So soll die Klinik Arlesheim nach ihrer Eröffnung Anfang 2027 aussehen. © ARGE 9grad architektur + BSS Architekten
Die Klinik Arlesheim ist ein Akutspital mit großer Ambulanz und bietet in den Bereichen Innere Medizin, Onkologie und Psychiatrie stationäre Behandlungen an. Das ganzheitliche Konzept der integrativen Medizin umfasst schulmedizinische und anthroposophische Therapieverfahren, ganzheitliche Pflegeanwendungen, Heileurythmie und künstlerische Therapien. Darüber hinaus werden hier seit über 100 Jahren eigene Heilmittel fast ausschließlich in Handarbeit hergestellt. Mittlerweile umfasst das Angebot rund 600 Heilmittel sowie zahlreiche Pflegeprodukte, die großteils mit Pflanzen aus dem klinikeigenen Garten produziert werden.
Nun wird der in die Jahre gekommene Gebäudebestand modernisiert. In einem ersten Schritt errichtete man ein neues Heilmittellabor, das 2023 fertiggestellt wurde. Das neue Spitalgebäude befindet sich derzeit in Bau und wird Anfang 2027 eröffnet.
Internationale Zusammenarbeit
Die beiden Neubauten sind das Ergebnis einer internationalen Planungskooperation. Während 9grad architektur aus den Niederlanden primär für das – anthroposophische und organische – Design verantwortlich zeichnet, kümmert sich das Schweizer Büro BSS Architekten vor allem um die erfolgreiche Umsetzung. MedPlan Engineering wiederum hat als Spital- und Medizintechnikplaner gemeinsam mit den Nutzern die optimalen Prozesse sowie die medizinische Ausstattung der Klinik erarbeitet. Durch die unterschiedlichen spezifischen Fachkenntnisse gelang es der Arbeitsgemeinschaft, differenzierte Problemanalysen, kreative Lösungsansätze und schlussendlich einen intelligenten und zeitgemäßen Entwurf zu erstellen.
Anthroposophische und Heilende Architektur
Dabei folgte das Planungsteam dem Ansatz der Anthroposophischen Architektur. Diese stellt die Gesundheit und Vitalität des Menschen in den Mittelpunkt und soll das Bewusstsein für im eigenen Körper wirkende Gesundheitsphänomene fördern. Der ästhetische und gesundheitsfördernde Gestaltungsansatz legt dabei großen Wert auf ausgewogene Proportionen, die Balance zwischen Polaritäten, die Abstimmung von Innen und Außen, von Detail und Gesamtheit.
Das Prinzip der Heilenden Architektur kam beim Gestaltungsprozess ebenso zum Einsatz. Dabei wird davon ausgegangen, dass Gebäude positiven Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben. Im Entwurfsprozess wurde gemeinsam das Bewusstsein dafür geschärft, ein Gebäude zu errichten, das die Lebenskräfte unterstützt, beim Stressabbau hilft und Ruhe ausstrahlt. Infolgedessen setzten sich die Planer intensiv mit Themen wie Akustik, Optik, Material, Geruch, Tageslicht, Farbe und Orientierung auseinander. Die Wegeführung ist beispielsweise so gelegt, dass sich in Blickrichtung der wesentlichen Achsen Fenster befinden, die einen Bezug zum Außen herstellen und so beim Orientieren helfen.
Das von unten nach oben verlaufende Farbkonzept wiederum erzählt eine eigene Geschichte. Im Erdgeschoß nehmen Grüntöne Bezug auf den umgebenden Park. Nach oben hin werden die Farben dann immer wärmer, bis dann im obersten Geschoß Orangetöne Wärme und das Gefühl einer schützenden Umgebung vermitteln.
Massivholzbauweise war Wunsch des Bauherren
Rund 246 m³ leimfreies Dübelholz schaffen eine Wohlfühlatmosphäre, die den Patienten beim Genesen helfen soll. © ARGE 9grad architektur + BSS Architekten
Beide Gebäude werden – bis auf die Keller, Sockelgeschoße und Erschließungskerne – vollständig mit dem Massivholzbausystem Holz100 errichtet. Dabei werden die Elemente mit Holzdübeln verbunden, auf Leim, Metall, Chemie und Holzschutzmittel wird verzichtet. Die Konstruktionsweise war aufgrund ihrer gesundheitsfördernden, ökologischen und ästhetischen Eigenschaften ein klarer Wunsch des Bauherrn. Für Holz100 wird ausschließlich Mondholz verwendet. Dieses wird bei abnehmendem beziehungsweise Neumond im Winter geschlägert, da in dieser Jahreszeit der Flüssigkeitstransport im Baum geringer ist. Deshalb sei das Holz dichter, dauerhafter und widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen.
Insgesamt kamen rund 246 m3 leimfreies Dübelholz in Fichte und Tanne aus den Sägewerken von Holz100 Schweiz (Thoma Holz) zum Einsatz. In den Außenwänden wurde 25 cm-, in den Innenwänden 14 cm- und in den Holz-Beton-Verbunddecken 21,5 cm-Dübelholz verbaut.
Die Stützen sind aus gewachsenem Holz, der flexible Wandaufbau besteht aus verdübelten Einzelelementen und kann somit den bei Erdbeben auftretenden Horizontalbeschleunigungen gut entgegenwirken. Die Fassade wurde mit Holzweichfaserplatten gedämmt, und konsequenterweise Holzfenster verbaut. Die Fassade besteht aus 24 mm Lärchenschalung (unbehandelt), die Bretter können im Sockelbereich demontiert werden.
Fünf Aspekte der Nachhaltigkeit
Generell stellte die Bauherrschaft einen hohen Nachhaltigkeitsanspruch an das Projekt. So wurden in einem interaktiven Prozess fünf zentrale Nachhaltigkeitsthemen mit baubiologischen Schwerpunkten erarbeitet. Erstens entschied man sich für natürliche, unverfälschte Materialien und nachwachsende Rohstoffe mit positiver Umweltauswirkung. Diese sollen möglichst authentisch und wahrnehmbar – sprich in Sicht – verarbeitet werden. Als Zweites befand man die sensorische Wirkung des Gebäudes als entscheidend. Die Materialien sollen dementsprechend angenehm duften und frei von giftigen Dämpfen, Toxinen und Allergenen sein. Als dritten Aspekt wählte man die natürliche Feuchtigkeitsregulierung durch dampfdurchlässige Materialien wie Holz und Lehm.
Weiters war den Beteiligten der konsequente Einsatz erneuerbarer Energiequellen ein großes Anliegen. So wurden die Holz-Beton-Verbunddecken mit einer Bauteilaktivierung versehen. Dabei handelt es sich um ein Niedertemperatursystem, bei dem im Kern der Böden Rohre mit erwärmtem oder gekühltem Wasser verlegt wurden. Diese energiesparende Methode sorgt für ein angenehmes und behagliches Raumklima, dank Warmwasserspeichern muss bei geringem Wärmebedarf nicht die Heizung aktiviert werden. Zu guter Letzt war dem Team die lokale beziehungsweise regionale Herkunft der Rohstoffe ein Anliegen – auch deswegen fiel die Wahl auf Mondholz aus dem Schwarzwald.
Eine Klinik mit Vorbildwirkung
Im Zuge der Neubauten wurde auch der umgebende Park, auf den die Gebäude stark Bezug nehmen, neu gestaltet. © ARGE 9grad architektur + BSS Architekten
Durch die Minimierung des Energieverbrauchs und Nutzung von Solarenergie erreichen die Neubauten den Minergie P-Standard und speichern laut Architekten über 2000 t CO2. Der Umwelt ist in diesem Vorbildprojekt somit Rechnung getragen. Und dem Menschen? Die hellen, unbehandelten, chemiefreien Bauteile und Holzoberflächen wirken sich positiv auf die Stimmung und das Wohlbefinden aus, warme Farbtöne und viel Tageslicht schaffen Behaglichkeit. Wohldurchdachte Blick- und Raumkonzepte erzeugen ein Gefühl von Sicherheit.
All diese Faktoren tragen – gleich den natürlichen und großteils von Hand hergestellten Heilmitteln der Klinik Arlesheim – zur Genesung der Patienten bei. Bleibt zu hoffen, dass das Projekt auf viele Nachahmer stößt.