Oft kommt es anders, als man denkt. Andreas Lusser befand sich noch in Ausbildung zum Zimmerer und Dachdeckermeister, als sein Vater 1989 unerwartet stirbt. 15 Mitarbeiter oblagen plötzlich der Verantwortung des damals 24-Jährigen. Der Fokus des Betriebes in Heinfels lag zu dieser Zeit auf traditionellen Holzbauarbeiten – zu 80 % schätzt der mittlerweile eingesessene Chef heute. Die Wurzeln des Familienunternehmens liegen rund 120 Jahre zurück. Seitdem hat sich viel getan.
„Im Laufe der Zeit hat sich unser Betätigungsfeld komplett gewandelt“, sagt Andreas Lusser, der den Heinfelser Holzbaubetrieb gemeinsam mit seiner Frau Maria führt. Sohn Andreas studiert Holzbau in Rosenheim und wird wohl der nächste Lusser werden. „Im Bereich Sonderlösungen sind wir heute wirklich stark“, informiert der Holzbau-Meister. Das ist nicht nur so dahingesagt. Wirft man einen Blick auf die Referenzliste von Holzbau Lusser, kommt einem so manch ein Gebäude bekannt vor. Der Betrieb darf sowohl den Tiroler, als auch den Kärntner Holzbaupreis sein Eigen nennen. Immer wieder arbeitet der Betrieb mit namhaften Tiroler Architekten wie dem Büro Machné, Peter Jungmann oder Gerhard Mitterberger zusammen. Aus diesen Partnerschaften entstanden beispielsweise mehrere MPreis-Filialen, Kommunalbauten und etliche architektonisch sehr anspruchsvolle Einfamilienhäuser. Allesamt Projekte, die den engen Kontakt und gegenseitiges Verständnis zwischen Planer und Ausführendem sowie hohe Handwerkskunst erfordern. 2012 legte man im eigenen Hause Hand an und sanierte den Bürobau komplett. Diesen plante der bereits erwähnte Peter Jungmann. Der Bauherrenpreis ließ nicht lange auf sich warten – 2013 wurde man dafür ausgezeichnet. Aber auch mit anderen Architekten funktioniert das Zusammenspiel hervorragend. Vor allem auch das markante Einfamilienhaus sowie die daneben liegende Erweiterung des Ferienhauses Residence Alma in Sexten, entworfen von Plasma Studio in Bozen, gingen durch alle Medien. Wie ein Flechtwerk legen sich die vorgefertigten Lärchenholzlamellen über das Einfamilienhaus. „Das schlug Wellen“, kommentiert Lusser das 2012 fertiggestellte Gebäude. Von der Mundpropaganda über solche Vorzeigeprojekte komme man dann wie von selbst zu weiteren interessanten Aufgaben.
75% der Lehrlinge blieben
Aber nicht nur die Lusser-Bauten sind berühmt – auch die Mitarbeiter kennt man. Der Bundessieg beim Bundeslehrlingswettbewerb 2014 ging an den Tiroler Michael Mühlmann, vormals Lehrling und heute fixer Mitarbeiter von Holzbau Lusser. Es galt, ein Walmdach mit gleichen Dachneigungen und unterschiedlichen Traufendetails zu konstruieren. Mühlmann meisterte die Aufgabe am besten. Auch von den Berufsweltmeisterschaften 2017 in Abu Dhabi kommt der Tiroler Zimmerer mit einer „Medallion of Excellence“ zurück. Angereist als einziger österreichischer Vertreter in der Holzbauwertung bekommt diese Auszeichnung noch einmal mehr Nachdruck. Eine hervorragende Leistung, die sicherlich zu einem Teil auf die Qualität seiner Ausbildung zurückzuführen ist. Seit den 1970er-Jahren hat man bei Holzbau Lusser rund 50 Lehrlinge ausgebildet. 75% sind langfristig geblieben. „Das hat seinen Grund“, ist der Chef überzeugt. Auf Zusammenhalt und ein gutes Arbeitsklima werde besonderer Wert gelegt. Zudem werde das Handwerk im Betrieb hochgehalten.
Spezialaufträge ohne technische Hilfsmittel
Deutlichkeit erlangt diese Aussage, als der Unternehmer hinzufügt, dass man viele Spezialaufträge ohne große technische Hilfsmittel erledigt. „Ich will nicht behaupten, dass Michael nur deshalb den Bundeslehrlingswettbewerb gewonnen hat, aber es hat sicher dazu beigetragen.“ Und wie schaut der Arbeitsalltag bei Holzbau Lusser aus? Dem Fortschritt verwehrt sich der Zimmerer nicht. Dem Trend zum Brettsperrholz gegenüber zeigt sich der Osttiroler sehr aufgeschlossen. „Mit dieser Entwicklung erschließen sich uns ganz andere Märkte. Tradition heißt für uns, sich nicht vor Neuem zu verschließen. Es bedeutet aber auch, altes Wissen weiterzutragen. Das fängt schon beim Schlägern an.“
Holzbau ganz klar im Fokus
Was ist also das Erfolgsgeheimnis von Holzbau Lusser? Von Beginn an nicht als reiner Zimmereibetrieb geführt, kam 2008 neben dem Dachdeckergewerbe ein weiteres Feld hinzu: die Tischlerei. „Im Moment sind sechs Tischler beschäftigt. Diesen Bedarf haben wir, weil die Fertigung nicht nur im Innenausbau immer mehr Präzision erfordert.“ Seit 2000 produziert die Tischlerei zudem Paletten und Verpackungskisten. Das schon seit 1974 geführte Dachdeckergewerbe generiere ebenfalls Vorteile. „Unsere Dachdeckerkompetenz kommt beispielsweise bei Ausführungen, wie der einer Fledermausgaube, zum Ausdruck, wenn Dachdecker- und Zimmererhandwerk gleichermaßen gefordert sind.“ Als weiteres Betätigungsfeld innerhalb des Holzbaubetriebes sieht man die Lohnfertigung als lukratives Geschäft. „Das hat mit Handwerkskunst natürlich nichts mehr zu tun.“ Wo Letzteres wiederum gefragt ist, das berührt das Thema Holzbau nicht zwingend. In den Betrieb integriert ist die Sparte Fassadenbau. Mit Kunststoff-, Beton- und Faserzementplatten sind die Gestaltungsmöglichkeiten sehr umfangreich. Dem nicht genug: Das fünfte Standbein ist das Transportgewerbe. Damit ist Lusser in der Lage, alle Anforderungen auf Klein- und Großbaustellen zu erfüllen, sowie universelle Einsätze wie Hebearbeiten oder Versetzarbeiten, durchzuführen. Auch Sondertransporte stehen am Programm. Somit hat der Osttiroler die Gewerke rund um den Holzbau ebenfalls im Griff. Dabei steht aber der Holzbau ganz klar im Fokus, denn „80% der Tätigkeiten betreffen die Zimmerei“. Das alles bewältigt man mit rund 30 Mitarbeitern – unter ihnen findet sich seit 2017 auch ein Architekt. Dieser kommt vor allem bei Zu- und Anbauten, einem großen Betätigungsfeld des Holzbaubetriebes, zum Einsatz.
Egal, ob Hubschrauberbaustelle am Karnischen Hauptkamm, Bauspezialaufträge für James-Bond-Filmkulissen in Obertilliach, Sölden und Bad Aussee oder eie Brückensanierung im Heimatort – Holzbau Lusser scheut keine Herausforderungen und lässt bei jedem Auftrag ein Höchstmaß an Präzisionsarbeit walten. Für Kritik ist dennoch Platz: „Der Dokumentationsaufwand für einen Holzbaubetrieb ist heute kaum mehr bewältigbar. Früher habe ich das allein geschafft, heute kommen wir zu dritt kaum zurande. Hier müsste sich dringend etwas ändern.“ Davon abgesehen, blickt er positiv in die Zukunft. Die Auftragslage ist gut. Derzeit errichtet man eine Wohnanlage in Lienz, saniert die Holzfassade der Pferdeerlebniswelt Apassionata in München und beschindelt die Burg Heinfels neu. Diese drei werden mit Sicherheit nicht die letzten spannenden Projekte sein, die der Osttiroler Tausendsassa mit seinem Team bearbeitet, denn zwischen Tradition und komplexen Ansprüchen gibt es viel zu tun.