Seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Mayr-Melnhof Holz Holding, tritt Richard Stralz für die Funktionsperiode der kommenden drei Jahre an die Spitze der Marketingorganisation proHolz Austria. Zuvor war er viele Jahre im Semperit-Vorstand tätig. Im Gespräch mit holzbau austria gibt er Einblick in seine Obmannstrategie, spricht über notwendige Konsequenzen aufgrund der Rohstoffknappheit und verrät, wie er mehr junge Menschen mit Holzbaubegeisterung „infizieren“ möchte.
? Die Holzbranche steht vor großen Herausforderungen: klimatischen, technischen, soziologischen. Wo werden die Schwerpunkte Ihrer Obmannschaft liegen?
! Ich sehe drei wesentliche Punkte: erstens den Fokus auf einen klimafitten Wald, der für die nachhaltige Rohstoffversorgung absolut notwendig ist. Weiteres zentrales Thema ist das Transportieren der noch intensiveren Botschaft an die Politik, dass der Holzbau Lösungen für leistbaren Wohnraum parat hat. Wir wissen, hier können wir mit einem hohen industriellen Vorfertigungsgrad bis hin zur integrierten Haustechnik massiv punkten. Dritter Punkt ist die Vermeidung von Doppelforschung. Ständig erfinden wir das Rad neu. Die Vernetzung innerhalb der Branche über die Ländergrenzen hinweg hilft sicherlich noch intensiver, dies zu vermeiden.
? Sie haben es schon angesprochen: Das Segment leistbarer Wohnbau ist großes Thema. Wie kann sich der Holzbau hier stärker etablieren?
! Indem wir dafür Sorge tragen, dass es mehr Wissende im Holzbau gibt. Die Stiftungsprofessur in Graz [die Prof. Tom Kaden seit 2017 innehat, Anm. d. Red.] zeigt schon Erfolge. Kadens aktuelle Masterclass war innerhalb von 26 Sekunden online ausgebucht. Das heißt, junge Menschen wollen sich mit dem Thema beschäftigen. Wir müssen wiederum dafür sorgen, dass es dafür Möglichkeiten gibt. So kann man denkbar viele „infizieren“. Das strebt auch die Initiative Forst Holz Papier (FHP) mit ihrer Bildungsoffensive an. In diesem Sinne: Vom Kindergarten bis in die Universität muss Wissen hineingetragen werden, damit das Verständnis für den Baustoff stärker wird. Zudem sind die unumstrittenen Vorteile unseres Werkstoffes mit wenigen Ausnahmen in den entsprechenden Verwaltungsstellen noch nicht ausreichend angekommen. Holzbau muss von der Politik als wesentlicher Hebel zur Erreichung der Klimaziele erkannt werden. Wir brauchen speziell im geförderten Wohnbau den politischen Auftrag. Dafür werde ich mich stark machen.
? Architekten und Planer, die erstmalig ein Holzbauprojekt in Angriff nehmen, stehen oft vor dem Problem, dass ihnen das Know-how fehlt. Wie reagieren Sie darauf?
! Diese Lücke wollen wir mit der seit heuer laufenden Seminarreihe bau:Holz für diese Zielgruppe schließen. Nach dem Start in Wien folgt das sukzessive Rollout in den Bundesländern. Ebenso läuft ein ähnliches Format unter dem Titel fabbricalegno in Italien. Information vom Praktiker für den Praktiker, das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
? Und innerhalb der Branche? Inwieweit setzt proHolz Aktionen, um Organisationsnetzwerke zu stärken und den Erfahrungsaustausch zu ermöglichen?
! Das ist sicher eine Aufgabe, die wir als Funktionäre seit Jahren ausüben. Nach dem Vorbild von proHolz Austria sind in Deutschland proHolz-Organisationen entstanden – proHolz Bayern, proHolz Baden-Württemberg. Wir haben mit unserer Erfahrung dazu beigetragen, diese aufzubauen. Nun geht es darum, länderübergreifend im gesamten DACH-Raum Synergien zu nutzen. In die Schweiz und nach Deutschland könnte man durchaus besser kommunizieren, damit man gegenseitig voneinander profitiert und Innovation die Folgen sind.
? Apropos Innovation: Holzbauexperten ziehen immer wieder Vergleiche zur Automobilindustrie. Sie waren viele Jahre in leitender Funktion bei Semperit. Sind uns andere Branchen wirklich um so vieles voraus?
! Es besteht noch Aufholbedarf, das stimmt. Ich meine das aber nicht negativ, sondern sehe gerade darin das große Potenzial der Branche.
? Wo besteht Aufholbedarf?
! Da fällt mir der Maschinennutzungsgrad von 80 % ein, mit dem wir uns als „guten Wert“ zufriedengeben. Gäbe es diese 80 % in der Papierindustrie, dann hätten wir in ganz Österreich kein Papier mehr. Wir sind von einer effizienten Nutzung unserer Anlagen meilenweit weg. In Summe steht also das Thema Industrie 4.0 an. Ziel ist eine Branche, welche die gesamte, zur Verfügung stehende Informationstechnologie nutzt und alle möglichen Aufgaben der Automatisierung zuführt. Das ist notwendig, weil Arbeitskräfte fehlen. Zusätzlich müsste uns doch klar sein, dass wir bei einer Nutzung von nur 45 % des Stammvolumens einen massiven Materialverlust erleiden. Natürlich gibt es für Anfallsware einen Markt, Sägenebenprodukte werden veredelt. Auf Dauer kann das aber nicht richtig sein. Dieser Anteil müsste im einstelligen Prozentbereich liegen.
? Und trotz aller Vorteile, die der Baustoff Holz mit sich bringt – immer wieder muss er seine Stärken hervorkehren. Wie überzeugt man die breite Masse?
! Ich habe schon den Eindruck, man versteht Holzbau in der Gesellschaft. Trotzdem lautet die Devise: stetige Präsenz. Und das, wie schon vorhin erwähnt, vom Kindergarten bis in die Universität, vom einzelnen Bürger bis hin zur Politik.