Temporär, modular, hochwertig

Ein Artikel von Raphael Zeman | 18.07.2025 - 11:54
Sportprovisorien_1_Ralph Feiner.jpg

Bereits neun Sportprovisorien wurden nach dem Konzept von pool Architekten errichtet, zwei weitere befinden sich derzeit in Planung. © Ralph Feiner

Im Kanton und der Stadt Zürich entstehen seit Kurzem modulare Sportprovisorien in Holzbauweise, die trotz ihrer reversiblen Nutzung dauerhaft überzeugen. Entwickelt von pool Architekten aus Zürich, verbinden sie höchste Anforderungen an Nachhaltigkeit, Demontierbarkeit und architektonische Qualität. Die Gebäude sollen bis zu 30 Jahre lang genutzt und mehrfach versetzt werden können – ein ambitioniertes Ziel, das konzeptionelle und konstruktive Konsequenz erfordert. Das Resultat ist ein Systembaukasten mit klarer architektonischer Haltung.

Bauen für den Bedarf von heute – mit Blick auf morgen

Sportprovisorien_2_Ralph Feiner.jpg

Von außen kaum zu erahnen: Im Inneren der provisorischen Sportbauten verbirgt sich (großteils unverleimtes) Holz soweit das Auge reicht. © Ralph Feiner

Die Ausgangslage ist pragmatisch: Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich steht unter Druck, rasch zusätzliche Schulraumkapazitäten bereitzustellen, da langfristige Neubauprojekte stocken. In einem offenen Planerwahlverfahren beauftragte das Hochbauamt daher sechs Architekturbüros mit der Entwicklung eines modularen Provisoriums. Die Anforderungen: mindestens 30 Jahre Nutzungsdauer, drei- bis fünfmalige Demontage und Wiederaufbau sowie volle Einhaltung aller baugesetzlichen Standards. „Es handelt sich nicht um experimentelles Bauen, sondern um ganz normale öffentliche Gebäude – ohne Sonderstatus,“ betont David Leuthold, Gründungsmitglied von pool Architekten. Denn sobald ein Gebäude in der Schweiz länger als zwei Jahre steht, muss es alle Anforderungen eines Neubaus erfüllen. Entsprechend mussten alle Vorgaben hinsichtlich des Brandschutzes, der Erdbebensicherheit und des Raumklimas erfüllt werden. Zudem war der politische Anspruch hoch: Der Kanton Zürich möchte mit dem Projekt in Sachen Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen.

Systembau aus Holz: industriell, aber nicht gesichtslos

Portrait_David Leuthold_bw.jpg

David Leuthold, Architekt und Gründungsmitglied von pool Architekten © pool Architekten

Also entwickelte das Zürcher Büro unter der Leitung von Leuthold und Thomas Friberg, ebenfalls Partner bei pool Architekten, ein hybrides System aus modularen Bauteilen, das sich flexibel an unterschiedliche Anforderungen anpassen lässt. Die Sporthallen selbst setzen sich aus industriell gefertigten Tafelelementen zusammen, die sowohl die Innenverkleidung als auch die äußere Fassadenschicht bereits enthalten. Für die Sanitäranlagen kommen vollständig im Werk vorgefertigte Raummodule zum Einsatz. Weitere Nutzflächen, etwa für Geräte oder Garderoben, werden direkt am Standort mit einfachen konstruktiven Mitteln ergänzt. Das verwendete Material ist konsequent gewählt: Wo möglich, kommt nicht verleimtes, unbehandeltes Holz zum Einsatz – beispielsweise für Innenverkleidungen und Schalungen. Lediglich für statisch relevante Bauteile wie Träger mit großen Spannweiten wird Brettschichtholz verwendet. Die Fassaden bestehen aus Pavatexplatten, einer Holzlattung und glasfaserverstärkten Wellplatten als Außenhaut. Entscheidend war die einfache Demontierbarkeit auf Systemebene: Fugenbänder, Verschlüsse und demontierbare Leisten ermöglichen eine sortenreine Rückführung. „Wir wollten ein intelligentes Holzbausystem schaffen, das demontierbar ist, ohne dass es sich wie ein Containerbau anfühlt,“ so Leuthold.

Architektonische Identität trotz Mobilität

Sportprovisorien_3_Ralph Feiner.jpg

Bei der Turnhalle im Zürcher Stadtteil Enge wählte man ein Farbenspiel von Blau und Rot. © Ralph Feiner

Eine zentrale Herausforderung bestand darin, den Bauten trotz ihrer temporären Nutzung eine architektonische Verortung zu geben. „Es darf nicht beliebig aussehen – auch ein temporärer Bau soll den Ort prägen und eine gewisse Würde ausstrahlen,“ betont Leuthold. So wurde das Farb- und Materialkonzept jeweils auf den Standort abgestimmt: In Freudenberg, einem denkmalgeschützten 1950er-Jahre-Schulcampus, wählten die Architekten eine elegante Fassadenkombination aus Rot, Blau und Grün. In Uetikon, wo bereits provisorische Bauten mit Außenerschließungen existierten, wurde ein robusterer, funktionaler Ausdruck gesucht. Für die Stadt Zürich entwickelten pool Architekten eine Version aus unbehandeltem Lärchen- und Fichtenholz sowie Pavatexplatten, die durch ihre natürliche Alterung zur Umgebung passt.

Mehrfach realisiert – vielfältig einsetzbar

Sportprovisorien_6_Ralph Feiner.jpg

Für die Universität Züriach Irchel baute man eine Halle mit blauen Fassadenelementen. © Ralph Feiner

Mittlerweile ist das System an mehreren Standorten erfolgreich umgesetzt worden. Dazu zählen unter anderem eine Doppelhalle in Freudenberg, eine Einfachhalle in Uetikon sowie eine weitere Doppelhalle an der Zürcher Holstrasse. Besonders komplex war die Realisierung einer Vierfachhalle mit zusätzlichen Tanzsälen auf einem universitären Campus. Diese Anlage erforderte eine gestapelte Lösung, bei der auf die ursprüngliche Systematik aufbauend zusätzliche Raumtypen integriert wurden. Auch für die Stadt Zürich wurde das System bereits mehrfach angewandt und beispielsweise an die Bedürfnisse einer Primarschule angepasst, insbesondere durch kleinere Hallenformate und eine vereinfachte Haustechnik mit natürlicher Überströmung anstelle mechanischer Lüftungssysteme. Die spezifischen Standortbedingungen, wie etwa Hanglagen oder vorhandene Infrastruktur, erforderten jeweils individuelle bauliche Anpassungen. Dennoch blieb der Grundgedanke der Wiederverwendbarkeit erhalten. Ursprünglich waren Schraubfundamente vorgesehen, deren Einsatz sich jedoch aus statischen Gründen nicht flächendeckend realisieren ließ. Daher kommen je nach Standort und Hallengröße Einzel- oder Streifenfundamente aus Beton zum Einsatz, auf denen ein Stahlrost als tragende Plattform für den Holzbau montiert wird. Diese Lösung gewährleistet Stabilität bei gleichzeitig möglicher Demontage und Wiederverwendung an einem neuen Standort.

Kollaboration und Know-how als Grundlage

Sportprovisorien_4_Ralph Feiner.jpg

Die Tafelelemente mit denen die Hallen errichtet wurden, sind mit ihren mechanischen Verbindungen einfach wieder zu trennen. Das sorgt für optimale Wiederverwendbarkeit. © Ralph Feiner

Die Entwicklung des Systems erfolgte in enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Partnern. Die Architekten kollaborierten im Rahmen des Planerwahlverfahrens mit dem Holzbauingenieurbüro Makiol Wiederkehr, einem Tiefbauingenieur sowie Fachplanern für die Haustechnik. Diese interdisziplinäre Herangehensweise bildete die Grundlage für die technische und gestalterische Qualität des Systems. Auch bei der Ausführung wurden erfahrene Partner eingebunden. Für die Hallen im Kanton Zürich war das Unternehmen Blumer-Lehmann verantwortlich, während bei den Projekten der Stadt Zürich die Firma Schäfer Holzbautechnik zum Einsatz kam. Beide Partner wurden im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren ausgewählt, wobei Planung und Realisierung getrennt ausgeschrieben wurden. Leuthold betont in diesem Zusammenhang, dass gute Holzbaukultur nicht im Alleingang entstehe, sondern nur durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe über alle Disziplinen hinweg. Der Teamgedanke sei für pool Architekten zentral und trage wesentlich zur Qualität und Tragfähigkeit solcher Projekte bei.

Es geht uns nicht darum, einfach Fläche zu bauen. Wir wollen einen Beitrag zur gebauten Umwelt leisten – auch bei temporären Bauten. In Zeiten wachsender Verdichtung und Ressourcenknappheit ist das ein Gebot der Vernunft – und der Baukultur.


David Leuthold, Architekt und Gründungsmitglied von pool Architekten

Holz als Haltung, nicht als Dogma

Das Architekturbüro setzt sich seit Jahren intensiv mit dem Holzbau auseinander – ohne ideologisch zu werden. „Holz ist ein intelligenter Baustoff, aber kein Allheilmittel. Entscheidend ist die passende Materialwahl je nach Bauaufgabe – auch Hybridlösungen mit Beton oder Stahl sind sinnvoll“, betont Leuthold. Die systematische Wiederverwendbarkeit und Kaskadennutzung standen bei der Entwicklung im Vordergrund. „Ein Holzknoten lässt sich mit mechanischer Bearbeitung besser trennen als viele verklebte Systeme. Man muss das Material verstehen und mit ihm arbeiten,“ so Leuthold.

Temporäre Architektur mit Dauerqualität

Sportprovisorien_5_Ralph Feiner.jpg

Wo möglich, kam unverleimtes, unbehandeltes Holz zum Einsatz. Wo statisch nötig, verbaute man Brettschichtholzträger. © Ralph Feiner

Mit dem entwickelten System liefern pool Architekten ein Beispiel dafür, wie anspruchsvoller Holzbau auch im Bereich temporärer Infrastrukturen funktionieren kann – gestalterisch, technisch und nachhaltig. Die Bauten erfüllen alle Anforderungen regulärer Schulgebäude, lassen sich mehrfach versetzen und fügen sich standortspezifisch in ihr Umfeld ein.

„Es geht uns nicht darum, einfach Fläche zu bauen. Wir wollen einen Beitrag zur gebauten Umwelt leisten – auch bei temporären Bauten. In Zeiten wachsender Verdichtung und Ressourcenknappheit ist das ein Gebot der Vernunft – und der Baukultur“, fasst Leuthold zusammen.

Projektdaten Stadt

Bauherrschaft: Amt für Hochbauten, Stadt Zürich
Architektur: pool Architekten
Holzbauingenieure: Makiol Wiederkehr
Holzbau: Schäfer Holzbautechnik
Bauingenieure: Schnetzer Puskas Ingenieure
HLKS: Gruenberg + Partner
Elektro: TGA Solutions
Bauphysik: Grolimund + Partner
Landschaftsarchitektur: Balliana Schubert Landschaftsarchitekten
Farbkonzept: Paola De Michiel

Projektdaten Kanton

Bauherrschaft: Hochbauamt Kanton Zürich
Architektur: pool Architekten
Holzbauingenieure: Makiol Wiederkehr
Generalunternehmer: Blumer Lehmann
Baumanagement: Takt Baumanagement
Bauingenieure: Schnetzer Puskas Ingenieure
HLKS: Gruenberg + Partner
Elektro: Bhend Elektroplan
Bauphysik: Grolimund + Partner
Landschaftsarchitektur: Balliana Schubert Landschaftsarchitekten
Farbkonzept: Paola De Michiel