Mit Leichtigkeit auf Tradition gebaut

Ein Artikel von Birgit Gruber | 26.02.2024 - 09:04
holzius_Hotel La Briosa_Barbara Corsico_02_4c.jpg

Das Hotel „La Briosa“ wurde im Vorjahr mit dem „Wood Architecture Prize“ ausgezeichnet. © Barbara Corsico

Die D‘Onofrios sind seit Jahrzehnten im Hotelgewerbe tätig und damit auch stark mit der historischen Stadt Bozen in Südtirol verwurzelt. Hannelore und Francesco D’Onofrio hatten in der Vergangenheit bereits die Hotels Alpi und Città in der Innenstadt geführt. Vater Francesco mit seiner großen Erfahrung ist das Familienoberhaupt. „Mein Bruder Fabio war schon in ganz Europa unterwegs und hat dort in diversen Hotels gearbeitet. Mein Vater weiß immer genau, was der Gast braucht, und sieht alles. Er hat den geschärften Blick fürs Detail“, erzählt Sandra D’Onofrio. Gemeinsam wird die Gastlichkeit ganz großgeschrieben. Dahinter stecken viel Lebensfreude und Enthusiasmus, gewürzt mit ein wenig Verspieltheit. „Gastlichkeit bedeutet für mich nicht nur hochwertigen Service, sondern auch, sich Zeit für ein ‘Ratscherle’ zu nehmen, Tipps für den Aufenthalt in der Stadt zu geben und auf jeden Fall immer ein Lächeln parat zu haben“, ist sich D’Onofrio sicher. Mit ihrem jüngsten Hotelzuwachs, dem „La Briosa“ in der Kapuzinergasse 12, hat sich die Familie einen langgehegten Traum erfüllt: „Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Wohnhaus. Als wir dann dieses 100 Jahre alte Juwel gefunden haben, war für Fabio und mich sofort klar, es in einen kleinen, aber feinen Betrieb inklusive zweier Einliegerwohnungen zu verwandeln.“

holzius_Hotel La Briosa_Barbara Corsico_07_4c.jpg

Gelungene Gastlichkeit Holz spielt auch im Eingangsbereich und der Lobby auf innovative Weise die Hauptrolle. Dort werden die Gäste immer mit einem Lächeln begrüßt. © Barbara Corsico

Wir wissen, aus welchem Wald das holz stammt. Und Zusätzlich hat der Zeitpunkt des Schlagens einen positiven Einfluss auf die Resistenz des Holzes.

Foto_Bauherrn_1c.jpg
Bauherrenfamilie D‘Onofrio
© Gabriele Paris

Ein Haus im Sinne der Nachhaltigkeit

Copyright Gabriele Paris-LaBriosa-0001_4c.jpg

Volle Energie am Dach: Neben einer begrünten Fassade und einer Photovoltaikanlage befindet sich auch die gesamte Haustechnik am Dach des Hotels und bleibt für den Gast so unsichtbar. © Barbara Corsico

Noch bevor es an den Umbau ging, machte man sich auf die Suche nach einem Namen, der die Marke repräsentiert. „La Briosa“ steht für die Enthusiastische, die Farbenfrohe, die Lustige, die Verspielte. „Der Begriff kommt eigentlich aus der Musik, wo er für beschwingtes Spielen von Partituren steht. Er passt perfekt zu uns, soll aber auch die Leichtigkeit des Baustoffes Holz ausdrücken, aus dem unser Haus errichtet wurde“, erklärt die Bauherrin. Spannend am Projekt war auch, die Ideen zweier Generationen unter einen Hut zu bringen sowie Tradition und jahrzehntelange Erfahrung mit einem neugierigen Blick in die Zukunft zu verschmelzen. Ein Haus im Sinne echter Nachhaltigkeit sollte entstehen. Deshalb wurde mit vielen natürlich wertvollen Materialien und Techniken gearbeitet.

Das zertifizierte Südtiroler Mondholz

holzius_Hotel La Briosa_Barbara Corsico_06_4c.jpg

Zeit für ein Frühstück: Die Wände sind mit Kastanienholz verkleidet und sorgen für ein tolles Raumgefühl. © Barbara Corsico

Das Planungsteam bestand aus Projektmanager Armin Strickner, alias „Tiftla“, sowie den Architekten Felix Perasso und Daniel Tolpeit. Mit Strickner verbindet die Familie eine jahrelange Freundschaft. Der ehemalige Schreiner war es auch, der zertifiziertes Südtiroler Mondholz als Baustoff für das Gebäude ins Spiel brachte. „Der Zeitpunkt des Schlagens hat einen positiven Einfluss auf die Resistenz des Holzes. Ein Haus aus Mondholz ist also für die Ewigkeit gebaut“, freut sich D’Onofrio. Das Thema habe die Familie sofort fasziniert, da man genau wusste, aus welchem Wald das Holz stammt. Unterstützend lag zu dieser Zeit eine Lektüre vom österreichischen Mondholz-Experten Dr. Erwin Thoma am Nachtkästchen. Obwohl dies die erste Berührung der D’Onofrios mit Holz war, setzte man gleich das erste fünfstöckige Holzhotel in Bozen um. Bislang ist man stolz auf dieses Alleinstellungsmerkmal.

Holz schont mehr als 100 Jahre alte Bausubstanz

holzius_Hotel La Briosa_(c)Barbara Corsico_11_4c.jpg

Beliebter Platz: Die runden Sitznischen beim Eingang werden von den Gästen sehr gerne genutzt. © Barbara Corsico

Zudem kann der mehrstöckige Holzbau als mutige und innovative architektonische Interpretation im historischen Kontext verstanden werden. Die Geschoße zwei bis fünf erheben sich über dem ursprünglichen und wiederhergestellten Sockel des Altbaus. Genau darin bestand eine der konstruktiven Herausforderungen, denn die werksseitig millimetergenau vorgefertigten Vollholzelemente von holzius aus Prad am Stilfserjoch mussten präzise an historischen Baubestand angepasst werden. Aufgrund des vergleichsweise geringen Gesamtgewichts von Holz kam man dabei ohne die Installation weiterer vor- oder nachgespannter Strukturen aus. Für die Fertigung der Wand-, Decken- und Dachelemente interpretierte holzius eine uralte Holzverbindungstechnik neu. „Bei den Wandelementen werden die Bohlen in Wuchsrichtung verbaut und mit einer Gratleiste in Schwalbenschwanzform miteinander verbunden. Für die Decken- und Dachelemente werden die aneinandergereihten Holzbalken mit einer mehrfachen Nut- und Kammverbindung verkämmt und mit Schrauben aus Buchenholz zu einem formstabilen Vollholzelement verbunden“, informiert das Unternehmen. Die Außenwände des Hotels sind mit 180 mm, die Innenwände mit 120 mm starken Elementen ausgeführt. Für die Decken und Böden des Gebäudes kamen 120 und 200 mm starke Deckenelemente zum Einsatz. Die Dachplatte der intensiv begrünten Terrasse mit schräger Pflanzenfassade, zusätzlich durch die Haustechnik und eine PV-Anlage belastet, ist in 240 mm Stärke ausgeführt.

Selten erlebt man so starke Wertvorstellungen hinsichtlich Nachhaltigkeit wie bei der Familie D’Onofrio. Das macht derartige Projekte auch viel authentischer.

Architekt Felix Perasso.jpg
Architekt Felix Perasso

Natürliches Raum- und Wohnklima

Das konstruktiv verarbeitete Holz ist nach außen hin nicht sichtbar, spielt aber „hinter den Kulissen“ seine Stärken voll aus. Die Fassade des Hotels präsentiert sich farbenfroh mit Steinmauerwerk und rotem Putz. Das Rot sowie die Körnung des Putzes verändern sich nach oben hin. „Wir wollten ein Bauwerk erschaffen, das Charakter zeigt, lebhaft ist, gleichzeitig aber nicht aufdringlich wirkt. Es sollte sich in die Kapuzinergasse mit dem Kloster und seinen Terrakotta-Ziegeln gut einfügen und in seiner Form die Umgebung aufnehmen“, berichtet Architekt Felix Perasso, der seit 2019 sein Büro in Innsbruck leitet. Zuvor hat er mehrere Jahre für international tätige Büros  gearbeitet, doch dabei die Nähe zum lokalen Handwerk vermisst. Sein Fokus liegt auf ressourcenschonendem, ländlichem Bauen sowie auf städtebaulichen Projekten im Sinne von Dorf- und Freiflächengestaltungen. „La Briosa“ zählt zu seinen ersten Planungsaufgaben: „Selten erlebt man so starke Wertvorstellungen hinsichtlich Nachhaltigkeit wie bei der Familie D’Onofrio. Das macht derartige Projekte auch viel authentischer. Das Wohlbefinden und der Komfort des Gastes standen immer im Fokus. Höchste akustische Ansprüche sind dabei natürlich ein Muss“, weiß Perasso. In den 17 Zimmern des Hotels sorgen unbehandeltes, offenporiges Kastanien- und Fichtenholz, Lehmputz und venezianischer Terrazzoboden auf Kalkbasis für ein ausgeglichenes Raumklima.

hotel_la_briosa_-_plane_archatlas_09_1c.jpg

Die Wohnungen für die Familie befinden sich im vierten und fünften Stockwerk. © Felix Perasso

Holz spielt auch im Eingangsbereich und der Lobby auf innovative und aufwändig ausgeführte Weise die Hauptrolle. „Viele Gäste schätzen es, in einer der runden Wandnischen am Eingang zu sitzen. Dort spürt man die Heimeligkeit des Holzes“, ergänzt D’Onofrio. Der Bogen, ein traditionelles Element der Bozner Architektur, durchzieht die ganze Struktur und wird zum Teil neu interpretiert. Auch in den Zimmern wird mit diesem Element gespielt. „Die Rundbögen waren schon im bestehenden Gebäude enthalten. Im Erdgeschoß wurden diese rekonstruiert und in den oberen Stockwerken mit den Fenstern fortgeführt“, erzählt Perasso, der sich über die gelungene Symbiose traditioneller alpiner Herstellungstechniken und moderner, digitaler Fabrikation in Bezug auf die Holzelemente freut. „Wir haben unsere Projektpartner mit viel Bedacht ausgewählt, um unseren Traum gemeinsam und auf Augenhöhe zu erarbeiten. Während der gesamten Bauzeit haben wir mit allen Beteiligten einen sehr guten Kontakt gepflegt und uns immer wieder über Wünsche oder Ideen ausgetauscht. Ich denke, das merkt man auch am Ergebnis“, freut sich die Bauherrin.

Projektdaten

Standort: Bozen, Südtirol
Fertigstellung: März 2023
Bauherr: Familie D’Onofrio
Projektmanagement: Armin Strickner
Architektur: Felix Perasso Innsbruck (Entwurfsplanung, Interieurplanung), Daniel Tolpeit (Einreichplanung)
Statik, Sicherheit, Bauleitung, Ausführungsplanung Holzbau: Engineering Works (Stefano Moravi)
Holzbau: Pechlaner Nikolaus & Urban
Systemlieferant: holzius
Holzmengen: 165 m3 Wandelemente, 175 m3 Decken- und Dachelemente
Nutzfläche: 1275 m2 Hotel, 220 m2, aufgeteilt auf zwei Privatwohnungen