Hotelbau sticht in See

Ein Artikel von Birgit Gruber | 08.08.2019 - 13:54
Jakarta_1_DerixGruppe_PeterLeenders.jpg

Absoluter Hingucker des Luxustempels ist das über fünf Geschosse reichende, weitläufige Atrium mit subtropischer Vegetation und riesigen Palmen. © Derix Gruppe | Peter Leenders

Jakarta_6_DerixGruppe_PeterLeenders.jpg

© Derix Gruppe | Peter Leenders

Das östliche Hafengebiet von Amsterdam besteht aus einer Reihe von künstlichen Inseln und Halbinseln – zwei davon, nämlich Java Eiland und Borneo Isle, sind nach Inseln in Indonesien benannt, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegt wurden. Als der einst florierende Hafen Ende der 1970er-Jahre durch die Auslagerung der Hafenaktivitäten seine Funktion verlor und zu Brachland wurde, entschied sich die Stadtverwaltung, das Gebiet zum Wohnviertel umzufunktionieren. Die Flächen waren aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zum Stadtzentrum ideal. Der Realisierung ging jedoch ein langwieriger planerischer und politischer Prozess voraus, da man sich über die Art der Bebauung längere Zeit nicht einigen konnte. Erst Anfang der 1990er-Jahre erkannte man den Charme und das Potenzial dieser Gegend und entschied sich für einen vollständigen Erhalt der bestehenden Hafenanlage. Auf den ehemaligen Docks sind drei sehr unterschiedliche städtebauliche Ensembles entstanden, in denen Wasserflächen den Grünraum ersetzen. Alle denkbaren Typologien sind dort vertreten. Es reiht sich Haus an Haus und die enge Bebauungsstruktur bildet ein kompaktes Neubaugebiet. Betrachtet man ältere Luftaufnahmen, befindet sich jedoch an der Spitze von Java eine unbebaute Fläche.

Einzigartiges Hotelkonzept

Jakarta_2_SeARCH.jpg

Der Entwurf stammt vom Amsterdamer Architekturbüro SeARCH und setzt auf Holz und Glas. © SeARCH

Erst im Vorjahr eröffnete dort das Vier-Sterne-Hotel Jakarta der WestCord-Hotelgruppe. Angesichts der prominenten Lage wünschte der Stadtrat ein einzigartiges Hotelkonzept, das in Bezug auf Architektur und Nachhaltigkeit keine Abstriche macht. Das Amsterdamer Architekturbüro SeARCH entwarf ein helles, offenes Gebäude mit viel Holz und Glas. Der Hybridbau mit 176 Holzmodulen ist im Grundriss ähnlich wie ein Tortenstück geformt und läuft im Westen spitz zusammen. Das Gebäude ist mit neun Stockwerken dort am höchsten, während der breitere Teil des Hotels über fünf Geschosse verfügt. Eine gläserne Fassade verbindet die unterschiedlichen Abschnitte und bietet einen atemberaubenden Blick über die Bucht und den IJ-Fluss. Herzstück der Nobelherberge ist ein Atrium mit subtropischem Garten.

Zwölf Module an einem Tag montiert

Oberhalb eines Sockelgeschosses aus Stahlbeton ist das Gebäude aus vorgefertigten Modulen in Massivholzbauweise errichtet, die gestapelt wurden. „Für das Projekt haben wir Bauteile aus 2100 m3 Brettsperrholz hergestellt”, berichtet Markus Derix, geschäftsführender Gesellschafter der Derix-Gruppe. „Die Produktion der Wand- und Deckenelemente sowie der gesamte Abbund und die Ausfräsungen aller für die Verbindungsmittel, die Installations- und Entwässerungsleitungen notwendigen Löcher erfolgte im Werk in Niederkrüchten.” Die Brettsperrholzplatten wurden anschließend ins niederländische Wognum transportiert, wo sie im Werk der Modulbaufirma Ursem Modulaire Bouwsysteme zu den fertigen Raummodulen mit allen ­Installationen zusammengebaut wurden. Vor Ort mussten die 176 Holzmodule nur noch zusammengesetzt werden. „Insgesamt konnten zwölf Module an einem Tag montiert werden, was zu einer schnellen Bauzeit beitrug. Aufgrund der Vorfertigung konnten die Arbeiten bei jeder Witterung durchgeführt werden. Die Wände und Decken haben wir mit Weißtanne veredelt und auf Sicht belassen.“ Die restlichen 25 der insgesamt 201 Hotelzimmer mussten vor Ort gebaut und auf die speziellen Gegebenheiten abgestimmt werden.

Jakarta_3_DerixGruppe_PeterLeenders.jpg

Der zentrale Platz des hellen Atriums  wird von Laubengängen umrahmt, welche die Gästezimmer erschließen. Brettschichtholzträger aus Fichte stützen die Dachkonstruktion. © Derix Gruppe | Peter Leenders

Jakarta_5_DerixGruppe_PeterLeenders.jpg

© Derix Gruppe | Peter Leenders

Die Böden der 30 m² großen Raummodule bestehen aus vorgefertigten Stahlbetonplatten mit Betonkernaktivierung zum Heizen und Kühlen der Zimmer. Auf die Bodenplatten wurden die 14 cm dicken, fünfschichtigen BSP-Platten der Wände montiert. Für die Zimmerdecken kamen ebenfalls fünfschichtige, allerdings nur 10 cm dicke Elemente zum Einsatz. An jedes Zimmer schließt eine kleine Loggia an, die Wind und Lärm abschirmen soll und gleichzeitig als Sonnenschutz dient. „Einzigartig in den Niederlanden ist die 30 m hohe tragende Holzkonstruktion. Alle Balken, Stützen, Decken und Fensterrahmen sind aus Natur-, FSC- oder PEFC-zertifiziertem Holz gefertigt. Die Brettsperrholzplatten sind aus Fichtenholz, die Sichtflächen bestehen aus 550 m3 Weißtanne. Die Oberflächen sind mit einer farblosen Holzlasur behandelt. Die Böden, Wand- und Deckenverkleidungen in den öffentlichen Bereichen sind mit Bambus ausgestattet“, ergänzt SeARCH-Architektin Chrysanthi Karakasi. Neben dem nordseitigen Eingang des Hotels verfügen alle öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss, wie Restaurant oder Bar, über einen eigenen Zugang. Absoluter Hingucker des Luxustempels ist allerdings das über fünf Geschosse reichende, weitläufige Atrium mit subtropischer Vegetation und riesigen Palmen. Es hilft außerdem, die Temperatur im Hotel sowohl im Sommer als auch Winter zu regeln. Der zentrale Platz wird von Laubengängen umrahmt, welche die Gästezimmer erschließen. „An der Spitze des Gebäudes befindet sich die voll verglaste Skybar mit einem Außenradius von nur 60 cm. Brettschichtholz-Träger aus Fichtenholz tragen die Dachkonstruktion des Atriums. Diese liegen direkt auf den Modulen der Hotelzimmer auf, wobei der Hauptträger in Längsrichtung zusätzlich unterspannt wurde“, so Karakasi.

Nachhaltiges Gebäudekonzept

Jakarta_4_DerixGruppe_PeterLeenders.jpg

An der Spitze des Gebäudes  befindet sich die voll verglaste Skybar mit einem minimalen Außenradius von nur 60 cm. © Derix Gruppe | Peter Leenders

Das klimaneutrale Gebäude ist Breeam-Excellent zertifiziert. Ein Regenwassersammelbecken stellt das Wasser für Pflanzen im überdachten Innenhof bereit. Für die Strom- und Warmwasserversorgung sind PV-Elemente in die Glasfassade integriert. „Die Süd- und Ostfassaden des Hotels sind mit gebäudeintegrierter Photovoltaik (BIPV-Module) verkleidet. Die 350 PV-Module – insgesamt über 700 m2 – konnten vollständig in das Loggia-Design eingearbeitet werden. Auf dem Glasdach des Atriums befinden sich ebenfalls BIPV-Zellen, die gleichzeitig Energie sammeln und als Sonnenschutz für den subtropischen Innengarten dienen. Auf eine Klimaanlage konnte so verzichtet werden. Erdwärme dient uns als weitere Energiequelle“, erklärt die SeARCH Architektin.

Projektdaten

Standort: Amsterdam
Fertigstellung: 2018
Bauherrschaft: WestCord Hotels
Architektur: SeARCH architecture and urban planning
Generalunternehmer: Bouwbedrijf M. J. de Nijs & Zonen
Holzbau/Modulbau:  Derix-Gruppe
                                    Ursem Modulaire Bouwsystemen
Tragwerksplanung: Pieters Bouwtechniek
Holzmenge: 2100 m3 BSP; 550 m3  Weißtanne
Nutzfläche: 16.500 m2
Baukosten: 40 Mio. €

Quelle: SeARCH