Ein Knoten für spezielle Fälle

Ein Artikel von Redaktion | 11.10.2017 - 16:03


Nach neun Jahren Bauzeit öffnete Ende August das Bürgenstock Hotel & Resort im schweizerischen Obbürgen seine Pforten. Beim Bau des exklusiven Etablissements setzte man auf detailverliebte Ingenieurskunst, die sich auch in den nicht sichtbaren Bereichen der Konstruktion widerspiegelt.


Hier, oberhalb des malerischen Vierwaldstättersees, umfasst der Komplex des Bürgenstock Hotel & Resort vier Hotels mit 383 Zimmern und Suiten, 12 Restaurants, 67 Residence Suites, einem 10.000 m2 großen Alpine Spa sowie einem breiten Angebot an Freizeitaktivitäten. Ingesamt hat Eigentümer Bürgenstock Selection die unvorstellbare Summe von einer Milliarde Franken investiert. In Sachen Exklusivität und Erholungserlebnis waren dem Mammutprojekt also kaum Grenzen gesetzt. Die Liebe zum Detail sollte – laut Vorgabe der Investoren an die Architekten – in jeder Ecke und Nische wahrnehmbar sein. So auch in einer Tennishalle, deren Highlight ein spektakuläres Holzdach ist – gefertigt von den Schweizer Ingenieurholzbau-Professionisten der „neue Holzbau AG“ in Lungern.

Nach altem Vorbild gebaut

Die Neugestaltung der Tennisanlage inklusive Clubhaus orientiert sich an dem vor über 100 Jahren entwickelten Gebäude. Der Neubau besteht aus zwei symmetrisch angeordneten Tennishallen, welche mittig in einem Außenplatz flankieren. Die Tennishallen stehen als markante Elemente in der Hanglage. Die außergewöhnliche Dachform erinnert mit ihrem großen Volumen an einen Pavillon in der Form eines Diamanten oder Kristalls.

Die Anlage ragt über die Servicestraße hinaus und schafft so eine gedeckte Galerie mit Zugang zum Werkhof und zur öffentlichen Einstellhalle. Die Großzügigkeit der Zufahrt wird dadurch nicht eingeschränkt. Das historische Clubhaus lag schon damals an der Straße. Im neuen Clubhaus ist die Organisation der Clubräume, wie Garderobe und Empfang, zentral beim Eingang vorgesehen. Der Vorplatz wird in die neu gestaltete Fußgängerzone integriert und unterstreicht den angestrebten, verkehrsberuhigten Charakter des Bürgenstock Resorts. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich eine Garage für 107 Autos. In einem anderen Teil ist der geschäftsinterne Werkhof des Resorts untergebracht.

Hightech-Materialien im Einsatz 

Das Rautensystem (Flächentragwerk) besteht aus Brettschichtholz in verschiedenen Festigkeitsklassen. Auf den Rauten wurden 60 mm dicke Brettsperrholzplatten mit Schraubpressverleimung montiert. Die Verbindungen bei den Hauptknoten wurden mit der von der neue Holzbau AG patentierten GSA-Technologie als Vergussstoß ausgeführt, um eventuelle Bautoleranzen aufnehmen zu können. Sofern möglich, wurden die Bauteile montagefertig auf die Baustelle geliefert. Auf den Platten wurde eine Dampfsperre angebracht, darauf wiederum eine aluminiumbeschichtete PUR-Spezialdämmung in Schubschwellen (Dachneigungen 18°, 32°, 45°). Oberhalb der Isolation kam eine zweilagige, bituminöse und UV-beständige Abdichtung zum Einsatz, die auf der gesamten Dachhülle verlegt wurde. Die optische Rautenverkleidung wurde mit 15 mm dicken Aluminium-Verbundplatten gelöst.

Statisch höchst anspruchsvoll

Der Gesamtholzverbrauch pro Halle für das 38 mal 23 m überspannende Tragwerk lag bei 160 m3 (700 Bauteile). Zudem kamen rund 60 m3 Brettsperrholz zum Einsatz (300 Bauteile). Die freitragende Dachkonstruktion weist die geometrisch komplexe Form eines Bergkristalles auf. Statisch gesehen, liegt – unter Einbeziehung der scheibenförmigen Schalung aus Brettsperrholz – ein Flächentragwerk vor. Die in den Teilflächen senkrecht wirkenden Kräfte werden durch sich schiefwinklig kreuzende Trägern zu den Gratträgern übergeleitet. Die Auflagerung der Dachkonstruktion erfolgt auf 4, 20 m hohen Brettschichtholzstützen. Nordseitig sowie weitgehend auf der West- und Ostseite wurden außerhalb der BSH-Stützen Betonwände hochgezogen, zum einen aus geologischen Gründen (hangseitig), zum anderen, um das Holztragwerk zu stabilisieren. Diese ungleichen Lagerbedingungen führten dazu, dass das Verformungsbild unter Eigen- und Auflasten sowie unter Schnee keine Symmetrie aufweist. Um diese Verformungen zu begrenzen bzw. die Asymmetrie teilweise zu kompensieren, wurden in den Längsseiten unterschiedliche Vorspannungen vorgesehen.

Problematisch war die Ausbildung des Zusammenschlusses von je fünf Trägern in einem Knotenpunkt – insbesondere wegen der Größe der Querschnitte und der Anforderung, auf der Untersicht ein sauberes Zusammenfügen zu bewerkstelligen. Dies gelang durch den Einsatz der bereits erwähnten GSA-Technologie von der neue Holzbau AG.

Projektdaten

Standort: Obbürgen, CH
Fertigstellung: 2017
Planung: Rüssli Architekten 
Tragwerksplanung: Besmer-Brunner, neue Holzbau AG
Ausführung: ARGE Diamant: Medava & Partner, neue Holzbau AG, Brawand Zimmerei

Quelle: neue Holzbau AG, Rüssli Architekten, Bürgenstock Hotels & Resort