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Vertragliche Schnittstellen und Toleranzen im Hochbau

Ein Artikel von Redaktion | 22.02.2019 - 06:09


Ein wesentliches Element bei der Errichtung von Hochbauten ist der Schulterschluss der beteiligten Gewerke. Wenn alle an einem Strang ziehen und ihre Energien für das Gelingen der Gesamtaufgabe einsetzen, wird dies für jeden Beteiligten die Bauabwicklung im eigenen Bereich erleichtern. Der nachstehende Artikel beschäftigt sich in der Folge mit den betreffenden vertraglichen, technischen und sicherheitstechnischen Schnittstellen.

Vertragliche Schnittstellen

Den Beginn nimmt das Thema mit der vollständigen Leistungserfassung in der Ausschreibung und einer deutlichen Angabe der Umstände der Leistungserbringung. Eine Antwort darauf, wie das in ausreichender Form gegeben sein muss, um ein kalkulierbares Angebot erstellen zu können, geben uns die Bauvertragsnorm ÖNORM B 2110 (Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen) und die
ÖNORM-Serie B 22xx (Werkvertragsnormen der einzelnen Gewerke). Insbesondere die Vertragsnormen der Serie B 22xx zeigen im Detail die gewerkspezifischen Notwendigkeiten bezüglich der erforderlichen Angaben über die Umstände der Leistungserbringung und die Notwendigkeit zur Schaffung von Positionen auf.

Die logische Fortsetzung ist die standardisierte Leistungsbeschreibung Hochbau (LB-HB), worin – aufbauend auf den Bestimmungen der vorstehenden Normen – Standardpositionen erstellt werden.
Die Hauptverantwortung für die Koordination der einzelnen Teilleistungen obliegt gemäß ÖNORM B 2110 Pkt. 6.5.2 dem Auftraggeber unter Mitwirkung der Auftragnehmer (technischer Schulterschluss). Unter Hauptverantwortung des Auftraggebers für die Koordination der Teilleistungen sind im Wesentlichen folgende Aufgaben zu verstehen:

  • Angaben zur Projektorganisation
  • Zeitliche Abstimmung der Teilleistungen
  • Vermeidung von Problemen an Schnittstellen (Interesse Gesamtleistung)
  • Abstimmung mit den einzelnen Auftragnehmern


Häufig werden diese Pflichten weitgehend an einen Generalunternehmer ausgelagert, was aber unabdingbar mit Aufklärungspflichten über die Umstände der Leistungserbringung durch den Auftraggeber verbunden ist.

Technischer Schulterschluss

Der technische Schulterschluss ist wie folgt definiert: Die Beteiligten müssen sich zum Gelingen und zur Bewahrung des Bestellers vor Schaden vom Vorliegen positiver Bedingungen Gewissheit verschaffen.

Rahmenbedingungen für die Erfüllung dieser Aufgabe bilden:

  • Bestimmungen der ÖNORM B 2110 und ÖNORM B 22xx über die Prüf- und Warnpflicht
  • Die Toleranznorm ÖNORM DIN 18202 (Toleranzen im Hochbau)
  • Sonstige Bestimmungen über bauseitige Voraussetzungen in den ÖNORMen B 2110 und B 22xx

Dokumentation der Bauabwicklung

Die Auftragnehmer müssen laufend für Nachweise über die Bauabwicklung sorgen. Das sind u.a.:

  • Bautagesberichte / Montageberichte
  • Baubesprechungsprotokolle
  • Planeingänge (Soll-Ist-Vergleich)
  • Fotodokumentation
  • Nachtragskostenvoranschläge
  • Anmeldung einer beträchtlichen Kostenüberschreitung (lt. ABGB §1170a Abs. 2); die Anmeldung entfällt, wenn Umstände aus der AG-Sphäre verantwortlich sind.
  • Änderungen im Vertrag
  • Warnhinweise
  • Abschlags-, Teil- und Schlussrechnungen mit prüffähiger Darstellung erbrachter Leistungen
  • Ggf. gerichtliche Beweissicherung

Schnittstelle Toleranzen

Toleranzen dienen zur Begrenzung der Abweichungen von den Nennmaßen der Größe, Gestalt und Lage von Bauteilen und Bauwerken. Ohne besondere Vereinbarung gelten die Maßtoleranzen gemäß ÖNORM DIN 18202.

Bei der Umsetzung der ÖNORM DIN 18202 ist Folgendes zu beachten:

  • Werte für zeit- und lastabhängige Verformungen, auch aus Temperatur, sind gesondert zu berücksichtigen.
  • Toleranzen nach dieser Norm stellen die Grundlagen für Passungsberechnungen im Bauwesen dar. In die Passungsberechnung müssen zeit-, last- und tempe  raturabhängige Verformungen, sowie funktionsbezogene Anforderungen, z. B. Grenzwerte für die zulässige Dehnung einer Fugendichtung, einbezogen und berücksichtigt werden.
  • Die Lage von Bauwerken, Bauteilen oder Räumen wird mit einer Bezugsart, wie Grenzbezug, Achsbezug, Mittellage und Randlage, festgelegt.
  • Notwendige Bezugspunkte sind vor der Bauausführung festzulegen.
  • Bei der Ausführung und Prüfung von Maßen soll von dem gleichen Messbezug ausgegangen werden, um bezugsbedingte Messdifferenzen zu vermeiden.

Wenn die ÖNORM B 2215 vertraglich vereinbart wurde, gilt, dass beim Bauen mit vorgefertigten Bauteilen die Grenzabweichungen für Maße, die Grenzwerte für Winkelabweichungen und die Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen für den Untergrund gemäß ÖNORM DIN 18202 zu halbieren sind. Bei Bauprodukten zulässige Maßabweichungen sind in den Grenzwerten für Ebenheitsabweichungen nicht enthalten und daher zusätzlich zu berücksichtigen. Zudem ist auf die Einhaltung des Grenzwertes für Fluchtabweichung bei Stützen gemäß ÖNORM DIN 18202 zu achten.

Sicherheitstechnische Schnittstellen

Sicherheitstechnische Schnittstellen werden im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGePlan) festgelegt. Dieser stellt die schriftliche Festlegung der baustellenspezifischen Maßnahmen zur Gefahrenverhütung bei der Herstellung des Bauwerks dar. Insbesondere sind alle wechselseitigen bzw. gemeinsamen Gefährdungen und besonderen Gefahren zu berücksichtigen. Hauptleistungen aus dem SiGePlan sind gemäß ÖNORM B 2110 als eigene Positionen in die Bauverträge aufzunehmen. Im SiGePlan sind Verantwortlichkeiten für die gemeinsamen Sicherheitsmaßnahmen und die organisatorischen Vorkehrungen festzulegen, um sicherheitstechnisch bedenkliche Abläufe zu vermeiden. Die einzelnen Unternehmen haben, darauf aufbauend, ihre Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz zu organisieren.

Das Zusammenwirken auf der Baustelle ist zu planen und Abweichungen von der Planung müssen rechtzeitig festgestellt werden, um eine effiziente Abwicklung sicherzustellen.