Die Krux mit den diffusionsoffenen Unterdächern

Ein Artikel von Bernd Strahammer | 16.11.2023 - 10:22
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Bernd Strahammer, Mitglied des Normungsgremiums ÖN 3661 © privat

Seit den 1980er-Jahren sind Vollsparrendämmungen gängige Praxis geworden. Dadurch war die höhere Anforderung an nach außen hin diffusionsoffener werdende Aufbauten sozusagen vorgegeben. Anfang der 1990er-Jahre kamen die ersten diffusionsoffenen Unterspann- bzw. Schalungsbahnen auf den Markt. Diese waren und sind nahezu ausschließlich kunststoffbasierte Produkte. Die ursprüngliche österreichische Produktnorm ÖNORM B 3690 wurde dann zusammen mit vielen anderen Materialnormen 2009 durch die Umsetzung der europäischen Norm ÖNORM EN 13859-1 ersetzt. Ab diesem Zeitpunkt wurden wesentliche Produkteigenschaften nur mehr europäisch festgelegt. In Österreich konnten dann nur noch aus dieser Norm zugelassene national festzulegende Werte geregelt werden. Es hat sich gezeigt, dass Kunststoffbahnen, die in den 1990ern vor allem für Unterspannungen eingesetzt wurden, teilweise erhebliche Probleme mit der Haltbarkeit hatten. Insbesondere in Bereichen von Dachfenstern traten Zersetzungserscheinungen auf. Der Verdacht lag nahe, dass diese Probleme in Zusammenhang mit der UV-Strahlung des Sonnenlichts stehen könnten. Dieser Umstand wurde dann durchaus in der Weiterentwicklung der Materialnormen auf europäischer Ebene und nach den vorher beschriebenen Möglichkeiten auch in Österreich berücksichtigt. Es wurden somit Tests und Vorgaben für Alterungsverhalten festgelegt, die im Laufe der Zeit auch an neue Erkenntnisse angepasst wurden.

Warum werden in Österreich keine strengeren Werte für Unterdachbahnen vorgeschrieben?

n der „Baustoffliste ÖE“ wird die Verwendung CE-gekennzeichneter Bauprodukte in Österreich geregelt. Vereinfacht gesagt dürfen nur Bauprodukte in Österreich verarbeitet werden, die eine CE-Kennzeichnung entsprechend den Regelungen der Baustoffliste ÖE haben. Die Eintragung erfolgt aufgrund harmonisierter Europäischer Normen (hEN). Das Problem besteht darin, dass die Harmonisierung von Normen seit geraumer Zeit ausbleibt, weil die EU-Kommission erst nach Veröffentlichung der neuen EU-Bauprodukteverordnung wieder Normen harmonisiert. Somit sind manche überholte Normen Basis für die CE-Kennzeichnung und diese Bestandteil der Baustoffliste ÖE. Dieser Stillstand dauert schon seit Jahren an.

Dieser Umstand bedeutet vereinfacht, dass wir für Unterdachbahnen auf Produktebene in Österreich keine strengeren Werte als in der veralteten EN fordern dürfen.

Warum ist das jetzt aktuell ein Thema?

Es wurden meist bei Dachöffnungen, z.B. durch nachträgliche Einbauten oder Sturmschäden, Schäden an den diffusionsoffenen Unterdeckbahnen entdeckt. Diesem Umstand wurde in der aktuellen Überarbeitung der Unterdachnorm B 4119 aus 2018 Rechnung getragen und folgende beiden Punkte (sinngemäß) aufgenommen:

  • Grundsätzliche Aufbringung der Dacheindeckung innerhalb von vier Wochen
  • Die Anmerkung, dass bei nachträglichen Arbeiten auf bestehenden Dächern nicht von der ausreichenden Regensicherheit von vorhandenen Unterdeckbahnen ausgegangen werden darf

Weiters wurden damals in der Materialnorm für die nationalen Festlegungen der ÖNORM B 3661, durchaus unter großzügiger Aus- bis Überreizung des europäischen Korsetts, die beiden Unterdeckbahn-Typen UD Typ I und UD Typ II geschaffen. Somit wurde hier nach damaligem Wissensstand bestmöglich auf diese Thematik eingegangen.

Gerade in Sachverständigenkreisen wurden – natürlich auch zusammenhängend damit, dass jene zumeist nur bei Problemen gerufen werden – weiterhin Schäden an bzw. durch beeinträchtigte Unterdeckbahnen bekannt. Diesem Umstand geschuldet, wurde das Projekt PuPURA unter der Projektleitung der Holzforschung Austria (HFA) und unter Beteiligung von Herstellern und des Vereins holzbau austria ins Leben gerufen und erfolgreich durchgeführt. In Folge wurde unter breiter Einbindung von Verbänden, Experten und Herstellern die Gruppe Unter-D-A-CH gebildet, welche sich in mehreren Arbeitsgruppen unter anderem mit der Verbesserung der Situation auseinandersetzt.

Vorab kann die Richtung, in die es geht, so zusammengefasst werden: Es wird vermehrt in Richtung Unterdachsysteme als in Einzelkomponenten gedacht, die Belastungen, die durch die Eindeckung auf das Unterdach kommen, müssen geregelt werden (Stichwort: „Neigungsolympiade“) und es sollte eine Absicherung für die Verarbeiter in Form einer Systemprüfung oder Ähnlichem geben.

Warum versagen Bahnen im Laufe der Zeit?

Es gibt hier leider aus der Wissenschaft und herstellerseitig keine fundierten Aussagen. Es liegt nur nahe, dass das Versagen hauptsächlich an folgenden Einflüssen liegt:

  • UV-Belastung (hauptsächlich aus der Freibewitterungszeit, aber auch in der Nutzungsphase durch Fugen in der Eindeckung hindurch)
  • Temperaturbelastung
  • (ungeplante) Wasserbelastung durch dauernde teilweise Ableitung von Niederschlagswasser (flache Dachneigungen) und damit einhergehende Oxidation

Welche Bahnen funktionieren und welche nicht?

Das lässt sich aufgrund der breiten Einflüsse auf ein Versagen nicht einfach feststellen. Tendenziell ist bei qualitativ höherwertigen Bahnen die Wahrscheinlichkeit des Versagens geringer. Ein besserer (UV-)Schutz des Funktionsfilms (unabhängig ob mikroporös oder monolithisch) durch stärkere Decklagen wirkt sich ebenfalls positiv aus, wobei alleine eine höhere Grammatur der Bahn nicht automatisch auf die Gesamtqualität schließen lässt. Eine freiwillige Garantie des Herstellers inklusive aller Folgekosten wäre ebenfalls ein positives Indiz und würde im Fall des Falles zumindest monetäre Absicherung bieten.

Was wird jetzt unternommen?

Es herrschte in jüngster Vergangenheit eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema innerhalb der Normungsgremien. Dadurch ist man zu folgender, zweigeteilter Lösung gekommen: Nachdem bekannt ist, dass die Materialnorm ÖNORM B 3661 keine ausreichende Garantie für das Funktionieren der Unterdachbahnen bietet, sollte diese einer Überarbeitung zugeführt werden. Es wurde Ende August vom zuständigen Normungskomitee dennoch die ersatzlose und sofortige Zurückziehung der Norm beschlossen. Somit wurde diese per 1. September 2023 außer Kraft gesetzt. Nachdem die ÖNORM B 4119 aber statisch auf Tabellen aus der Version 2017 verweist, haben diese Verweise aktuell noch Gültigkeit und es können somit normgemäße Unterdächer hergestellt werden.

Hierzu wird auf das Informationsschreiben der Bundesinnungen Holzbau, Dachdecker und Spengler verwiesen.

Parallel dazu ist das Überarbeiten der ÖNORM B 4119 geplant und der Projektantrag hierzu bereits im Laufen. Ziel dieser Überarbeitung soll eine Zweiteilung der Norm in

  • die reine Verlegung von (Einzel-)Komponenten gem. den entsprechenden Materialnormen
  • oder die Herstellung bzw. Verlegung eines Unterdachsystems gem. ÖNORM B 4119 sein.

Die Verlegung von Komponenten unterscheidet sich im Prinzip nicht von der bisherigen Vorgehensweise.

Die Herstellung bzw. Verlegung eines Unterdachsystems gem. ÖNORM B 4119 stellt eine Neuerung dar und soll folgende Vorteile bieten:

  • Es gibt keine EN (hEN) für Unterdachsysteme, somit sind wir bei der Qualitätsdefinition in Österreich frei und können die Kriterien festlegen.
  • für den Verarbeiter gibt es die Sicherheit eines Gesamtsystems und die Möglichkeit, dem Auftraggeber beide möglichen Varianten (Komponenten oder System) vorzuschlagen.

Zusammenfassung und Schlussworte

Das Thema ist mittlerweile bekannt und es wird entsprechend darauf reagiert. Sehr wichtig für alle Anwender sind aktuell die Maßnahmen aus dem Informationsschreiben der Bundesinnungen. Hier darf ich insbesondere nochmals auf die aktive Wahrnehmung der Prüf- und Warnpflicht hinweisen! Es können aktuell nach wie vor Unterdächer gemäß ÖNORM B 4119 hergestellt werden.

Die Aufarbeitung des Themas hat mit dem Projekt PuPURA begonnen und wird durch das aktive Weiterverfolgen der Thematik in der Gruppe UNTER-D-A-CH und in den entsprechenden Normungsgremien fortgesetzt. Der in der neuen ÖNORM B 4119 geplante Ansatz des Unterdachsystems würde in jedem Fall eine Verbesserung der aktuellen Situation für die Verleger bedeuten