Um einem sich rasch urbanisierenden Planeten mit knapper werdenden Ressourcen und einer unsicheren Klimaentwicklung zu begegnen, wägen die Vereinten Nationen (UN) die Möglichkeit von schwimmenden Städten in der Zukunft ernsthaft ab. Gemeinsam mit dem Architeturbüro Bjark Ingels Group (BIG) haben sie einen Prototypen aus Massivholz und Bambus entwickelt.
Etwa 90 Prozent der größten Städte weltweit sind vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen. Von den 22 Megacitys mit einer Bevölkerung von mehr als 10 Millionen Menschen befinden sich 15 an den Küsten des Ozeans. Zudem steigt die Bevölkerungsdichte in Städten bekanntermaßen massiv an. Diese Fakten haben nicht zum ersten Mal zu Überlegungen geführt, wie sich ganze Städte am Meer organisieren ließen. Diesmal scheint die Idee sehr ernsthaft verfolgt zu werden. In New York diskutierte eine hochkarätige Runde aus Experten von UN-Habitat (das Wohn- und Siedlungsprogramm der Vereinten Nationen), UN-Vertretern für bezahlbaren und nachhaltigen Wohnungsbau, dem MIT (Center for Ocean Engineering), dem Explorers Club, einem Privatclub führender Forscher, und OCEANIX, einer Gruppe, die in schwimmende Städte investiert.
Bjarke Ingels von BIG präsentierte dort seinen Entwurf für eine prototypische schwimmende Stadt, die aus Massivholz und Bambus bestehen soll. Dieser Vorschlag wäre „hochwasser-, erdbeben- und tsunamisicher“, so Marc Collins Chen, Mitbegründer und CEO von OCEANIX. Angedacht sind eine Reihe von modularen Inseln. BIG konzipierte die Städte als abfallfrei und hoch energieeffizient. Darüber hinaus will man den Nahrungsmittelbedarf der auf den Inseln ansässigen Bewohnern durch landwirtschaftlichen Eigenanbau decken.
Oceanix City, wie das Projekt genannt wird, würde mit bis zu siebengeschossigen Gebäuden rund um einen öffentlichen Raum bebaut. Landwirtschafts- und Erholungsraum sollen dabei koexistieren. Da die Städte „abschleppbar“ sind, könnten sie im Falle eines Wetterereignisses verschoben werden.
Aufgießen von Sand hat keine Zukunft
Die Landgewinnung, also die Schaffung von neuem Land durch Aufgießen von Sand in den Meeren, wird nicht mehr als nachhaltig angesehen. Einerseits, weil die Methode wertvolle Sandressourcen nutzt und andererseits dazu führt, dass schützende Feuchtgebiete und Mangroven verloren gehen. Laut der hochkarätigen Diskussionsrunde könnten schwimmende Städte eine wahre Alternative sein: „Es geht darum, eine Gemeinschaft von Menschen aufzubauen, die sich um den Planeten und jede Lebensform auf ihm kümmert“. Fernab von Utopie ist die Idee für Collins weniger ideologisch als vielmehr infrastrukturell überlegt. Die Oceanix Cities würden Ausweichmöglichkeiten an Küstengebieten bieten, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind.
„Diese Städte müssen für alle zugänglich sein. Ohne populistisches Denken können wir keine breite Unterstützung dafür finden", sagte Richard Wiese, der Präsident des Explorers Club. Die ersten Prototypen werden relativ klein gehalten, sagen die Experten. Die geplanten, 4, 5 ha großen Inseln können je 300 Menschen aufnehmen. Das Ziel besteht darin, das System durch Wiederholung der Einheit zu skalieren, bis die Stadt 10.000 Menschen fassen kann.
Bis zur Realisierung müssen noch viele Fragen geklärt werden: Ist die Idee bezahlbar und nachhaltig realisierbar? Ließen sich die Städte tatsächlich autark betreiben? Würden sie die Klimamigration einschränken? Spannend ist das Konzept aber allemal.
Quelle: BIG