Die Windmühle am Holderbärg

Ein Artikel von Raphael Zeman | 19.06.2025 - 13:51
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© Kurt Hörbst

„Das Einfamilienhaus bleibt eine kritische Bauaufgabe, doch trotz zunehmender Infragestellung ist es Teil der gebauten Wirklichkeit. Umso wichtiger ist es, sparsam mit Ressourcen umzugehen, die Zukunftsfähigkeit mitzudenken und eine mögliche Rezyklierbarkeit in die Planung zu integrieren", erklärt Helena Weber, die mit Philipp Berktold das Büro Berktold Weber Architekten in Dornbirn führt.

Im Falle des „Haus am Holderbärg“ wollte die Bauherrenfamilie ein Holzhaus als Ersatzneubau am Siedlungsrand von Islikon in der Schweiz errichten und ist aus genau diesem Grund auf das Vorarlberger Büro zugekommen. Das leicht abfallende Grundstück verfügt über alte, große Baumbestände und freie Blickbeziehungen nach Süd und Ost. Die Bezugnahme auf den Ort und eine dementsprechend sensible Eingliederung in die Topografie und die vorhandenen Strukturen gehören zu den obersten Prämissen der Planer.

„Wesentlich soll es sein“

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Vom mittig platzierten Treppenhauskern mit Zenitallicht fächern sich die Räume in alle Richtungen auf. Die Deckenelemente wiederum falten sich zur Oberlichte hin, wodurch ein windmühlenartiges Dach entsteht (siehe Lageplan unten). © Kurt Hörbst

Als Ziel des Entwurfs definierten Berktold Weber ein zukunftsorientiertes, nachhaltiges und ökologisches Gebäude mit hoher Gestaltungsqualität. Man wollte ein „schlichtes, wesentliches“ Gebäude aus natürlichen und rezyklierbaren Materialien errichten, das alle alltäglichen Funktionen in einem einfachen, dichten Volumen vereint. Also entwarf man eine „in sich stimmige Form mit funktionierendem Raumprogramm – eine klare Aussage am Grundstück“, erklärt Weber. Dadurch schafft man kurze Wege und minimiert zugleich die Bodenversiegelung. Da scheint es nur logisch, dass die Architekten ihren Entwurf mit einem zentralen Treppenhauskern mit Zenitallicht versahen, um den herum sich das Gebäude mit seinen diversen Raumprogrammen und Funktionen schlüssig und unaufgeregt auffächert. Das schafft vielfältige Blickbeziehungen und ermöglicht ein kommunikatives Miteinander in dem „intensiv bewohnten“ Gebäude, wie Berktold Weber es formulieren.

„Auf jeder Seite ein Giebel“

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© Kurt Hörbst

Die Deckenelemente falten sich zum besagten Oberlicht hin, wodurch ein richtungsloses Gebäude ohne definierte Vorder- oder Hinterseite mit windmühlenartigem Dach entsteht. „Von außen sieht man auf jeder Seite einen Giebel, die Kehlen verlaufen diagonal von den Ecken zum Zenitallicht. Das könnte man natürlich einfacher gestalten, aber mit einer guten Zimmerei ist das durchaus umzusetzen“, spricht die Architektin dem ausführenden Holzbauunternehmen Sohm ein Lob aus. Der Innenraum ist vom Zusammenspiel der naturbelassenen Weißtanne, den Eschenböden sowie weißen bis beigen Farbtönen und Oberflächen geprägt. Die Fensteröffnungen und vorgesetzten Lamellen wurden bewusst so gesetzt, dass der Verlauf der Tages- und Jahreszeiten für die Bewohner spürbar wird und sich laufend neue Lichtstimmungen ergeben.

Herausforderung Dachkonstruktion

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Die Fenster wurden bewusst so platziert, dass sich über den Tages- und Jahresverlauf hinweg unterschiedliche Licht- und Schattenspiele ergeben und die umliegende Natur im Innenraum wahrnehmbar wird. © Kurt Hörbst

Für den Holzbau des in Massivholzbauweise errichteten Gebäudes zeichnet die Schweizer Niederlassung von Sohm Holzbautechnik verantwortlich, die bei dem Projekt als Generalunternehmer auftrat. Zum Einsatz kam dabei das unternehmenseigene Massivholzsystem „DiagonalDübelholz“, das im Wesentlichen als Brettstapeldecke mit diagonalen Dübeln bezeichnet werden kann. „Das Massivholzsystem wurde in Kombination mit Brettschichtholz als tragende Ebene eingesetzt. Der Dachaufbau mit seinen großen Spannweiten war durchaus eine statische Herausforderung, aber wir haben im Unternehmen Profis, die das rechnen können“, erzählt Andreas Schwärzler, Niederlassungsleiter von Sohm in der Schweiz. „Die Vollholzelemente wurden zuerst auf provisorischen Stützen montiert und anschließend nach oben an die Träger gehängt – also quasi in umgekehrter Reihenfolge“, erklärt er den ebenso spannenden Montageprozess. Neben der Dachform im Allgemeinen nennt Schwärzler auch die verschiedenen Dachneigungen und -längen als zusätzliche Herausforderungen. Die Wände wurden in Riegelbauweise mit Zellulosedämmung und Gipsfaserplatten bereits werkseitig vorgefertigt. So ergab sich mit sechs Mitarbeitern vor Ort eine Montagezeit von etwa eineinhalb Wochen für den Holzrohbau inklusive Dämmung und Unterbau Dach. Die teils raumhohen Verglasungen wurden auf der Baustelle eingebaut, der Innenausbau nahm etwa eine Woche in Anspruch. Zuletzt brauchte man rund zwei Wochen für die zweiteilige Fassade, die aus einer geschlossenen Holzschalung als erste, und vorgesetzten, vertikalen Lamellen als zweite Schicht besteht.

Wenn Einfamilienhaus, dann nachhaltig

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Von der großzügig verglasten Wohnküche mit doppelter Raumhöhe ergeben sich nicht nur Blickbeziehungen in drei Himmelsrichtungen, sondern auch zur Galerie im Obergeschoß. © Kurt Hörbst

Wie auch hinsichtlich der Dimensionierung, Positionierung und Ausformung des Baukörpers ging man mit den Baustoffen möglichst nachhaltig um. Das leimfreie – und somit zerleg- und wiederverwendbare – Massivholzsystem fertigt Sohm im Werk in Alberschwende, das Brettschicht- und Konstruktionsvollholz werden im Umkreis von rund 100 km zugekauft, bei der unbehandelten Weißtanne handelt es sich vorwiegend um Schweizer Holz. Insgesamt kamen rund 125 m³ Massivholz, BSH und KVH für Wände, Decken und Fassade zum Einsatz. Die Geothermieheizung, Photovoltaikanlage sowie der 8000 l fassende Regenwassertank zur Retention und Eigennutzung des Niederschlagswassers runden den ökologischen Aspekt des Haus am Holderbärg ab.

Projektdaten

Standort: Islikon, CH
Bauherrschaft: privat
Planungszeit: März bis Dezember 2021
Ausführungszeit: Februar 2022 bis Januar 2023
Architektur: Berktold Weber Architekten
Holzbauunternehmen: Sohm AG Schweiz (Holzbautechnik)
Holzmenge: ca. 125 m³ Massivholz, BSH und KVH für Wände, Decken und Dach