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Die ortstypische Konstruktion: Holzwände zwischen Schottwänden und Ziegelpfeilern. © Juri Troy

Zwischenraum hinterm Streckhof

Ein Artikel von Redaktion | 27.05.2019 - 08:57


Im typischen Burgenlandstil reiht sich in der verschlafenen Gemeinde Weingraben Streckhof an Streckhof. Nebengebäude, Werkstatt, Stadel und Obstgärten finden sich rückseitig versteckt. Eine dreiköpfige Familie fand Gefallen an diesem besonderen Charme.

Solch alte Gemäuer, wie im mittleren Burgenland, rücken zunehmend in den Fokus des Interesses. „Vor allem in Gegenden, in denen der Grundpreis in die Höhe schnellt“, weiß Juri Troy vom gleichnamigen Wiener Architekturbüro. „Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema Verdichtung. Aus 1960er- und 1970er-Jahre-Bauten lassen sich wunderbare Mehrfamilienhäuser machen. Ein Thema, das in der Gesamtwahrnehmung viel zu sehr vernachlässigt wird.“ Sowohl in der Stadt als auch am Land ist das Thema für den Planer präsent. So bekam Troy 2017 die Aufgabe, sich eines von der Großmutter übergebenen Streckhofs einer Kleinfamilie anzunehmen. Schon lange zog es die Bauherrschaft regelmäßig auf dieses Fleckchen Land – aus den Früchten des eigenen Gartens für den Eigenbedarf brannten sie seit vielen Jahren Schnaps. Neben dem Obst reifte auch der Gedanke, im Burgenland ein eigenes Domizil anzuschaffen. Da die Großmutter den Streckhof noch bewohnt, blieben zwei Optionen: Der erste Plan, sich in den Hof des Haupthauses zu integrieren, wurde verworfen, um die besondere Qualität des Bestehenden nicht zu verlieren. Der zweite Gedanke, den existierenden Stadel umzubauen, scheiterte an der einfachen Bausubstanz.
Diese eignete sich nicht zum Ausbau, sollte aber unbedingt erhalten bleiben. So entschieden sich die Bauherren für die Errichtung eines weiteren Gebäudes. Dieses sollte allerdings perfekt in die Umgebung passen. Das Wohnhaus sitzt nun im Zwischenraum von Bestand und benachbarten Stadeln und verwendet dieselben Materialien: Holz und Ziegel. Das gesamte Ober- und Dachgeschoss sowie die Faltläden sind aus heimischer Weißtanne gefertigt. „Alle verwendeten Materialien sind dem Ort nicht fremd. Außer die Weißtanne – das war ein Zugeständnis an den Bauherrn, der gebürtiger Vorarlberger ist“, ergänzt Troy. Das Massivholz blieb im Innenraum sichtbar. Eine Besonderheit ist die im Giebel 7 m messende Raumhöhe, die das Elternschlafzimmer und den Arbeitsbereich überspannt. Über die beiden kleineren Schlafräume führt eine Leiter zu einem Dachboden mit Technik- und Stauraum sowie einem mittleren Raum, der als Yoga-Raum mit schönem Ausblick genutzt wird.

Temperaturausgleich funktioniert wunderbar

„Der Bau trägt eine eigene Logik in sich“, weiß Troy. Die mittig liegende Treppe gliedert den Wohnraum im Erdgeschoss. In die Fassade fügen sich bewegliche Läden, die sich mechanisch vor 1 m breite loggiaartige Freiflächen schieben lassen. Diese waren zentrale und entscheidende Elemente für den Anspruch, ohne Klimaanlage auskommen zu müssen. Wer das Burgenland kennt, weiß, wie heiß die Sommer werden können. „Nun kann man diese überdimensionalen faltbaren Fensterläden vollständig öffnen und hat sowohl im Erd- als auch Obergeschoss das Gefühl, im Freien zu sitzen.“

Der Temperaturausgleich funktioniert in Kombination mit Beschattung und Querlüften ganz wunderbar, hört man von der Bauherrschaft. Im erhaltenen Stadel neben dem Wohnhaus eröffnete sich die Möglichkeit, die eigene Schnapsbrennerei zu bewahren und noch auszubauen. Am über 7 m langen Holztisch kann zudem ausgiebig verkostet und gefeiert werden.

Alte Technik: Lehm-Kasein-Beschichtung angewandt

Den Bauherren lag neben dem Erhalt des Bestands die ökologische Bauweise ihres Einfamilienhauses am Herzen. Eine Besonderheit in dieser Hinsicht ist der Boden. Dabei handelt es sich um eine Lehm-Kasein-Beschichtung von Gerold Ulrich aus Satteins in Vorarlberg. Mit Kasein (Milcheiweiß) vergütet, wird die Lehmmischung per alter Technik auf entsprechend vorbehandelte Untergründe dünn aufgezogen und mit Öl und Carnaubawachs oberflächenbehandelt. Als Dämmmaterial am Dach wurde Holzwolle verwendet.

Nach und nach wird sich auch das Äußere des Wohngebäudes mittels Vergrauung noch stärker an die umliegenden Stadel angleichen. Spätestens dann ist dieser Zwischenraum im mittleren Burgenland perfekt gefüllt. 

Projektdaten

Standort: Weingraben, Burgenland
Fertigstellung: August 2018
Architektur: Juri Troy Architects
Holzbau: Holzbau Kast
Holzmenge: 35 m3 BSP, 5 m3 Weißtannen-Schalung, 100 m2 Dreischichtplatten
Nutzfläche: 136 m2
Systemlieferant (BSP): Stora Enso