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Die Fassade des Aquatics Centre in London sollte wie aus einem Guß von innen nach außen übergehen – eine nicht leicht zu bewerkstelligende Aufgabe für die Ausführenden.  © Hufton+Crow

Fassadengestaltung mit Holz

Ein Artikel von Redaktion | 30.04.2018 - 10:59


Es ist nur selbstverständlich, dass aufgrund der Nachhaltigkeitswelle bei Baustoffen auch Holz und Holzwerkstoffe im Fassadenbau immer mehr zur Anwendung kommen. Im einfachsten Fall übertragen sowohl Planer als auch Kunden die Anforderungen der konventionellen Fassadenwerkstoffe auf den Werkstoff Holz. Es ist jedoch nicht der Anspruch von Holzfassaden, lediglich ein gleichwertiger Ersatz klassischer Fassadenwerkstoffe zu sein. Ganz im Gegenteil, hier geht man einen Schritt weiter.

Das Spektrum der reinen Holzfassaden reicht im einfachsten Fall von einer klassischen Außenbekleidung mit einer Boden-Deckel-Schalung bis hin zum extrem aufwändigen Bekleiden einer Freiform mit einzelnen CNC-bearbeiteten Lamellen. Bei den Holz-Glas-Fassaden kann der Bogen ähnlich weit gespannt werden und reicht von der Modulfassade für ein Büro bis hin zur lastabtragenden, geometrisch anspruchsvollen Holzkonstruktion, die verglast wird. Durch die leichte mechanische Bearbeitbarkeit und die große Freiheit bei produzierbaren Formaten von Holzwerkstoffen kann hier der Kreativität nahezu uneingeschränkt Rechnung getragen werden. Natürlich erfordert diese relativ „große Spielwiese“ der Gestaltung auch entsprechendes Know-how, damit trotzdem werkstoffgerecht und vor allen Dingen dauerhaft und standsicher geplant und gebaut werden kann. Anhand der beiden folgenden zwei Projekte soll etwas näher auf die spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten eingegangen werden.

Aquatics Centre, London

Bei dieser Fassade aus Holzlamellen bestand die Hauptanforderung darin, die Fassade im Innen- und Außenbereich so zu gestalten, dass diese optisch identisch in Erscheinung tritt. Nur durch eine frei stehende Glasfassade sind Innen- und Außenbereich getrennt, daher kann die Wirkung einer durchlaufenden Freiformfläche erreicht werden. Hierbei sind die technischen Anforderungen im Innen- und Außenbereich jedoch grundsätzlich komplett verschieden. Im Innenbereich der Schwimmhalle mussten das Klima mit der erhöhten Luftfeuchtigkeit, die Chemikalienbeständigkeit sowie der Brandschutz gewährleistet werden. Im Außenbereich jedoch wird die Fassade als vollständige thermische Gebäudehülle genutzt. Der gesamte Aufbau in diesem Bereich muss das Klima des Wettkampf-Schwimmbereiches wirkungsvoll und tauwasserfrei vom Außenklima trennen. 
Eine spezielle Herausforderung beim Erstellen der Konstruktionszeichnungen war der Situation geschuldet, dass sich die 135 m lange Stahlkonstruktion – an der die Fassade sowohl im Innen- wie Außenbereich abgehängt wird – aufgrund der noch aufzubringenden Ausbaulasten um 200 mm horizontal am Loslager bewegt. Damit die Fassade dann letztendlich in die geplante Position gelangt, mussten bei der Planung Referenzpunkte zum Einmessen geschaffen werden. Diese wurden dann bei der Montage auf die Primärstruktur übertragen und dienten zum Einmessen der Fassade. 

Die Grundgeometrie der Außenfläche wurde vom Architekturbüro mit der Software Rhino dargestellt. Diese Geometrie der Hüllfläche diente als Grundlage für die Werkstattplanung der ca. 35.000 verschiedenen Holzlamellen. Mithilfe von Grasshopper-Tools gelang es, aus der Hüllfläche einzelne Brettlamellen mit definierten Abständen und Positionen automatisch zu erzeugen. Mittels einer speziellen CAD/CAM-Schnittstelle wurden daraus die Bahnkurven und Bohrungspositionen für das CNC-Bearbeitungscenter errechnet. Bei einem Gesamtumfang von ca. 300 m an der größten Stelle der Konstruktion wurde auch eine detaillierte Betrachtung der Längenänderung der Lamellen aufgrund von Feuchte- und Temperaturdifferenzen erforderlich. Hierbei konnte der rechnerische Nachweis erbracht werden, dass die Längenänderung aufgrund der Verschiebbarkeit der Verbindung von den Schrauben planmäßig aufgenommen werden können. Somit konnte die Fassade über den kompletten Umfang ohne Dehnungs- und Ausgleichfugen gebildet werden.

Waterside Theatre, Aylesbury

Speziell bei dieser Fassade gab es zwei große Herausforderungen. Zum einen mussten die Fassadenpfosten die gesamte Dachlast und teils die Last aus den Emporen tragen, zum anderen sollte die Tragstruktur gleichzeitig im Außenbereich angeordnet werden (Umkehrfassade). Für die Detaillierung der Profile bei einer Umkehrfassade ist es unumgänglich, die Wasserführung und die Dichteebene im Detail zu durchdenken. In Zusammenarbeit mit dem ift Rosenheim konnte anhand von Standardprofilen durch geschickte Anordnung gewährleistet werden, dass die Entwässerung immer nach außen geleitet wird und auch die zwei Dichtebenen vom Pfosten zum Riegel konsequent verlaufen. Auf dem Fassadenprüfstand des ift wurden bei einem ca. 3 x 7 m großen Muster die Leistungswerte für Luftdichtigkeit, Schlagregendichtigkeit und Verformung ermittelt. Der Grundriss der Fassadenlinie gleicht einer unregelmäßigen Erdnussform, die Linie des Kopfpunktes steigt und fällt zusammen mit der Dachfläche. Dies bedingt, dass jeder Fassadenpfosten eine andere Geometrie erhält. Durch die sehr exakte CNC-Bearbeitung der Bauteile konnte die unregelmäßige Geometrie sicher und sehr präzise gefertigt werden. Obwohl die Bauteile bezüglich der Abmessungen eher Ingenieur-Holzbauteilen entsprachen, war es gewünscht, diese bezüglich der Präzision und Oberflächenbeschaffenheit in Schreinerqualität herzustellen.

Die Umkehrfassade mit den außen liegenden Traggliedern stellt spezielle Herausforderungen an den konstruktiven Holzschutz. Spezielles Augenmerk wurde auf den Fußpunkt gerichtet, der einen entsprechenden Abstand zum Grund aufweist und das Wasser ungehindert am Pfosten abfließen lässt. Die Riegel, die ebenfalls außen liegen, wurden mit ca. 7 mm Abstand um die Pfosten montiert, dadurch wurde erreicht, dass zwischen Pfosten und Riegel keine Kapillarfuge entsteht und das BS-Holz rasch austrocknen kann. Der Fußriegel, der direkt im Spritzwasserbereich eingesetzt wird, kann in diesem Fall nicht aus Brettschichtholz hergestellt werden. Hier wurde auf ein feuerverzinktes Stahlprofil zurückgegriffen. Als weitere Maßnahme wurde Lärchenkernholz verwendet, das offenporig lasiert ist. Diese Lasurbeschichtung reduziert die Wasseraufnahme des Holzes, lässt aber gleichzeitig die Diffusion zu.

Die beiden gezeigten Beispiele sollen als Inspiration für ausgefallene Holzfassadenkonstruktionen dienen. Gleichzeitig sei hier aber auch der mahnende Finger erhoben, die Konstruktionen immer als Ganzes zu betrachten. Wartungs- und Instandsetzungsaufwand müssen im angemessenen Verhältnis stehen. Auch die geplante Lebensdauer der Holzfassade muss sicher und zweifelsfrei erreicht werden.

_Karl-Heinz Roth, Leiter Akquisition bei ZÜBLIN Timber Aichach GmbH