Dem Holzbau gehört die Welt

Ein Artikel von Günther Jauk, Kathrin Lanz | 05.12.2023 - 10:02
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© Günther Jauk

Durchwegs positiv und zuversichtlich war die Stimmung am 27. Internationalen Holzbauforum (IHF) unter den rund 2900 Teilnehmern. Holzbauunternehmer, Planer, Architekten und Wissenschaftler waren in Innsbruck ebenso vertreten wie Verbindungsmittelhersteller, Klebstoffspezialisten, Bauunternehmer, Immobilienentwickler und Holzindustrielle. Sie alle verhandelten im Congress- und Messezentrum der Landeshauptstadt die Zukunft des Holzbaus, wofür die 87 Vorträge sowie zusätzliche Diskussionsrunden reichlich Gesprächsstoff lieferten. 

Trotz der derzeit schwachen Marktlage mit massiv rückläufigen Baugenehmigungen, einem hohen Zinsniveau sowie den gewaltig angewachsenen Baukosten zeigte sich kaum ein Besucher nachhaltig beunruhigt. Die gegenläufige Entwicklung im Holzbau, also der Anstieg des Marktanteils, dürfte dafür mitverantwortlich sein. Mittel- bis langfristig habe man mit dem Baustoff Holz ohnehin die besten Karten in der Hand, lautete die Argumentation zahlreicher Teilnehmenden. 

Bauen im Bestand stark fokussiert

Während sich für den tatsächlichen Zeitpunkt des Wiederanspringens der Baukonjunktur kaum Belege finden ließen, bescheinigten zahlreiche Vorträge den Besuchen, dass der Holzweg der richtige sei. Dr. Julia Selberherr vom Immobilienberatungsbüro Wüest Partner etwa machte in ihrem Vortrag deutlich, dass eine Immobilienentwicklung ohne das Erfüllen von Nachhaltigkeitskriterien künftig nicht mehr funktionieren werde. Zudem zeigte Selberherr den Zielkonflikt zwischen Bezahlbarkeit, Klimaverträglichkeit, Rendite sowie Innenentwicklung, der bei jedem Bauvorhaben ausbalanciert werden müsse, auf. Aus Sicht der Klimaverträglichkeit seien Ersatzneubauten wenig sinnvoll, wohingegen der Verdichtung im Bestand statische und baurechtliche Grenzen gesetzt seien, nannte Selberherr ein Beispiel. 

Einen dieser Gedanken griff auch Prof. Dr. Eike Roswag-Klinge vom Natural Building Lab der TU Berlin auf: Man müsse viel mehr in den Bestand rein und Neubauten nur noch in Ausnahmen umsetzen. Stoffketten müsse man im Sinne einer Kreislaufwirtschaft drehen und Reuse anstelle von Recycling forcieren. Kurzum: Wir müssen besser bauen, um weniger schadhaft zu sein, denn der Bausektor in Deutschland sei für 40 % der CO2-Emissionen und 90 % der Entnahme von mineralischen Baustoffen verantwortlich. Die Themenkreise „Sanieren statt neu bauen", „Ressourceneffizienz", „lösbare Verbindungen sowie Wiederverwendung" sprach auch Prof. Dr. Philipp Dietsch vom Karlsruher Institut für Technologie in seinem Vortrag „Kennt der Holzbau Grenzen des Wachstums?“ an. 

Serielles Sanieren und Verbindungsmittel: wichtiger, denn je

Ein Trend, der in der (Holz-)Baubranche immer mehr an Fahrt aufnimmt, ist, die Vorfertigung im Werk möglichst weit zu erhöhen. Dementsprechend hoch war auch die Dichte an Vorträgen in Innsbruck, in denen das serielle Bauen, das serielle Sanieren sowie der Modulbau unter die Lupe genommen wurden. Welch einen Bedeutungsgewinn im Moment der Verbindungsmittelindustrie beigemessen wird, zeigte der IHF-Prolog IV am Mittwoch. In einem übervollen Saal „Innsbruck"  wurden rückbaubare Verbindungen für den Ingenieurholzbau, Befestigungen für punktgestützte Decken sowie die Tragfähigkeit genagelter Verbindungen behandelt. Eine sehr lebhafte Schlussdiskussion veranschaulichte die Breite und Tiefe dieser Themen und den enormen Forschungsaufwand, den die Verbindungsbranche in den vergangenen Jahren hinter sich gebracht hat. 

Zwei würdige Preisträger

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Bekannt als Pionier: Schweizer Unternehmer George Kuratle © Günther Jauk

Eine besondere Ehre wurde dem Schweizer Unternehmer George Kuratle sowie dem österreichischen Wissenschaftler Univ.-Prof. i.R. Dr. Alfred Teischinger zuteil. Die beiden Persönlichkeiten wurden im Rahmen des IHF für ihren jahrzehntelangen Einsatz ausgezeichnet. Kuratle entwickelte das von seinem Vater gegründete Familienunternehmen zur bedeutendsten Unternehmensgruppe des Schweizer Holzwerkstoff-Marktes weiter. Bekannt als Pionier, der immer über den Tellerrand hinausschaut, setzt sich Kuratle auch bei seinen eigenen Projekten konsequent für Holz als nachwachsenden Rohstoff ein. 

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Univ.-Prof. i.R. Dr. Alfred Teischinger wurde ebenfalls für seinen Einsatz für den Werk- und Baustoff Holz geehrt. © Günther Jauk

Teischinger ist ein weltweit anerkannter Holzexperte. Der studierte Holzwissenschaftler forschte und lehrte an der BOKU Wien und leitete dort das Institut für Holzforschung sowie das Department für Materialwissenschaften und Prozesstechnologie. Seine Freude über die Auszeichnung war ihm ins Gesicht geschrieben.

Einmal mehr fährt man von Innsbruck voller neuer Ideen, guter Laune und Zufriedenheit davon. Eine Frage, die schon aufkommt, ist, wie lange der Veranstaltungsort Congress mit dem steigenden Interesse der Teilnehmerschar mithalten kann. „Bis zu 3000 Teilnehmer täglich schaffen wir hier", antwortet Uwe Germereott vom Forum Holzbau. Derzeit liege man bei etwa 2500 pro Tag. Gut so, denn nach drei Jahren fühlen sich hier schon sichtlich alle wohl.

holzbau austria wird sich dem Holzbauforum im Printmagazin 07/2023 sowie online noch ausführlicher widmen.