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© Michael Reitberger

Der steinige Weg des Holzbaus zur Selbstverständlichkeit

Ein Artikel von Redaktion | 21.04.2017 - 10:34

Der diplomierte Holzbau-Ingenieur Jens Koch ist einer der erfahrensten österreichischen Experten auf dem Gebiet „Trockenbau im Holzbau“. Als Rigips-Bereichsleiter Holzbau kennt er die Branche aus erster Hand.

? Herr Koch, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der bauphysikalischen und brandschutztechnischen Optimierung des Holzbaus. Wo drückt diesbezüglich die ausführenden Unternehmen manchmal der Schuh?

! Oft sind es Planer und Behörden, die Holzbauunternehmen mit technischen Fragen konfrontieren, weil ihnen selbst das holzbauspezifische Backgroundwissen fehlt. Es wird natürlich erwartet, dass der Zimmerer dazu befähigt ist, alle Fragen zu klären. Für ihn ist es vielleicht die größte Herausforderung, Falsches zu erkennen, um darauf richtig reagieren zu können. Beispielsweise taucht oft die Frage auf, ob der Brandschutz von außen nach innen oder umgekehrt zu bewerkstelligen sei. Bei der Brandprüfung im Ofen testet man die Wand ja nur in eine Richtung. Ein Wandaufbau ist aber selten symmetrisch. Hier kommt es oft zu Missverständnissen, da für die Problematik seitens der Auftraggeber in der Regel keine klare Definition formuliert wird. Somit sollte sich der Zimmerer gegenüber der vom Planer gestellten Vorgaben mithilfe einer guten Aus- und Weiterbildung sensibilisieren und anschließend abwägen, ob er die gestellten Anforderungen erfüllen kann und will. Da Planer oder Behörden oft zu unscharf in ihren Formulierungen sind, führt das hinterher vielleicht dazu, dass etwas anderes gebaut wird, als ursprünglich angeboten wurde.

? Der Holzbau ist in Österreich auf dem steinigen Weg zur Selbstverständlichkeit. Trotz zahlreicher Leuchtturmprojekte, welche die Machbarkeit des vielgeschossigen Bauens mit Holz unter Beweis stellen,  tut sich im drei- bis fünfgeschossigen Bereich noch viel zu wenig. Woran, glauben Sie, liegt das?

! Es liegt vorwiegend an den eingefahrenen Prozessen, wie Wohnbauten entwickelt werden. Den größten Anteil an der Schaffung von Wohnraum haben in Österreich die Wohnbaugenossenschaften. Hier wird die Entwicklung eines konventionellen Wohnbaus ohne Spezialanforderungen (z.B. Kapselung) in Strukturen abgewickelt, die mit der Ausformung eines Holzbaus wenig zu tun haben. Es wird zuerst viel Zeit in Konzepte und Entwürfe investiert. Im Anschluss passiert relativ wenig. Dann wird der Auftrag ausgeschrieben, für den ein GU den Zuschlag bekommt. Erst in der Phase, wo die Polierpläne aufliegen, nehmen die Vorgänge richtig Fahrt auf. Die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Ausführung findet im mineralischen Bau immer erst dann statt, wenn schon gebaut wird. Solche Prozesse sind nicht auf den Holzbau ausgelegt. Außerdem sind die Förderprozesse nicht darauf eingestellt, schnell zu bauen. In Holz zu bauen, bedeutet, man muss aus der Komfortzone raus und von Anfang an viel planen und in die Details gehen. Aber der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier. Hier ist auch trotz Unterstützung kaum positive Entwicklung erkennbar. Die Genossenschaften werden sich nur bewegen, wenn die Politik Veränderung einfordert. Es gibt für die Akteure sonst keinen Grund, die Richtung zu ändern.

? Ein großes Argument für das Bauen mit Holz ist auch die gestalterische Leichtigkeit einer neuen Bauästhetik. Man will Holz hier oft wegen seiner Optik, Haptik etc. einsetzen. Wenn man Holz aber aus Brandschutzgründen in Gipskarton verpacken muss, bleibt davon oft nicht viel zu sehen. Müssen sich Brandschutz und gestalterische Freiheit zwangsläufig ausschließen?

! Müssen sie nicht. Aber wenn man großvolumig kostengünstig bauen will, kann man nicht nur ästhetisch bauen, weil man dann nicht wettbewerbsfähig ist. Dort, wo sich die Möglichkeiten ergeben, können sowohl Holzbau als auch Trockenbau wunderschöne Lösungen erbringen. Mich persönlich spricht die Kombination aus beidem an. Ein Holzbau soll emotionalisieren, weil das eben nur Holz kann und Beton nicht. Der Holzbau schafft den Spagat, sowohl wirtschaftlich zu sein, als auch ästhetische Elemente zu zeigen.

? Sind Sie als Trockenbauexperte für eine Lockerung der Bauvorschriften pro Holzbau oder dagegen?

! Es sollte darum gehen, die Bauvorschriften ohne Bezug auf die Bauweise an die Gegebenheiten anzupassen. Europaweit gleiche Anforderungen an die Funktionen der Bauteile wären wünschenswert. Bauweisen würden dadurch weder bevorzugt noch benachteiligt, sondern nach Leistung beurteilt. 

? Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Holzbaus?

! Dass die Holz- bzw. Leichtbauweise die erste Wahl im Hochbau wird. Keine Grabenkämpfe mehr, keine Bauweisendiskussionen – am Ende des Tages soll die Vision des nachhaltigen Bauens mit Holz seinen Weg finden. So wird es selbstverständlich werden, mit wenigen Ressourcen hochleistungsfähige Gebäude zu errichten.