Die eingeklebte Stange ist im konstruktiven Holzbau nicht mehr wegzudenken. Sie stellt ein sehr leistungsfähiges Verbindungsmittel dar und ist eine ernstzunehmende Alternative zu den häufig vorzufindenden mechanischen Anschlüssen (Schrauben, Nägel etc.). Für Nadelhölzer unter ruhenden Lasten wird sie bereits seit Jahren eingesetzt. Doch wie lässt sich die eingeklebte Stange vielseitiger gestalten? Die Erweiterung um zusätzliche Materialkombinationen und Produktionsweisen steht derzeit im Fokus einiger Forschungsvorhaben.
Die aktuelle Praxis sieht im Prinzip „nur“ den Einsatz eingeklebter Gewindebolzen und gerippter Betonstabstähle in Nadelholz vor. Alternative Stabtypen, wie zum Beispiel aus Glasfaser-Verbundwerkstoffen (GFK) oder Edelstahl, werden außen vor gelassen. Momentan erfolgt der Einsatz eingeklebter Stangen meist auch nur für ruhende Beanspruchungen (Eigenlasten, Nutzlasten etc.). Ermüdungsbeanspruchungen, die z.B. bei Brückenkonstruktionen infolge häufiger Überfahrten durch Lkw auftreten, werden für Konstruktionen mit eingeklebten Stäben von normativer Seite nicht behandelt. Für das Einkleben steht eine kleine Anzahl an zugelassenen 2-Komponenten-Klebstoffen zur Auswahl, deren Aushärtungszeit sehr zeitintensiv ist und meist mehrere Tage beträgt. Um die Einsatzmöglichkeiten eingeklebter Stangen im konstruktiven Holzbau zu erweitern und die Vorteile moderner Werkstoffe besser ausschöpfen zu können, sind grundsätzlich weitere Entwicklungsschritte erforderlich: Einerseits sind „neue Materialien“, wie Stangen aus Verbundwerkstoffen und moderne Holzprodukte, in den Fokus zu rücken, andererseits sind die Prozesse für die Herstellung eingeklebter Stangen, insbesondere hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit und Herstellungszeit, zu optimieren.
In Laubholz eingeklebte Stangen
Heimische Laubhölzer erleben, nachdem sie über lange Zeit vernachlässigt wurden, im Ingenieurholzbau eine Renaissance. In Laubholz eingeklebte Stangen sind aber nicht, wie bei Nadelholz, normativ geregelt. An dieser Stelle setzt eine umfangreiche Versuchsreihe im Forschungsprojekt TACITUS an, in deren Rahmen drei Laubholzprodukte aus Buchen- und Eichenholz, neun Klebstoffe und vier Stangentypen (Gewindestangen, Betonstähle und GFK) zunächst hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften charakterisiert wurden. In einem weiteren Schritt konnten in Brettschichtholz (BSH) und Furnierschichtholz (FSH) eingeklebte Stangen aus 60 verschiedenen Werkstoffkombinationen hergestellt und unter quasistatischen Bedingungen geprüft werden.
Sämtliche Versuche lieferten wertvolle und sehr umfangreiche Ergebnisse bezüglich der Versagensart und der Kapazität in Laubholz eingeklebter Stangen: Die Festigkeit der Anschlüsse übersteigt die Festigkeiten in Nadelholz eingeklebter Stangen um bis zu 100 %. Das deutliche Potenzial, das heimische Laubhölzer für den konstruktiven Holzbau besitzen, und die Berechenbarkeit des Anschlusstyps „eingeklebte Stange“ sind gute Gründe, die Thematik zukünftig weiterzuverfolgen.
Ermüdungsverhalten eingeklebter Stäbe
Eingeklebte Stangen besitzen grundsätzlich das Potenzial, auch für Ermüdungslasten eingesetzt zu werden. Jedoch fehlt es im Wesentlichen an baupraktischer Erfahrung, technischem Wissen und normativen Ansätzen. Um dieser Tatsache entgegenzuwirken, ist im FuE-Projekt TACITUS auch das Ermüdungsverhalten experimentell betrachtet worden. Materialkombinationen aus drei Laubholzprodukten, verschiedenen Klebstoffen und metallischen Stäben wurden auf die Probe gestellt. Die zentralen Aussagen der Versuchsreihe liefern wertvolle Aussagen für die Bemessung in Laubholz eingeklebter Stangen unter Ermüdungslast: Die Parameterkombination aus Holz und Klebstoff hat bei Stangenversagen keinen Einfluss auf die Ermüdungseigenschaften. Die Stange stellt den für die Ermüdungsfestigkeit limitierenden Faktor dar. Dieser liegt bei Gewindestangen (Ø = 16 mm) bei mindestens 20 kN und bei Betonrippenstäben (Ø = 16 mm) bei mindestens 40 kN. Bei eingeklebten Edelstahlstangen (Ø = 16 mm) kommt es bei einer Last oberhalb von 50 kN zum Holz-/Klebstoff-Versagen, bei eingeklebten Gewindestangen und Betonstählen ist ein Wechsel der Versagensart von Holz-/Klebstoff-Versagen zu Stangenversagen bei einem Lastniveau von etwa 60 bis 100 kN zu beobachten. Auf Basis der Versuche konnte auch ein Vorschlag für den Ermüdungsnachweis in Anlehnung an DIN EN 1995-2:2013-08 abgeleitet werden.
Schnellhärtung eingeklebter Stäbe
Bei bisherigen Herstellungsverfahren für eingeklebte Stäbe ist der Klebeprozess sehr zeitintensiv: Die üblicherweise eingesetzten 2K-PUR oder 2K-EP brauchen i.d.R. mehrere Stunden oder Tage zum Aushärten. Außerdem sind Mindesttemperaturen einzuhalten, die auf der Baustelle nicht immer vorliegen. Eine Möglichkeit, den Klebeprozess zu beschleunigen, besteht in der Aushärtung des Klebstoffs durch Erwärmung. Während in anderen Industrien (wie z.B. der Automobilindustrie) ganze Bauteile oder Baugruppen in Öfen erwärmt werden, ist dies i.d.R. im Bauwesen nicht möglich. Deshalb konzentriert sich die aktuelle Forschung auf die gezielte und lokale Erwärmung der Klebefuge. Neben Ofenhärtung, IR-Strahlern, Wärmematten o.ä. wird z.T. auch der Ansatz der induktiven Erwärmung als berührungslose Methode verfolgt. Der Wärmeeintrag wird bei Gewindestangen oder Bewehrungseisen über induzierte hochfrequente Wirbelströme erzielt. Sind die Bauteile selbst nicht per Induktion erwärmbar, wie z.B. Holz, GFK und Glas, werden Partikel direkt in den Klebstoff eingebracht. Alternativ kann die Klebstoffaushärtung auch durch resistive Erwärmung des Stabs erzielt werden, z.B. durch dessen Umwicklung mit einem Draht, der unter Strom gesetzt wird. Umfangreiche experimentelle Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass dadurch die Aushärtezeiten auf 5 bis 10 Minuten reduziert und bereits 30 Minuten nach Prozessende signifikante Handfestigkeiten erzielt werden können. Sobald die Stäbe auf Raumtemperatur abgekühlt sind, liegt die volle Tragfähigkeit vor. Ob solche Schnellhärteverfahren künftig den Weg zur Baustelle schaffen werden, hängt aber vor allem vom Interesse der Industrie und von weiteren Forschungstätigkeiten ab.
Wie geht es weiter?
Viele Fragen sind inzwischen zu eingeklebten Stäben geklärt worden, weitere gilt es, in Zukunft zu klären. Ein neues FuE-Projekt, das derzeit in Deutschland initiiert wird, behandelt z.B. die Themenbereiche Langzeitverhalten, Temperatur- und Wechselklimabeständigkeit in Laubholz eingeklebter Stäbe (TACITUS FAQs 2018). Auch finden sich Bestrebungen zur Entwicklung innovativer Prüfverfahren und realitätsnäherer Bemessungsansätze. Die eingeklebte Stange ist und bleibt im Fokus der Forschung.
_Dr. Till Vallée (Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung)
_Oliver Bletz-Mühldorfer (Materialprüfanstalt Wiesbaden)