Dr. Erich Wiesner, Vorsitzender der Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP) sowie Eigentümer und Geschäftsführer von WIEHAG © Werner Lang
Herr Wiesner, wie haben Sie sich in Ihrer neuen Funktion eingelebt?
So neu ist diese Funktion für mich gar nicht. FHP wurde bereits vor 15 Jahren gegründet und nach dem ersten Vorsitzenden, Fritz Grillitsch, hatte ich diese Funktion 2007 bereits zum ersten Mal inne. Ich musste mich also in diesem Sinne nicht wirklich neu einleben.
Hat sich seit damals etwas geändert?
Damals hat man die Grundstrukturen gelegt, sich eine Art Verfassung gegeben, die Organisation und Ziele festgelegt. Durch den fortschreitenden Klimawandel hat der Sektor Forst-Holz-Papier in Gesellschaft und Politik über die vergangenen Jahre massiv an Bedeutung gewonnen, denn er spielt eine essenzielle Rolle in der Bewältigung der Klimakrise – um nicht zu sagen, wir stehen im Zentrum der Klimadiskussion.
Was sind dahingehend die Aufgaben der Kooperationsplattform?
Wie der Name schon sagt, bietet FHP eine Plattform für die Kommunikation und bemüht sich um eine gute Gesprächsbasis zwischen den Partnerorganisationen. Das funktioniert sehr gut, ansonsten gäbe es FHP nicht schon so lange. Die Partnerorganisationen verfolgen gemeinsame Ziele, stehen zueinander aber auch in einem Kunden-Lieferantenverhältnis. Das führt manchmal zu Spannungen und Konflikten, die diskutiert werden müssen. Die Kunst ist es, die Konflikte auszutarieren, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und die Vertrauensbasis aufrecht zu erhalten. Die verbindende Klammer ist der Rohstoff Holz, den wir nutzen und in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt haben wollen. Natürlich unter Einhaltung aller Nachhaltigkeitskriterien. Gerade im Kontext des European Green Deal – dessen Ziel es ist, die Netto-Treibhausgasemissionen der Europäischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren – sind wir hier stark gefordert. Zum Glück gibt es FHP schon, denn wenn wir uns jetzt erst finden müssten, könnten wir bei weitem nicht so viel erreichen. Das ist eine Stärke, um die uns andere Länder beneiden. In Österreich ist der Sektor in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen. Es ist uns trotz einiger Konflikte gelungen, eine vertrauensvolle Gesprächsbasis aufrechtzuerhalten.
Weil Sie Konflikte ansprechen: Wie nehmen Sie die Wertschöpfungskette und die Entwicklungen des vergangenen Jahres wahr?
Ich denke, der Holzbau hat in Zukunft auf der Marktseite echte Chancen. Das Jahr 2021 war für die Holzbaubetriebe auf der Versorgungsseite eine unglaubliche Herausforderung. Die Dimension und Geschwindigkeit der Preissteigerungen waren so nicht vorhersehbar, kamen überraschend und keiner war darauf eingestellt. Aus meiner Sicht war die Entwicklung überzogen und hat letztlich der Branche geschadet. Etliche Projekte gingen verloren, Hersteller von Holzprodukten mussten gegen Jahresende ihre Produktionen stark zurücknehmen. Positiv zu sehen ist, dass die Wertigkeit von Holzbau und Holzprodukten gestiegen ist. Es mag manchen überrascht haben, dass der Holzbau und Holz auch bei höheren Preisen durchaus konkurrenzfähig geblieben sind. Dennoch hoffe ich, dass sich diese Entwicklung so nicht mehr wiederholt.
Was ist Ihre diesbezügliche Prognose für 2022?
Wir werden auch im Jahr 2022 mit einer volatilen Dynamik leben müssen. Der Umgang damit sollte aber leichter werden, weil es die Erfahrungen des vergangenen Jahres gibt. Betriebe haben gelernt, sich rechtzeitig mit Material einzudecken oder schließen vermehrt nur mehr Verträge mit veränderlichen Preisen ab. Ungeachtet dessen braucht der Holzbau wieder Kalkulationssicherheit. Wenn die Bausaison startet, sollten die Preise für die maßgeblichen Produkte klar abschätzbar sein. Das ist noch immer nicht gegeben. Da sollte die Wertschöpfungskette noch dazulernen.
Wie schätzen Sie die Rolle der Zimmerer, aber auch Architekten in der Wertschöpfungskette Holz ein?
Die Zimmereien stehen für mich an der Spitze der Wertschöpfungskette. Im Holzbaubetrieb entscheidet sich im Wesentlichen, mit welchem Material gebaut wird. Der hohe Marktanteil des Holzbaus in Österreich ist auch der guten Struktur der heimischen Branche geschuldet. Die Architekten und Planer sind ebenfalls wichtiger Bestandteil der Kette, aber es braucht entsprechende Ausbildungen, damit man sich an den Werkstoff heranwagt. Diesbezüglich bemühen wir uns, an den Universitäten entsprechende Lehrstellen sowohl aufseiten des Engineerings als auch der Architektur aufzubauen. Wir sind damit auch schon ein gutes Stück vorangekommen, wie man beispielsweise in Graz, Innsbruck, Salzburg und Wien erkennen kann.
Und wie steht es um den Holzbau generell?
Der Holzbau ist definitiv einer der Gewinner der Klimadiskussion. Das sehe ich auch in meinem eigenen Unternehmen: Weltweit gibt es mittlerweile Projekte in Anwendungsbereichen, wo man bis dato kaum tätig war. Auch die Politik ist nun daran interessiert, im öffentlichen Bereich in Holz zu bauen. Das wird ein weiteres nachhaltiges Wachstum für die Branche mit sich bringen. Holz spielt eine zentrale Rolle beim Erreichen des Green Deal. Mögliche Engpässe sehe ich eher in Sachen Rohstoffverfügbarkeit und Fachkräfte. Der Waldumbau findet aber bereits statt, das sieht man auch an den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf). Die Fichte wird in dieser Menge zukünftig nicht mehr zur Verfügung stehen, andere Baumarten wie beispielsweise die Douglasie oder die Tanne werden Anteile gewinnen. Im Laubholz sehe ich derzeit noch eine Nische und keinen Fichtenersatz – hier braucht es Innovationen. In den nächsten zehn Jahren wird aber noch ausreichend Nadelholz für den Holzbau zur Verfügung stehen.
Wie sehen Sie diesbezüglich politische Initiativen wie das Waldfondsgesetz?
Das Waldfondsgesetz sehe ich sehr positiv. Wir haben als FHP 2020 eine Sektorstrategie erarbeitet und verabschiedet, von der sich viele Maßnahmen im Waldfondsgesetz wiederfinden. Eine große Herausforderung wiederum stellt die, vor allem auf europäischer Ebene stark forcierte, Forderung nach Außernutzungstellung der Wälder dar. Das ist ein Schlüsselthema für den gesamten Sektor. Als Vertreter der Wertschöpfungskette wollen wir logischerweise eine erhöhte Holznutzung. Wir wollen aber auch glaubwürdige, evidenzbasierte Information und Unterstützung liefern, dass eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ein erhöhtes Potenzial für den Klimaschutz mit sich bringt. Es gibt mittlerweile ausreichend Forschung, die belegt, dass das mit Abstand beste Szenario die Nutzung des Waldes und die Weiterverarbeitung in langlebigen Holzprodukten ist. Hier kommt wiederum der Holzbau ins Spiel. Es gibt in der Wiener Hofburg Holzdachstühle, die bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen. Richtig geplant und verbaut, ist Holz ein Jahrhundertbaustoff! Auch die Forstwirte der ÖBf argumentieren, dass vermehrter Holzbau und die damit verbundene gesteigerte Nutzung des Waldes klimatisch sinnvoll und mit der Forderung nach biodiversen Wäldern vereinbar ist.
Sie erwähnten vorhin die Problematik Fachkraft?
Den Fachkräftemangel spürt man in allen Sektoren, der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet. Hier laufen aber Initiativen – auch in der Bildung –, um die Attraktivität unseres Sektors darzustellen. Denn die Holzbaubranche hat einiges zu bieten, zum Beispiel Sicherheit. Der Sektor wird langfristig wachsen, da er Teil einer nachhaltigen Lösung für die Probleme der Zeit ist. Darüber hinaus unterliegt das Holzbauwissen nicht so kurzen Halbwertszeiten, dass es in ein paar Jahren nicht mehr relevant wäre. Was man als Lehrling lernt, ist auch zehn Jahre später noch gültig. Und zu guter Letzt: Die Generation Z sucht nach einem Sinn in der Arbeit und will in klimafreundlichen Bereichen tätig sein. Holzbau ist – auch am Arbeitsmarkt – nachhaltig, bietet eine Werkschau und prägt das gebaute Umfeld, das Landschaftsbild. Ich denke, das hat eine hohe Attraktivität für die Jugend.
Können Sie uns abschließend die wichtigsten Ziele für Ihren Vorsitz zusammenfassen?
Allen voran ist das die konstruktive Gesprächsbasis in der Wertschöpfungskette, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Darüber hinaus wollen wir uns in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft anbieten, die Lösungen der Gegenwart, aber auch Zukunft mitzugestalten. Auch unser Tagesgeschäft, die gemeinschaftliche Krisenbewältigung bei unerwarteten Ereignissen wie Stürmen, ist nicht außer Acht zu lassen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil und zudem von übergeordnetem Interesse für den gesamten Sektor: Die Bildungs- und Forschungsprojekte, mit denen sich unsere Arbeitskreise befassen – derzeit zum Beispiel über die Fichtengenetik. All diesen Bestrebungen gemein, ist natürlich das Ziel, den Holzbau insgesamt voranzutreiben.