Bewährtes Prinzip neu verbaut

Ein Artikel von Raphael Zeman | 29.09.2020 - 09:04
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Das neue Bürogebäude in Dornbirn besticht mit schlichter Optik. © Bruno Klomfar

Da das Bürogebäude, in dem sich die Hauptsitze von Johannes Kaufmann Architektur und merz kley partner befanden, bereits aus allen Nähten platzte, überlegte das Holzbauduo, wie und wo man wohl eine Alternative schaffen könnte. Dabei reichte ein Blick aus dem Fenster, denn der Parkplatz vor dem Bestandsbau bot sich geradezu für eine Nachverdichtung an. Um die vorhandenen Stellplätze zu erhalten, dachte man zuerst an eine aufgeständerte Variante. Schnell aber wurde klar, dass man die Erdgeschosszone als Nutzfläche sowie zusätzliche Parkplätze brauchen würde. Die Lösung: eine neue Tiefgarage, auf der sich ein Fünfgeschosser, bestehend aus Brettsperrholz, Holzrahmenelementen und BauBuche, erhebt.

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Die Räumlichkeiten von Johannes Kaufmann Architektur sind als durchgängiges Großraumbüro gestaltet. Der dunkel gehaltene BauBuche-Unterzug samt -Stützen und die hellen Außenwände sorgen für interessante Akzente. © Bruno Klomfar

Rahmenbedingungen implizierten Holzbau

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Der Erhalt der Rotbuche war den Planern ein großes Anliegen. © Bruno Klomfar

Eines stand von Anfang an fest: Es muss ein Holzbau werden. Nicht nur, weil der Bauherr und anschließende Vermieter F.M. Hämmerle eine funktionelle ökonomische Gesamtlösung und nachhaltige Bauweise forderte, sondern auch, weil sich alle derzeitigen Mieter des Gebäudes mit Holzbau beschäftigen. Form und Ausgestaltung des Neubaus sollten dabei die Vorteile des Bestands aufgreifen, der über die Jahre hinweg von der Textilindustrie bis zum Schulbetrieb verschiedene Nutzungen beherbergte. „Wir haben uns auf Simplizität konzentriert und einen neuen Zwilling mit den positiven Eigenschaften des alten errichtet“, erklärt Johannes Kaufmann, Gründer des gleichnamigen Architekturbüros, und führt aus: „Ein Stützenraster, auf die damaligen Möglichkeiten von Spannweite und Handwerk abgestimmt, und eine Lochfassade mit üblichen Industrieverglasungen zeugen von intelligenten Strukturen, die alleine schon durch ihre Langlebigkeit sehr nachhaltig sind. Nebenbei sind diese Gebäude auch noch schön und setzen wichtige Akzente im Stadtraum.“ All diese Eigenschaften habe man im Neubau aufgegriffen. „Wir brauchen keine akrobatischen Details, sondern haben das Projekt bewusst einfach und unkompliziert gehalten“, betont Kaufmann die Herangehensweise. Von der Tiefgaragendecke aufwärts ist der Fünfgeschosser an der Dornbirner Sägerstraße mitsamt Stiegenhaus und Liftschacht komplett in Holz konstruiert. Die Außenwände setzte man in Form von gedämmten Holzrahmenelementen mit integrierten, über alle Geschosse lastabtragenden BauBuche-Stützen und -Unterzügen um. In der Längsachse verläuft mittig ebenfalls ein solcher Unterzug samt Stützen. Die Deckenscheiben, bestehend aus sichtbar belassenen Brettsperrholz (BSP)-Platten, leiten ihre Lasten über eine Verzahnung in die BSP-Wandscheiben ab. Für die vertikale Lastabtragung sorgen die BauBuche-Stützen, die Stirnholz auf Stirnholz verbunden sind.

„Wir brauchen keine akrobatischen Details, sondern haben das Projekt bewusst einfach und unkompliziert gehalten.“


Johannes Kaufmann, Architekt

„Arbeiten in der Baumkrone“

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Großzügige Verglasungen nach Südosten ermöglichen einen Blick auf die Rotbuche beziehungsweise den Bestandsbau, in dem sich vormals die Niederlassungen der beiden Büros befanden. © Bruno Klomfar

Der Neubau wurde unter Rücksichtnahme auf den erhaltenswerten Baumbestand in Form einer ehrwürdigen Rotbuche am Standort positioniert und schließt das Ensemble rund um den zentralen Stellplatz ab. Straßenseitig wurde der Gehsteig verbreitert, mit einer Betonsitzmauer gesäumt und so an den Bürobau herangeführt. Die Erdgeschosszone ist großzügig verglast, die Lochfassade mit rhythmisch gegliederten, 2 x 2 m messenden Fixverglasungen an den Bestand angepasst. Die Obergeschosse sind so konzipiert, dass sie sowohl als Gesamtfläche mit einem Zugang, oder auch als geteilte Fläche mit innen liegendem Flur genutzt werden können. Die Gestaltungsfreiheit war den Planern wichtig, was sich auch an den jeweiligen Büros bemerkbar macht. Während bei den Tragwerksplanern von merz kley partner ein Zusammenspiel von Großraum- und Einzelbüros den Innenraum prägt, hat man bei Johannes Kaufmann Architektur überwiegend auf Zwischenwände verzichtet. Nach Südosten hin ermöglichen großflächige Fensteröffnungen ein „Arbeiten in der Baumkrone“ der Rotbuche.

Brandschutz war größte Herausforderung

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Das Stiegenhaus ist ebenso wie der Liftschacht in Holzbauweise mit einer K30-Kapselung ausgeführt. Einzig die Stiegenläufe bestehen aus Betonfertigteilen. © Bruno Klomfar

„Da wir uns hier in der Gebäudeklasse 5 bewegen, wäre das Treppenhaus eigentlich in der Feuerwiderstandsklasse REI 90 und A2, also nicht brennbar, auszuführen“, erklärt Kaufmann. Allerdings konnte man sich mit den Behörden darauf einigen, auch das Treppenhaus und den Liftschacht in Holzbauweise, dafür aber mit einer K30-Kapselung, zu bauen. Die Deckenkonstruktionen wurden in REI-90 ausgeführt, die Tragkonstruktion entspricht der Feuerwiderstandsklasse R90. An der grau lasierten, hinterlüfteten Fassade verhindern Blechschürzen einen potenziellen Brandüberschlag, auch die außenliegenden Stützen im Erdgeschoss sind dunkel verblecht und komplettieren so das Erscheinungsbild. Geheizt wird das an ein Biomasse-Heizkraftwerk angeschlossene Gebäude mittels eines Fußbodenleitungsnetzes, das im Sommer auch zur Grundlastkühlung verwendet wird. Auf eine Lüftungsanlage wurde verzichtet, stattdessen ermöglichen durch eine außenliegende Lochblechverkleidung witterungsgeschützte Flügel an den Gebäudelängsseiten eine natürliche Querlüftung. „Wir fühlen uns hier sehr wohl. Der große Unterschied neben dem Platzangebot ist das angenehme Raumklima im Sommer. Konsequentes Querlüften bei Nacht sorgt auch bei heißen Außentemperaturen für eine gesunde Arbeitsatmosphäre im Inneren“, zeigt sich Konrad Merz, Gründer von merz kley partner, sichtlich zufrieden.

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Beim Neubau griff man den Stützenraster sowie die Lochfassade des Bestands auf und hielt das Projekt bewusst simpel. © Bruno Klomfar

Das Streben nach einem möglichst nachhaltigen Gebäude bezeugt nicht nur die Bauweise inklusive vorgefertigter Tragkonstruktion und Stiegenhaus, sondern auch der Einsatz von Holz aus den Wäldern der Bauherren für die Fassade. Dazu lieferte man den Baustoff aus dem nahegelegenen Wald an das nur 500 m vom Bauplatz entfernte Sägewerk. Von dort ging es zur weiteren Verarbeitung an den benachbarten Zimmereibetrieb beziehungsweise das Hobelwerk. Für die Fassade ungeeignetes Schnittholz fand in Unterkonstruktion und Lattung eine Anwendung. Auch die übrigen Holzabfälle wurden quasi dem Gesamtkreislauf zugeführt: Man lieferte sie an das benachbarte Biomasse-Heizkraftwerk.

Projektdaten

Standort: Dornbirn
Bauherrschaft: F.M. Hämmerle Holding AG
Fertigstellung: 2019
Bauzeit: März 2019 bis Dezember 2019
Architektur: Johannes Kaufmann GmbH
Tragwerksplanung: merz kley partner GmbH
Holzbau: Fussenegger Holzbau GmbH
Holzmenge: 500 m3 BSP, 30 m3 BauBuche, 60 m3 KVH
Nutzfläche inkl. Tiefgarage: 2500 m²