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3800 Kubikmeter Holz wurden insgesamt im Studentenwohnheim Woodie verbaut.  © PRIMUS developments, Götz Wrage

Hamburg hat hoch gestapelt

Ein Artikel von Redaktion | 10.09.2018 - 08:17


Während mittlerweile in der vormals umstrittenen Hamburger Elbphilharmonie musiziert wird, setzte der wohl weltweit größte Holzmodulbau „Woodie“ unweit davon Maßstäbe in Sachen Bauzeit und konzertierter Projektabwicklung. Binnen weniger Monate realisierten die ausführenden Unternehmen mithilfe durchdachter Vorfertigung einen siebengeschossigen Wohnbau mit 371 Mikroappartements.

Der Wohnraum in Deutschlands Großstädten wird zunehmend knapp. Das bekommen auch zugezogene Studenten stark zu spüren. In Hamburg etwa führen die Wohnheime lange Wartelisten. Mit 371 voll eingerichteten Mikroappartements trägt das Vorzeigeprojekt „Woodie“ seit Oktober vergangenen Jahres zur Entlastung bei. Ganz nebenbei sorgte der Neubau dabei für Aufsehen. Innerhalb von zehn Monaten wurde das ungewöhnliche Gebäude aus der Feder von Sauerbruch Hutton Architekten, Berlin, in Holzmodulbauweise errichtet und erhielt seitdem so manche Auszeichnung, denn es vereint die Vorteile des grünen Baustoffs mit dem der seriellen Vorfertigung.

Auf und an Stahlbetonsockeln und -treppenhäusern arrangierte das Baustellenteam mit einem Kran die einzelnen Wohneinheiten in vier Monaten zu einem Siebengeschosser, der – passend zur maritimen Atmosphäre der Elbinsel – an ein Containerschiff erinnert. Im Inneren herrscht eine gemütliche Atmosphäre, da die Massivholzwände sichtbar blieben und auch das Mobiliar aus Holz ist. 3800m3 des nachhaltigen Werkstoffs wurden insgesamt im Woodie verbaut. Der Boden besteht aus Naturkautschuk und ist damit ebenso pflegeleicht wie nachhaltig. Für monatlich ab 500 € können zukünftige Akademiker dort „all inclusive“ in toller Lage leben und lernen.

 

Woodie ließ Mitbewerber hinter sich

Auf dem Gelände der Internationalen Bauausstellung im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg befindet sich Woodie in gleichgesinnter Gesellschaft. Dank seiner Zentrumsnähe mit guter Verkehrsanbindung passte das aufstrebende Viertel in das Konzept der bereits erfahrenen Projektentwickler Torsten Rieckmann, Geschäftsführer Senectus, und Achim Nagel, Geschäftsführer von PRIMUS developments. In Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro entwickelte man den Bebauungsplan und zog nach erfolgreichem Wettbewerbsverfahren umgehend den passenden Holzmodulbauexperten, Kaufmann Bausysteme aus Vorarlberg, für das 18, 7 Mio. €-Projekt hinzu. „Bei einem solchen Objekt ist es essenziell, vorausschauend und präzise zu planen“, vermittelt der für das Realisierungsmanagement verantwortliche Projektleiter, Jürgen Bartenschlag. „Man arbeitet mit allen am Bau Beteiligten enger zusammen und es wird möglich, exakte Leistungsgrenzen zu definieren. So sind die Zuständigkeiten klar und Kompetenzüberschneidungen bleiben aus. Das erhöht die Qualität und Planungssicherheit.“ Letztere spielte sicherlich auch bei der Erstellung des Finanzierungsplans eine entscheidende Rolle. „Mit unserem System bleiben die Kosten kontrollierbar niedrig, denn jene für Ausschreibungen, Rechtsberatung und Bauleitung entfallen”, betont Christian Kaufmann, Geschäftsführer des ausführenden Holzbaubetriebes. „Mängelbehebungen sinken auf ein Minimum.

Die 20m2 großen Bausteine aus steirischer Fichte und Tanne wurden somit samt Nasszellen, Küchenzeilen, Anschlüssen und diversen clever geplanten Möbeln präzise und sorgfältig hergestellt. Dank der überwachten, seriellen Fertigung im klimatisierten Werk übertreffe die erreichbare Qualität von Konstruktion und Innenausbau die eines nachträglich eingefügten Innenausbaus merklich, ist Kaufmann überzeugt. Auf der Baustelle mussten die fertiggedämmten, verkabelten und möblierten „Legosteine“ lediglich noch platziert und verbunden werden. In den Einzeleinheiten selbst waren keine nachträglichen Handgriffe mehr notwendig. Kaufmann übernahm zudem die Koordination aller direkt angrenzenden Folgegewerke und Subunternehmer, wie der Lärchenfassadenproduktion, Dachabdichtung und Treppenhauskonstruktion. Die Arbeitsabläufe wurden so im Takt des Modulbaus dirigiert. Just in time erreichten die wohnlichen Holzcontainer per Lkw ihren Bestimmungsort und wurden verbaut. Auf diese Weise optimierte man die Bauzeit und -qualität und schloss Fehler noch vor der Auslieferung effektiv aus, was auf vielerlei Ebenen zu Kosteneinsparungen führte.

Geglückte Mission macht Mut

Aufgrund des durchdachten Konzepts und der vorbildlichen Umsetzung erhielt Woodie in den vergangenen Monaten zahlreiche Preise, wie im Wettbewerb „Wohnbau Hamburg“ oder bei den Immobilienmanager Awards in Köln. Im Rahmen des Richtfests im Oktober lobte auch die zuständige Bausenatorin mit dem passenden Namen Dorothee Stapelfeldt das Vorzeigeobjekt. Statt eines Kranzes schwebte damals ein Wohnmodul zur Feier des Tages über dem Bauwerk. Um den Nachhaltigkeitscharakter noch zu verdeutlichen, verschenkten die Bauherren 2500 Tannensetzlinge, die das Holzvolumen, welches für Woodie benötigt wurde, in 60 Jahren reproduzieren dürft.

Das herausragende Studentenwohnheim zeigt, wie wohnlich seriell produzierte Objekte gestaltet werden können. Als Symbol – nicht nur für seinen Heimatcontainerhafen – zeigt es die Vereinbarkeit von ästhetischem Anspruch und effizienter Fertigung und, passend zum Motto des Systemlieferanten macht es Mut für ähnliche konstruktive Projekte. Den Wohnbau gilt es noch weiterzuentwickeln”, gibt Kaufmann einen Ausblick. „Systematische Grundrisse und modularisierte Folgegewerke wären hier denkbar.“

Klassenbester erhält Auftrag

Kaufmann Bausysteme widmet sich indes bereits neuen Projekten. Für die Realisierung der Integrierten Sekundarschule in Berlin-Mahlsdorf zogen „nkbak architekten“ die Experten heran. So setzt man konzeptionell fort, was in Hamburg erfolgreich erprobt wurde. Knapp 300 Raummodule und 23 Mio. € umfasst der Auftrag, der in diesem Sommer gestartet und bis August 2019 umgesetzt wird. Drei Module entsprechen einer Klasseneinheit in dem dreigeschossigen Projekt mit einer Baugrundfläche von 11.200 m2, auf der auch eine Sporthalle entstehen wird.

Am steirischen Produktionsstandort Kalwang wickelt man diesen bisher größten Auftrag mit täglich vier komplett ausgestatteten Raummodulen auf auf einer neu entwickelten Fertigungsstraße ab. Für die 300 Einheiten sind 15 Wochen reine Produktionszeit vorgesehen, die nach einem exakten logistischen Taktplan auf Spezialtransporten just in time nach Berlin geliefert und dort mit einem Kran sofort an die richtige Position gehoben werden. Die Sporthalle daneben realisiert Kaufmann Bausysteme als klassischen Holzbau, denn das erfahrene Unternehmen ist stets bestrebt, die optimale Bauweise für das jeweilige Projekt zu wählen.

Projektdaten

Standort: Hamburg
Fertigstellung: Oktober 2017
Bauzeit: 9 Monate
Architektur: Sauerbruch Hutton
Holzbau: Kaufmann Bausysteme
Tragwerksplanung Module: Merz Kley Partner
Holzmenge: 3500 m3 BSP