Alle fünf Jahre findet an den unterschiedlichsten Standorten dieser Welt eine große Weltausstellung statt, im Rahmen derer sich Länder mit Pavillons präsentieren und ihre Innovationskraft hinaus in die Welt tragen. Bei der diesjährigen Weltausstellung nehmen mehr als 160 Länder und internationale Organisationen teil, über 28 Millionen Besucher werden bis Mitte Oktober erwartet. Die Geschichte der Osaka Kansai Expo 2025 in Japan ist aber auch eine Geschichte beeindruckender Bauten. So wurde bereits am 21. August 2024 das offizielle architektonische Symbol der Ausstellung fertiggestellt. Eine ringförmige Konstruktion aus Brettschichtholz (BSH) mit einen Umfang von zwei Kilometern umschließt das gesamte Expogelände (holzbau austria hat berichtet), wo sich auch Österreich mit einem beeindruckenden Pavillon präsentiert.
Österreich präsentiert sich in Japan
Finanziert wurde der Bau von Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministerium. In einem mehrstufigen Wettbewerb hat man BWM Designers & Architects aus Wien als Planer auserkoren. Ein Prestigeauftrag, über den sich Gründer und Partner Johann Moser besonders freut. Das 2004 gegründete Büro mit den Schwerpunkten Architektur, Interior Design und Narrative Design sowie Hospitality wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und ist europaweit tätig. „Das Besondere an diesem Wettbewerb ist eigentlich immer, dass man nicht nur ein Gebäude entwickelt, sondern auch die Ideen dahinter und den gezeigten Inhalt des Pavillons konzipiert. Das heißt, man musste bei der Bewerbung vorschlagen, wie sich unser Land in Japan präsentieren soll und was uns generell ausmacht“, weiß Moser, der auf diesem Gebiet bereits Erfahrung mitbrachte. Moser und sein Team stellten sich also die Fragen, was die Japaner von Österreich kennen und wie man in der Flut der Aussteller die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Wenn man nach Japan schaut sind es ganz klar die klassische Musik und unsere namhaften Komponisten, die unser Land in Fernost weltberühmt gemacht haben. Damit stand auch relativ schnell fest, dass wir dieses Image als Aushängeschild und Türöffner nutzen“, erzählt der Kopf der Kulturprojekte.
Die Zukunft wird komponiert
Die 91 m lange und 4,3 m hohe Struktur besteht aus einem Ober- und Untergurt, die durch 265 Diagonalstäbe miteinander verflochten sind. © BWM
Das Motto der Expo „Designing future societies for our lives“ wurde also musikalisch interpretiert: „In Österreich wird die Zukunft nicht designt, hier wird sie komponiert. Die Idee der Musik findet sich auch im Ausstellungskonzept des Pavillons. In drei Räumen dient sie als Projektionsfläche und Ideenträger, die Gäste können schließlich selbst an der Komposition der Zukunft mitwirken“, erklärt Moser. Aus dem Thema Musik resultierte schließlich die Idee eines Notenbandes als sichtbares Zeichen des Österreichpavillons. Denn Musik verbindet laut Moser Menschen über alle Grenzen hinweg. Angesichts globaler Herausforderungen, ökologischer Krisen und wachsender gesellschaftlicher Verunsicherung setzt der österreichische Beitrag zur Expo in Osaka damit auch ein bewusst positives Zeichen: Die aufstrebende, spiralförmig angelegte Holzskulptur an der Fassade soll als Ausdruck von Lebensfreude, kultureller Identität und Optimismus verstanden werden. „Die Dynamik der Spiralform ist direkt inspiriert von musikalischen Bewegungsmomenten – etwa vom kreisenden Schritt des Wiener Walzers, den Impulsen eines Dirigenten oder dem fließenden Rhythmus tänzerischer Ausdrucksformen“, erklärt Moser. Zudem sollte die Skulptur Leichtigkeit vermitteln. Ein wichtiges Schlagwort, das schließlich den Baustoff Holz ins Spiel brachte.
Eine Holzbaustruktur wie keine andere
Die doppelt ineinander geschlungene Form wird von fünf Stahlpylonen getragen und erreicht eine Höhe von 16 Metern. © BWM
Gemeinsam mit den Statikern von Werkraum Ingenieuren hat man in weiterer Folge an der Umsetzung getüftelt. „Holz ist ein Baustoff, den man physisch einfach gerne hat. So kommen das Positive des Schwingens der Schleife und die positiven Eigenschaften des Baustoffes gut zusammen. Die technische Umsetzung war zwar nicht ganz einfach, aber mit den richtigen Partnern ist uns auch das hervorragend gelungen“, freut sich Moser. Nach einem Jahr intensiver Planungsarbeit, umfangreichen statischen und materialtechnischen Tests sowie rund drei Monaten hochpräziser Fertigung in den Werkshallen der Graf-Holztechnik in Horn (Niederösterreich) war es schließlich so weit: Das zentrale Bauteil des österreichischen Expo-Beitrags war vollendet. Die großdimensionierte Holzskulptur vereint laut Unternehmen gestalterische Ambition mit ingenieurtechnischer Präzision. Ihre komplexe Geometrie, die aus einem parametrisch geplanten Tragwerk und exakt gefertigten Segmenten besteht, erforderte höchste Sorgfalt in der Umsetzung. Neben der handwerklichen Ausführung kamen digitale Planungs- und Fertigungstechnologien wie BIM-gestützte Modellierung, CNC-gesteuerter Zuschnitt und 3D-gestützte Montagelogistik zum Einsatz. „Wir haben hier die Grenzen des Machbaren ausgetestet und aus einer ursprünglichen Vision ein Werk der Ingenieurskunst geschaffen. Wir scheuen keine Herausforderungen. Gemeinsam haben wir gezeigt, was mit Leidenschaft und Teamgeist möglich ist“, sagt Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf, zu deren Tochterfirmen Graf-Holztechnik gehört. Ende 2024 erfolgte der aufwändige Transport der Konstruktion nach Japan. Die Spirale trat dabei zunächst ihre Reise auf dem Landweg an, bevor sie per Seefracht nach Osaka verschifft wurde. Die Ankunft vor Ort war rechtzeitig rund um Weihnachten, die abschließende Montage erfolgte im Frühjahr durch das örtliche Holzbauunternehmen Shinohara.
Herumgetüftelt, genagelt und geschraubt
Die Innenseite der Spirale ist als „Notenzeile“ gestaltet und zeigt die ersten Takte von Beethovens „Ode an die Freude“. Die Außenseite zeigt die pure Holzkonstruktion mitsamt aller Verbindungselemente und Konstruktionsdetails. © BWM
„Wir waren froh, als wir die Graf-Holztechnik als Partner für dieses Projekt gefunden haben. Allen Beteiligten war schnell klar, dass es sich dabei um nichts Alltägliches handelt. Wir mussten gemeinsam etwas entwickeln, das so noch nie da war und viel Zeit in Anspruch genommen hat“, ist sich Moser sicher. Im Interview führt er weiter aus: „Im Werk wurde über mehrere Monate hinweg mit ausgeprägtem Innovationsgeist und handwerklichem Know-how an Prototypen, Mustermodulen und Schablonen für die Holzschleifenkonstruktion gearbeitet.“ Die Entwicklungsphase umfasste nicht nur manuelle Fertigungsprozesse wie Verschrauben und Vernageln, sondern auch umfangreiche Material- und Belastungstests in akkreditierten Prüfanstalten – mit dem Ziel, eine baurechtlich genehmigungsfähige Ausführung nach japanischen Bauvorschriften und Normen zu gewährleisten. Die Konstruktion der Holzschleife folgt dem Prinzip geodätischer Bänder. Durch diese spezielle Form können die einzelnen, dünnen Holzlamellen ohne aufwendige 3D-Fräsungen miteinander verbunden werden. Die Lamellen werden erst nach dem Biegen verdübelt und bilden so einen stabilen, selbsttragenden Querschnitt. Der Grundsatz „geschraubt statt verleimt“ steht dabei exemplarisch für das übergeordnete Nachhaltigkeitskonzept, das sich sowohl in den Ausstellungsinhalten als auch in der baulichen Umsetzung des Pavillons widerspiegelt. „Die gewählte Verbindungstechnik ist vollständig mechanisch lösbar und ermöglicht nicht nur eine sortenreine Trennung der Materialien, sondern gewährleistet auch eine einfache Demontage und Wiederverwendbarkeit aller konstruktiven Elemente“, heißt es bei Graf-Holztechnik. Aktuell werden Nutzungsszenarien für eine Verwendung der Bauteile über die Expo 2025 hinaus geprüft – sowohl im Kontext temporärer Ausstellungen als auch für dauerhafte architektonische Installationen.
Für Windspitzen bis zu 270 km/h
Rund 40 m³ speziell sortierte Fichte aus der Hasslacher Gruppe kamen für das Holznotenband zum Einsatz. „Um die geforderten hohen mechanischen Eigenschaften zu erreichen, wurde das Material im Hobelwerk der Noritec Holzindustrie am Standort in Sachsenburg maschinell hinsichtlich Festigkeit und Steifigkeit sortiert. Um die gewünschten engen Radien des Notenbandes herstellen zu können, wurden die hochfest sortierten rund 40 mm starken Lamellen bei Gemson am Hasslacher-Standort in Lainach mit einer Dünnschnittsäge auf 8 bzw. 12 mm ressourcenschonend aufgespalten und an den Kunden Graf-Holztechnik geliefert“, informiert man bei Hasslacher. Die Tragstruktur ist so dimensioniert, dass sie extremen klimatischen Bedingungen standhält, etwa Windgeschwindigkeiten von bis zu 270 km/h, wie sie im Kontext des japanischen Taifunrisikos auftreten können. Diese hohe strukturelle Belastbarkeit wird durch ingenieurtechnisch optimierte Querschnitte, computergestützte FEM-Analysen und präzise CNC-gesteuerte Fertigung erreicht. Dabei kommt ausgewähltes Konstruktionsholz mit definierten Festigkeitsklassen und kontrollierter Herkunft zum Einsatz. „Das gesamte Team zeigte hier mit viel Leidenschaft, dass es auch hochkomplexe Projekte zuverlässig und zukunftsorientiert realisieren kann“, freut sich Roland Ernst, Leiter der Graf-Holztechnik.
Daten & Fakten Spiralstruktur
Länge: 21,5 m
Breite: 13,1 m
Höhe: 16,5 m
Dimensioniert auf Windgeschwindigkeiten von bis zu 270 km/h
Länge abgewickeltes Band: 91 lfm
Verschraubte Lamellenkonstruktion (zerlegbar und wieder verwendbar)
Anzahl Schrauben: ca. 6000 Stück
Projektdaten
Bauherr: Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Wirtschaftskammer Österreich
Eröffnung: 13. April 2025
Projektsteuerung: Werner Consult Ziviltechniker
Generalplanung und architektonische Gestaltung: BWM Designers & Architects
Statik: Werkraum Ingenieure
Holzlieferant: Hasslacher Gruppe
Haustechnikplanung: Energytech Ingenieri, energytech.it
Bauphysik: K2 Bauphysik
Generalübernehmer: Nüssli Gruppe
Holzschleife – Produktion & Logistik: Graf-Holztechnik
Holzschleife – Montage Osaka: Shinohara, Japan