Auffälligerweise kommt es vermehrt in Fällen zu Klagen, wo vom Bauherrn kein Baustellenkoordinator bestellt wurde. Dabei soll dann, wie im vorliegenden Gerichtsfall, der Bauherr für dieses Versäumnis belangt werden, wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt. Auch wenn dieser Fall vor allem aufgrund der übermäßigen Unvorsichtigkeit des verunglückten Arbeiters für den Bauherrn glimpflich ausging – einen Freibrief stellt dieses Urteil keinesfalls aus.
Gemäß Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) hat der Bauherr einen Planungskoordinator für die Vorbereitungsphase und einen Baustellenkoordinator für die Ausführungsphase zu bestellen, wenn auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig werden. Der Baustellenkoordinator hat dann für die Einhaltung verschiedener Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer zu achten und es treffen ihn dabei vor allem auch gewisse Koordinierungspflichten.
Dabei hält jedoch das Höchstgericht ausdrücklich fest, dass dem Baustellenkoordinator nicht die laufende Überprüfung der einzelnen Arbeitnehmer und deren Verhalten im täglichen Arbeitsablauf obliegt. Er ist also nicht der „private“ Arbeitsinspektor, sondern er hat besonders auf die Baustelleneinrichtung zu achten und für die Koordination der einzelnen Unternehmen zu sorgen. Im vorliegenden Fall hätte ein Koordinator bestellt werden müssen. Da dies aber nicht erfolgte, tritt dann mit diesem Versäumnis der Bauherr in dessen Verantwortung und auch Haftung. Und genau deshalb wurde dieser Auftraggeber geklagt, nachdem es zu einem Absturz von einem ungesicherten Balkon gekommen war. Der Beklagte selbst hatte die bestehende Absturzsicherung vor dem Unfall entfernt. Sein Glück im Unglück? Das Gericht hielt fest, dass, selbst wenn er dafür gesorgt hätte, dass eine Absturzsicherung aufgestellt worden wäre, sich dann der Unfall dennoch ereignet hätte. Eine Absturzsicherung hätte den Absturz „eher nicht“ verhindern können. Der Verunfallte fiel nämlich von einer Leiter. Er wusste aber dabei, dass das Stehen auf der vorletzten Sprosse einer Stehleiter nicht zulässig ist, da dadurch der Knieschluss zur Leiter, der wesentlich zur Stabilisierung beiträgt, nicht möglich ist. Damit geht aber sein Verschulden über einen bloßen „Alltagsfehler“ jedenfalls hinaus. Es kann also gesagt werden, dass der Baustellenkoordinator nicht überprüfen muss, wie ein Arbeiter auf der Leiter steht, sondern nur, ob es eine Absturzsicherung gibt. Selbst wenn allerdings diese bestanden hätte, wäre der Arbeiter in diesem Fall dennoch über diese hinaus abgestürzt.
Dass der beklagte Bauherr den Arbeitern das Arbeiten auf dem Balkon nicht untersagte, könne für sich genommen ebenfalls keine Haftung begründen, so das Gericht: Zwar wäre der Unfall dann an genau diesem Tag unterblieben; wenn allerdings in der Folge die Absturzsicherungen errichtet worden wäre und die Arbeiter anschließend auf dem Balkon gearbeitet hätten, hätten die Absturzsicherungen bei der Art und Weise, wie der Arbeiter die Leiter verwendete, ebenfalls nicht das Unglück verhindern können.
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