Auf Reisen durch die österreichische Zimmererlandschaft lassen sich so einige personelle Exoten, Querdenker, Erfinder und Andersmacher entdecken. Holzbaubetriebe sind – zum Glück – verschieden. In Schwarzenberg, einem Dorf im schönen Bregenzerwald, stößt man ebenfalls auf einen solchen – vielleicht etwas eigenwilligen – Handwerksbetrieb.
Die Gerhard Berchtold Zimmerei will kein Betrieb unter vielen sein. Hier schaffen vier Brüder – jeder von ihnen mit eigenen Stärken und eigenem Kompetenzbereich. In einer Sache sind sich Harald, Wilfried, Manfred und Alois aber schon immer einig: Wenn es um den Holzbau geht, wollen alle nur das Beste. Und das muss nach Meinung von Harald Berchtold Gewicht haben. "Mit Standardwandelementen kann ich nicht leben", sagt er, ohne die Hand vor den Mund zu nehmen. "Freilich ist es auch für uns oberstes Gebot, die Wünsche unserer Kunden zu erfüllen. Und es ist natürlich immer wieder schön, wenn Hausbesitzer auf ihre Holzbauten stolz sind. Aber trotzdem stellen wir uns wiederholt Fragen, wie: Wie viel Holz ist denn wirklich in der Konstruktion? Und könnte es nicht ein bisschen mehr sein?" So outen sich die Berchtolds als Zimmerer mit Hang zum Vollholz.
Eine Skulptur, die Bände spricht
Auf eine kunstvolle Art und Weise hat das 13 Mann starke Team (davon zwei Lehrlinge) diese Vorliebe für massive Konstruktionen bereits mit dem Bau der hochkomplexen Holzskulptur im Bürogebäude des Vorarlberger Technikunternehmens Omicron ausgelebt. "Als ich die Pläne für dieses Gebilde zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich diese Sache – ehrlich gesagt – nicht ganz ernst nehmen", erzählt Harald. "Es wirkte, als hätte ein kreativer Geist zwar eine wirklich tolle Vorstellung davon, wie sich Holz als Wohlfühlwerkstoff in einer riesigen Ruheoase innerhalb eines Bürogebäudes einsetzen lässt – Gedanken darüber, wie die Ausführung tatsächlich zustande kommen könnte, hatte er sich aber offenbar nicht gemacht. Das oblag dann wohl uns." Und obwohl ihnen viele davon abgeraten hatten, einen derartigen Auftrag anzunehmen, stellten sich die Berchtolds der Herausforderung. Denn während andere von einer Rahmenkonstruktion überzeugt waren, wusste Harald: "Das geht nur mit Massivholz." Eine Scheibe Brot beim Frühstück brachte die zündende Idee: Die Omicron-Skulptur muss auf einer CNC-Maschine aus Scheiben gefräst und vor Ort verschraubt werden. Aufgrund der Gefahr des sich bei einer derart groß dimensionierten Holzkonstruktion potenzierenden Quell- und Schwindverhaltens kam eine Verleimung als Verbindung zwischen den einzelnen BSP-Platten nicht infrage.
Allein die Planung und Organisation dieses Projekts haben Harald fast sechs Monate gekostet. Während dieser Zeit reiste er auf der Suche nach einem Partner, der die richtige Maschine und eine ordentliche Portion Mut mitbrachte, um die Platten einwandfrei vorzufertigen, durch halb Europa – es hätte jedoch gereicht, im eigenen Bundesland nachzuforschen: Mayr-Melnhof Holz in Reuthe lieferte das beste Verarbeitungskonzept mit den geringsten Toleranzen. "Ich war sehr erstaunt darüber, wie exakt man dort die Fräsarbeiten erledigen konnte. Freilich kamen wir um eine Nachbearbeitung durch Schleifen auf der Baustelle nicht umhin, weil das Objekt ja wie ein Wohnzimmermöbel genutzt werden sollte. Aber dieser Aufwand hielt sich dank der präzisen Werksfertigung in Grenzen." Brettsperrholz hält Berchtold grundsätzlich für einen fortschrittlichen Werkstoff, der vieles ermöglicht und das große Potenzial hat, für noch viel mehr Holz in der österreichischen Baukultur zu sorgen.
Er und seine Brüder führen aber einen Betrieb, in dem fachliche Kompetenz, handwerkliches Geschick und selbstständiges Denken der Mitarbeiter nicht nur geschätzt, sondern auch abverlangt werden. Wohin sich der Beruf des Zimmerers mit der zunehmenden Digitalisierung und Mechanisierung in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, dessen ist man sich auch im Bregenzerwald bewusst, aber: "Wir wollen nicht zur reinen Montagetruppe degradiert werden", postuliert Harald. "Es werden sich auch in Zukunft genügend Möglichkeiten für Zimmerer bieten, Besonderes zu schaffen und sich vom Standardhausbau abzuheben. Deshalb haben wir nach einem Weg gesucht, Hightech, Tradition, Handwerk und hochwertigen Holzbau so zu verbinden, dass die Arbeit bei uns im Betrieb bleibt." Die Lösung fand man im Blockbau nach eigenem Konzept – genannt "Wertvollholzhaus".
Blockbau im 21. Jahrhundert
Die Zimmerei Berchtold ist schon älter als 100 Jahre, aber noch viel älter ist des Menschen Vermögen, Häuser aus Holz zu bauen. Die ersten Blockhäuser gehen sogar ins Neolithikum, die Jungsteinzeit, zurück. In Schwarzenberg will man nun diese traditionsreiche Bauweise im 21. Jahrhundert verankern. Berchtolds Argumente dafür: Natürlichkeit, Regionalität, Behaglichkeit und ein "g’höriges" Mehr an Lebensqualität. "Es geht uns dabei hauptsächlich darum, echte Holzhäuser, die den heutigen Anforderungen entsprechen, zu bauen – und das auf einer Basis, welche die Vorteile des Werkstoffs voll zur Geltung bringt und womit aber auch die Wirtschaftlichkeit stimmt." Ein erstes Musterhaus hat Berchtold auf einem Hang oberhalb von Schwarzenberg bereits umgesetzt. Außen besticht es mit einer unbehandelten, hinterlüfteten Tannenholzfassade aus Latten unterschiedlicher Breite. Innen erfährt man nahezu überall die offen liegende, 30 cm starke Blockkonstruktion des zweigeschossigen Mehrfamilienhauses für fünf Parteien. Alle Wohnungsaußenwände sind mit massiven Kanthölzern, die nicht tragenden inneren Trennwände als Holzrahmen ausgeführt. 5 cm dicke Weichfaserplatten sorgen gemeinsam mit der Blockkonstruktion für optimale Dämmeigenschaften. Geheizt wird mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. Für die Warmwasseraufbereitung sorgt eine Solaranlage am Dach. "Ganz klar: Entweder gefällt einem das oder eben nicht", spricht Harald Berchtold die offensichtlich gehaltene Natürlichkeit des Hauses an. "Wer hier wohnt, muss sich auf alle Eigenheiten des Blockbaus einlassen." Unter Eigenheiten versteht er beispielsweise die Struktur der Balken, die natürliche Astigkeit oder den Geruch der Weißtanne. Aber auch konstruktive Details machen den Blockbau eigen – wie die Fugen über allen Tür- und Fensteröffnungen, welche dafür sorgen, dass die durch die Trocknung auftretende Setzung des Hauses die Laibungen nicht belastet. "Wir glauben, die Menschen kommen wieder mehr zum Natürlichen zurück – weil man auch merkt, dass das guttut. Deshalb verwenden wir Holz am liebsten, so wie es ist."
Landhauslook aus dem Vollautomaten
Trotz des hohen Alters dieser Handwerkstradition, Häuser aus rohen Balken zu bauen, ist die Ausführung im Werk der Zimmerei Berchtold alles andere als tradiert. Die Kanthölzer werden nämlich hochmodern auf einer Hundegger Robot-Drive-Anlage abgebunden. Diese fräst eine spezielle Art der Schwalbenschwanzverbindung in die Hölzer, die eine noch leichtere Montage auf der Baustelle ermöglicht und für perfekten Zusammenhalt der Blockwände sorgt. Um den "rauen Look" des "Wertvollholzhauses" zusätzlich zu verstärken, werden die Balken nicht gehobelt, sondern nur gebürstet.
Alles ist Vollholz und voll Holz ist alles
Trotz aller Gedanken, die sich die Gebrüder Berchtold um das Fortbestehen der Wertschöpfung im eigenen Betrieb machen, werden Ziele eher bescheiden gesteckt: "Auf keinen Fall wollen wir Massenerzeugnisse schaffen. Es wäre schön, zwei bis drei unserer Blockhäuser pro Jahr bauen zu dürfen. Aktuell sind drei so gut wie verkauft. Aber wir haben ganz viele andere Aufträge und Dinge, die wir gerne mit Holz machen", deutet Harald an. Der Treppenbau zum Beispiel ist ein Steckenpferd des Unternehmens – natürlich nur 100 % in Vollholz. Und wenn es im Winter weniger zu bauen gibt, schafft man sich mit einem eigenen kleinen Hobelwerk sowie einer Keilzinkenanlage Vorräte für das kommende Jahr und weitere spannende "Wertvollholz-Projekte" – und so schließt sich der Kreis.
Gerhard Berchtold Zimmerei
Standort: Schwarzenberg
Geschäftsführer: Harald Berchtold, Manfred Berchtold
Mitarbeiter: 13