Wandergesellen retten kulturelles Erbe

Ein Artikel von Raphael Zeman | 11.11.2019 - 10:33
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Der neue Dachstuhl der Casa Queipo wurde binnen drei Arbeitswochen errichtet. © Schacht Axt und Kelle

Ernes ist ein kleiner, abgelegener Ort, eine Stunde von der Kleinstadt Fonsagrada entfernt. Durch die Errichtung eines Staudamms in den 50er-Jahren wurde die bereits spärliche Infrastruktur des Tals fast zur Gänze zerstört. Viele der umliegenden Dörfer konnte man nur mehr mithilfe von Booten erreichen, zahlreiche Menschen verließen die Region. Mittlerweile leben wieder rund 20 Menschen in Ernes und bewirtschaften das Land. Doch was hat der Holzbau damit zu tun?

Geschichtsträchtiges Gebäude

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Ein Handwerker in traditioneller Montur mit moderner Gerätschaft als Sinnbild für die Vielseitigkeit des Holzbaus. © Schacht Axt und Kelle

Die Casa Queipo ist eines der Häuser von Ernes, das unter jahrzehntelangem Leerstand litt. Es wird angenommen, dass das Haus mit einer Grundfläche von 200 und einer Dachfläche von 270 m2 vor rund 300 Jahren im Schiefer-Lehm-Verbund erbaut und im Laufe der Zeit mehrmals erweitert wurde. Unter anderem befanden sich darin eine Backstube, eine Räucherkammer, ein Heulager, Ställe und Wohnräume. Später wurde das Gebäude als Kirche und Pfarrhaus umgewidmet, immer weniger genutzt und verfiel schließlich zusehends bis nur mehr eine Ruine ohne Fenster, dafür mit Fußbodenresten und einem lecken Dach übrig blieb.

Um einerseits den historischen Bau vor dem endgültigen Zerfall zu retten und andererseits die Selbstverwaltung und Infrastruktur in der Region wieder zu stärken, initiierte die „Asociación Cultural Casa Queipo“ die Sanierung des Gebäudes. Für die Bewohner Ernes und die rund 100 Menschen aus dem Umland sollen darin Werkstätten, Lager- und Seminarräume Platz finden. Mit dabei: der Schacht „Axt und Kelle“ . Als Schacht bezeichnet man eine Vereinigung von Handwerkern, meist Wandergesellen – „Axt und Kelle" waren im Übrigen die Ersten ihrer Zunft, die auch Frauen „erwanderten“.

Widrige Bedingungen – hilfreiches Werkzeug

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Das Problem der dürftigen Stromversorgung wurde mit der verstärkten Nutzung von akkubetriebenen Geräten umgangen. © Schacht Axt und Kelle

Eines der größten Erschwernisse bei der Sanierung war die abgeschiedene Lage: die Arbeiter hatten eine Anreisedauer von bis zu zwei Wochen, der Transport von Baumaterial war mit großem Aufwand verbunden und die Versorgung vor Ort eingeschränkt. Dazu kamen ein leistungsarmes Stromnetz und handwerkliche Herausforderungen. Doch davon ließen sich die Schachtmitglieder nicht einschüchtern, zumal sie mit Elektrowerkzeugen und Zimmereimaschinen von MAFELL, Nagelgeräten von KMR und Holzbauschrauben von BeA ausgestattet waren. Wegen dem geringen Budget schlug man außerdem bereits im Januar 8 m3 Konstruktionsholz in den gemeinschaftlich genutzten Wäldern um Ernes und transportierte die rund 100 nassen, schweren Hölzer aus Esskastanie mit Geländewägen und Traktoren zu Baustelle.

Beispielhaftes Projekt

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„Axt und Kelle" war der erste Schacht, der auch Frauen „erwanderte". © Schacht Axt und Kelle

Im Sommer widmeten sich die 24 Handwerker des Schachtes dem Dachstuhl der Casa Queipo, richteten ihn mit dem einheimischem Holz neu auf und bereiteten ihn für die Eindeckung mit Schieferplatten vor. Dabei wurden das alte Hauptdach mit Krüppelwalm und das Anbaudach mit Giebel durch die Errichtung eines Pfettendachstuhls zu neuem Leben erweckt. Die Dachseiten verband man mit einem Grat- und Kehlsparren sowie einem Verfallgrat. Dank krummen Hölzern als Binder und Unterzüge ist der Dachstuhl zudem so aufrecht wie möglich begehbar. Darüber hinaus statteten „Axt und Kelle“ das Gebäude mit Kücheneinrichtungen, Bänken, Tischen, Regalen und sanitären Einrichtungen aus.

Quelle: MAFELL AG und Joh. Friedrich Behrens AG