Das Gewährleistungsrecht kennt die Verpflichtung, dem ausführenden Unternehmen eine zweite Chance zur Behebung seiner Mängel zu gewähren. Nur in Ausnahmefällen kann sofort eine Ersatzvornahme veranlasst werden. Im vorliegenden Gerichtsfall hätte jedoch dem Handwerker, obwohl äußerst schlampig gearbeitet, nochmals die Möglichkeit gegeben werden müssen, zu verbessern. Da dies nicht erfolgte, gewann er den Prozess.
Mit der großen Änderung des Gewährleistungsrechtes vor knapp 15 Jahren kam es aus Sicht des Auftragnehmers zu einer sehr wesentlichen Verbesserung der Rechtssituation für den Fall, dass ein Mangel innerhalb der Gewährleistungsfrist auftritt. Das Gesetz sieht nämlich hier vor, dass zuerst die sogenannten „primären Behelfe“ zum Tragen kommen müssen, nämlich entweder Reparatur, sonstige Verbesserung oder Austausch der mangelhaften Sache. Der Vorteil, der sich daraus ergibt, ist, dass das häufig angewandte Druckmittel des „Qualitätsabzuges“ durch den Bauherrn, also eine quasi automatische Preisminderung ohne Möglichkeit zu sanieren, hintangehalten werden kann. Damit soll auch verhindert werden, dass sich der Auftraggeber, nur um weniger zahlen zu müssen, auf Fehlersuche begibt. Der Vorrang der Verbesserung wurde zwar seinerzeit von Konsumentenschützern heftig kritisiert, kam aber dennoch in das Gesetz. Aber nur dann, wenn aus Sicht des Bauherrn eine Reparatur verweigert oder nicht in einer angemessenen Frist durchgeführt wird oder für ihn mit besonderen Unannehmlichkeiten in der Person des Handwerkers verbunden ist, kann er auf Preisminderung bzw.
Ersatzvornahme bestehen. Es kann somit zwar Fälle geben, in denen es dem Auftraggeber nicht übel genommen werden kann, dass er sich nicht mehr auf eine Verbesserung durch den Betrieb einlassen will, und es ist etwa denkbar, dass die Art des Mangels, sein Zustandekommen und andere Umstände die Untüchtigkeit des ausführenden Unternehmens bereits nahelegen und er daher nicht mehr auf die Baustelle gelassen werden muss, etwa wenn er sich durch besondere Schlampigkeit oder beispielsweise auch durch fehlende Gewerbeberechtigung „auszeichnet“. Dies kann aber immer nur die Ausnahme bleiben, ansonsten darf nicht gleich vorab eine Preisminderung verlangt werden, ohne den ausführenden Betrieb ein weiteres Mal auf die Baustelle zu lassen. Und genau dies stellt wieder der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung fest.
Inhalt des Streitfalls war ein zu sanierender Parkettboden in einer Arztpraxis, wo Abschleifen, Ausbesserungsarbeiten und anschließende Versiegelung erforderlich waren. Bei der Leistungserbringung dürfte aber einiges tatsächlich kräftig schiefgegangen sein, denn die Instandsetzung musste nicht nur komplett wiederholt werden, es kam auch zu Beschädigungen von Sockelleisten, Türstöcken und Türen. Mit dieser grob unsachgemäßen Ausführung der Arbeiten war für den Mediziner ausgeschlossen, den Bodenleger zur Mängel- und Schadensbehebung nochmals in seine Ordination zu lassen – zu groß war aus seiner Sicht der Vertrauensverlust und die Angst, dass weitere Schäden verursacht werden könnten. Daher wurde nun eine Drittfirma beauftragt, wobei der Schädiger die Behebungskosten zu tragen gehabt hätte, was dieser aber ablehnte. Er hatte sich zuvor mehrfach bereit erklärt, die Verbesserung durchzuführen.
Das Höchstgericht entschied, dass sehr wohl eine zweite Chance eingeräumt hätte werden müssen und daher nur ein Teil des Schadens zugesprochen wurde, nämlich jene Kosten, welche dem Bodenleger bei selbst durchgeführter Sanierung entstanden wären. Das Gericht meinte, dass immer im Einzelfall abzustellen wäre, ob es unzumutbar ist, den selben Betrieb nochmals sanieren zu lassen. Und in diesem Fall wäre dem ursprünglich beauftragten Bodenleger diese Möglichkeit einzuräumen gewesen, denn die Mangelhaftigkeit der Leistung war nicht ausreichend, um eine Verbesserung unzumutbar zu machen.
Angesichts der tadellosen Abwicklung zweier vorangegangener Aufträge beim Arzt hätte das Vertrauen in die Fähigkeiten des Bodenlegers durch die Fehlleistungen nicht erschüttert werden können – dies obwohl der Kläger meinte, dass derart schlampig gearbeitet wurde, dass man von grober Fahrlässigkeit ausgehen konnte. Doch auch das Berufungsgericht, dem sich der OGH anschloss, vertrat zuvor schon die Ansicht, dass angesichts der guten Erfahrungen mit dem Rechtsvorgänger des Bodenlegerbetriebes, der dieselben Mitarbeiter beschäftigt hatte, es zumutbar gewesen wäre, einen Verbesserungsversuch zuzulassen.