aufgeschütteten Landzunge bewohnt. „Wenn jemand seinen Balkon nicht mehr braucht, fragt er bei seinen Nachbarn nach, ob sie Verwendung dafür hätten. Dann bauen sie gemeinsam um.“ Solche Situationen kämen immer wieder vor. Gerade hat man eine Wohnsiedlung in gleichem Stil in Oberwaltersdorf fertiggestellt. „Der nachträgliche Umbau bei solchen Einfamilienhäusern funktioniert mit einem Akkuschrauber.“ Auch wenn aufgrund veränderter Lebensumstände ein Zubau nötig werde, hat man bei Lukas Lang eine Lösung: „Man bestellt bei uns die Komponenten für die gewünschte Quadratmeteranzahl und im Normalfall setzten wir den Zubau innerhalb eines Tages um. In dieser Hinsicht besitzen wir meiner Meinung nach ein Alleinstellungsmerkmal.“ Damit dies alles möglich ist, braucht es eine bestimmte Kleinteiligkeit. „Wir arbeiten mit relativ handlichen Komponenten. Das bringt zudem logistische Vorteile mit sich.“ Auf einem Lkw können 40 m2 Nutzfläche transportiert werden.

Bis zu 100 mehrgeschossige Wohnbauten

„Wir glauben, dass uns diese Methode in Richtung großvolumige industrielle Serienfertigung bringt.“ Der Plan scheint sich gerade in die Realität umzusetzen. Der GdW, Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft, hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Ziel das Abschließen von Rahmenvereinbarungen über den Neubau mehrgeschossiger Wohnbauten in serieller und modularer Bauweise war. Dies sol öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzen, sich ohne weitere Ausschreibung aus verschiedenen Systemen bedienen zu können. Dabei handelt es sich um ein bisher einzigartiges Verfahren in Deutschland – und Lukas Lang Building Technologies ist eines der neun Unternehmen, das aus rund 50 Bewerbern dazu auserkoren wurde. Bis zu 100 mehrgeschossige Wohnbauten im Jahr (2400 Einheiten) sind laut Ausschreibung gefordert. Das Volumen macht Leitner keine Angst. „Wir arbeiten mit Herstellern zusammen, die im Fall der Fälle imstande sind, große Mengen zu produzieren. Es handelt sich um Partnerbetriebe, mit denen wir schnell skalieren können und die es gewohnt sind, in hoher Qualität zu produzieren.“ In der Rahmenvereinbarung ist die Rede von fünf- bis siebengeschossigen Wohnbauten. „Hochhäuser bauen wir keine“, ergänzt Leitner.

Prestigebau wird es nicht geben

„Vielfalt mit System“, lautet der Leitspruch des Unternehmens – und trotz der verschiedenen Gebäudefunktionalitäten beschleicht einen die Frage: Ist die Vielfalt lediglich durch die Geschossanzahl und Raumgröße definiert? Nein, sagt Leitner. „Unser System steht nicht im Widerspruch zur Ästhetik.“ Es sei gestalterisch möglich, ganz individuelle Gebäude zu entwerfen. „Dafür muss sich der Architekt allerdings auf uns einlassen.“ Trotzdem ist der Geschäftsführer realistisch: „Ein Prestigebau wird nicht mit Lukas Lang entstehen. Wir sind sehr wohl ästhetisch und individuell unterwegs. Im Fokus stehen aber Funktionalität und Wohlfühlfaktor.“ Im Moment macht der mehrgeschossige Wohnbau rund 10% des Projektvolumens von Lukas Lang aus. Der Rest verteilt sich gleichmäßig auf den Büro- und Einfamilienhausbau. 2019 möchte man – neben den Aktivitäten in Deutschland – in Österreich als Totalunternehmer im Bereich Wohnbau einsteigen. Details dazu werden noch nicht verraten.

Bei Verlassen des Unternehmens nimmt die Mannschaft gerade geschlossen am Mittagstisch Platz. Da hat man das Gefühl, dass dieser bei dem rasanten Wachstum des Unternehmens bald nicht mehr ausreichen wird.