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Verbindungswege zwischen den Einzelbauten lenken den Gast durch das norwegische Hüttendorf.  © Pasi Aalto

Herr über neun Hütten

Ein Artikel von Redaktion | 30.04.2018 - 08:41


Eigentlich hätte es eine private Schreibhütte werden sollen. „Zu schön war der Ort, um ihn mit niemandem zu teilen“, empfand der Bauherr letztendlich. Geworden sind es nun neun kleine Holzhütten, von denen man vier als Schlafhütten mieten kann. Mit welchen Herausforderungen man in der empfindsamen Natur bei Planung und Bau zu rechnen hatte, erzählen die Beteiligten.

„So lange habe ich so nahe an diesem Paradies gelebt, ohne die geringste Ahnung zu haben, dass es existiert“, erzählt der norwegische Jazzmusiker und Komponist Hårvard Lund. „Schön und verwittert, eine „Rock‘n‘Roll“-Natur, die dir direkt ins Gesicht schlägt“, erinnert sich der Bauherr an seine Entdeckung. Ursprünglich hatte er im Sinn, für sich einen Arbeitsort der totalen Stille zu kreieren. Die Stille blieb, sonst kam alles anders.

Hilfe von Kollegen

Vorerst mag ein solches Projekt an einem so rauen und abgeschiedenen Ort für jeden Architekten wie ein Traumszenario klingen. Die Insel Fleinvær liegt rund 30 km vom norwegischen Festland entfernt. Windgepeitscht und verwegen kommt die Landschaft daher. Trotzdem besitzt der Ort in Hinblick auf seine sensible Vegetation eine gewisse Fragilität. Einerseits war es die Herausforderung der Abgeschiedenheit des Ortes – die Insel ist nur per Fähre zu erreichen. Andererseits kam die bereits angesprochene Bodenbeschaffenheit des Bauplatzes hinzu. „Angesichts dessen war es für uns selbstverständlich, Sami Rintala von Rintala Eggertsson Architects zu fragen, ob er uns planerisch unterstützen würde“, erzählt Andreas Grøntvedt-Gjertsen von TYIN tegnestue Architects, der den Planungsauftrag gemeinsam mit seinem Büropartner Yashar Hanstad von Lund erhielt. „Er verfügt über viel Erfahrung, was das Bauen unter rauen Bedingungen betrifft. Wir fühlten uns sicherer, als er einer Teilnahme zustimmte.“ Die Architekten von TYIN tegnestue und Rintala Eggertsson arbeiteten während der Ideenphase des Projekts eng zusammen.

Behutsam auf Stützen gesetzt

Der Bauort bedurfte vorab einer Prüfung, die in Zusammenarbeit mit Architekturstudenten der NTNU (Norwegische Universität für Wissenschaft und Technologie) durchgeführt wurde. Moos und andere vor Ort heimische Vegetationsformen brauchen dort Jahrzehnte zur Rekultivierung, werden sie einmal beschädigt. Als Nistplatz für Meeresvögel spielte die geringe Beeinflussung der Flora eine große Rolle. Diese Behutsamkeit spiegelt sich in den kleinen Baukörpern mit geringstmöglichem Bodenkontakt wider. „Punktuell werden die Holzkonstruktionen von Stahlsäulen getragen, die in 15-Grad-Neigung auf das unwegsame Gelände auftreffen und Höhenunterschiede ausgleichen“, sagt Yashar Hanstad von TYIN tegnestue.

Ort für große Gedanken

Zusätzlich zu den vier Schlafkabinen in Holzriegelbauweise gibt es separate Hütten, die eine Küche, ein Bad und eine Sauna beherbergen. Eine weitere, positioniert auf einer Stahlsäule, ist als „Turm für große Gedanken“ konzipiert. Diese sitzt auf einem betonierten Punktfundament. Das Gebäude ist als einziges von einem Stahlskelett umschlossen, was die Besonderheit des Holzbaus zusätzlich unterstreicht. Das Gebäude, das als ein Ort des Eintauchens und der Reflektion gestaltet wurde, bietet eine beeindruckende Aussicht auf das Gelände und das dahinter liegende Norwegische Meer. Alle Hütten sind innen minimalistisch gehalten. Essensvorräte muss man selbst mitbringen. Daneben reizt das Ausflugsziel mit ganz anderen Vorzügen: Dank der Lage nördlich des Polarkreises haben Gäste, die ab September hierher kommen, gute Chancen, das Nordlicht zu sehen, das über dem Archipel tanzt. „Die Bauteams, die harte Arbeit mit Hingabe geleistet haben, waren entscheidend für die Fertigstellung dieses Projekts. Håvard Lunds kompromisslose und positive Begeisterung war dabei auch eine treibende Kraft“, sagt Sami Rintala.

Und wem empfiehlt Lund, Herr über neun Hütten, den Besuch? „Menschen, welche die Kunst besitzen, nichts zu tun. Leuten, die unsere Häuser als ‚leere‘ Rahmen sehen, mit nichts als einer spektakulären Aussicht. Und wenn du mehr willst, musst du es selbst erschaffen.“

Projektdaten

Standort: Insel Fleinvær, NO
Fertigstellung: 2017
Architektur: TYIN tegnestue Architects; Rintala Eggertsson Architects