Für ein Verdichtungsprojekt im französischen Nantes wurde die vorhandene Bebauung weitergenutzt und passgenau ergänzt. Der Ökologie, Ökonomie und den französischen Spuren „historiques“ wurde dabei gleichsam Rechnung getragen. Aus Alt und Neu erwuchs so zusätzlicher und heimeliger Wohnraum, der bis ins Detail durchdacht ist.
Wie das finale fehlende Stück fügt sich das „Puzzlehaus“ im französischen Nantes in seine Umgebung ein. Dabei war es den Erschaffern wichtig, die Bestandsbebauung samt ihrer eigenen Geschichte nicht zu verstecken, sondern den Neubau interessant und doch unaufdringlich zu integrieren. Die Auftraggeber hatten über die Jahre bereits schrittweise angebaut, sodass ein einstöckiges Gebäude aus Mauerwerk für den Start zur Verfügung stand. Neben der Einsparung unnötiger Abrisskosten bewog auch der Gedanke, die sichtbare Evolution des Hauses zu erhalten, dazu, selbiges als Ankerpunkt für die Planung zu verwenden. Antoine Mabire vom Architekturbüro Mabire-Reich, Nantes/FR, sieht derartig kniffelige Projekte als besonders lehrreich an und stürzte sich mit Begeisterung in ein neues Abenteuer.
Gemütlichkeit und Offenheit in Einklang
Den steinernen Eingeschosser ergänzte man dort, wo zuvor das Satteldach saß, mit einem Betonrahmen um etwas Höhe. Das schwarz gestrichene Mauerwerk bildet – gemeinsam mit der kunstvoll durchbrochenen Holzfassade – ein vertrautes und doch neues Erscheinungsbild zur Straße. Innen passte ein auf den Passivhausbau spezialisierter Zimmereibetrieb einen komplett hölzernen Einschub ein, der einzig den Giebel als sichtbaren Übergang zum angebundenen Bestandsgebäude unverdeckt lässt. Auf dieser Holzkonstruktion ruht auch das zweite Stockwerk, das die Privaträume beherbergt und sich L-förmig nicht über die komplette Gebäudefläche erstreckt. Dort, wo das Mauerwerk wintergartenähnlich durch großzügige Holzfensterfronten ersetzt wurde, besitzt das Erdgeschoss die doppelte Höhe und erzeugt ein Gefühl der Offenheit. Währenddessen sind Küche und Wohnlandschaft, welche sich unterhalb des Aufbaus befinden, ausreichend mit natürlichem Licht versorgt. Im Obergeschoss sorgt dieses Konzept ebenfalls für Helligkeit, ohne die Privatsphäre zu gefährden. Sichtbare Holzbalken, -wände und -decken harmonieren mit dem grauen Betonboden im Wohnbereich und wirken in den Privatgemächern, in denen selbst dieser die Maserung der Kon-
struktion zeigt. Urig und gemütlich, ohne zu erschlagen. „Unsere Aufgabe war es, einen möglichst großzügigen und vielfältig nutzbaren Raum zu schaffen, der sowohl als Wohnung als auch separat betretbares Büro genutzt werden kann“, erklärt Mabire.
Spezialwerkstoffe aus der Region im Einsatz
In feiner Planungsarbeit und enger Absprache mit dem ausführenden Holzbaubetrieb, SinéCo Charpente, fand man für jede Konstruktionsaufgabe den passenden Werkstoff. So fungiert das Material Trica (I-Balken aus Massivholz mit OSB) als Tragkonstruktion sowie Brettschicht- und Konstruktionsvollholz als Säulen und Sparren. Die Wand- und Deckenflächen wurden als Holzrahmenbau vom Hersteller Thebault in Tebopin, also Sperrholz aus regionaler See-, Strand- oder Bordeaux-Kiefer (Pinus pinaster), realisiert. Mabire bevorzugt es, hochwertige Werkstoffe in seinen Projekten präzise zu verarbeiten, sodass die Konstruktion nicht hinter Farbe versteckt werden muss, sondern für sich sprechen kann. Eine Geschichte erzählt auch die Fassade aus naturbelassenem Douglasienkernholz. Sie wurde in einem aufmerksam machenden Muster angebracht und gibt durch dreieckige Aussparungen den Blick auf das dunkel gestrichene Mauerwerk frei. Wo gewollt, ist sie für maximalen Lichteinfall vor den Fenstern durchbrochen, andernorts wiederum schützt sie semipermeabel vor ungewollten Blicken. „So erschufen wir aus Bestand und Neubau ein homogenes Erscheinungsbild, das eine eigene Identität erlaubt, ohne die Entstehungsgeschichte zu verbergen“, fasst Mabire zusammen. Gleichzeitig symbolisiert die sorgfältig zusammengesetzte Hülle den puzzleartigen Charakter des Innenlebens.
Verdichtung als Bereicherung für Stadtleben und Architekturentwicklung
Frankreich bleibt von steigenden Wohnungspreisen in Stadtgebieten nicht verschont. So gewinnt die Verdichtung auch in Nantes an Bedeutung. Baugenehmigungen sind laut Architekt recht unkompliziert zu bekommen. Lediglich die ungewöhnliche Fassade bedurfte im Antrag einer Erklärung. Mabire ist das Prozedere gewöhnt, da sein Büro regelmäßig derartige Projekte durchführt, um sich nicht in der Unpersönlichkeit und Weite großer Neubauten zu verlieren. Zwar sei das Budget stets knapp, doch gerade das fordere die Kreativität. Gleichzeitig sei es nicht möglich, allein von Verdichtungsaufträgen zu leben, da die Planung im Verhältnis zu viel Zeit in Anspruch nehme. „Ich schätze die Selbstständigkeit und enge Zusammenarbeit mit kleineren Unternehmen, die diese Art von Projekten mit sich bringt“, verdeutlicht der Architekt. „Bei Großprojekten können wir uns weder unsere Holzbaupartner und Lieferanten aussuchen, noch ein Problem über die Maße vertiefen.“ Die ganz eigene Dynamik solcher „Abenteuer“ mache Verdichtungen so reizvoll.
Projektdaten
Standort: Nantes/FR
Nutzfläche: 128 m2
Fertigstellung: 2018
Architektur: Antoine Mabire
Holzbau: SinéCo Charpente
Holzrahmenbau: Thebault Group