Nachkriegsquartier neu gedacht – mit BSP in die Zukunft

Ein Artikel von Birgit Gruber | 02.12.2025 - 12:40

Holz ist auf dem Weg, das Bauen in Europa nachhaltig zu verändern. Immer mehr Städte setzen auf den nachwachsenden Baustoff, um den Herausforderungen von Klimawandel, Wohnraummangel und Ressourcenschonung zu begegnen. Mit dem Projekt Valckensteyn in Rotterdam ist 2025 ein markantes Beispiel entstanden, das zeigt, dass mehrgeschoßiger Holzbau auch im Bereich leistbares Wohnen möglich ist. Das zwölfgeschoßige Gebäude mit einer Höhe von 40 m gilt als größter Holzbau für sozialen Wohnungsbau in den Niederlanden. Es bietet 82 Mietwohnungen und wurde von der Wohnbaugesellschaft Woonstad Rotterdam in Auftrag gegeben. Die Ausführung übernahm der Generalunternehmer Waal gemeinsam mit Linkwood.

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Schlichte Eleganz: Die zwölfstöckige Holzstruktur von Valckensteyn in Rotterdam kombiniert nachhaltige Bauweise mit sozialer Verantwortung. Die Fassade betont die natürliche Ästhetik und Nachhaltigkeit des Gebäudes. © Sebastian van Damme

Für den Entwurf zeichnete Powerhouse Company verantwortlich. Das preisgekrönte Architektur- und Designbüro mit Hauptsitz in Rotterdam und weiteren Niederlassungen in München, Oslo und Nairobi besteht aus einem interdisziplinären Team von über 100 Fachleuten. Unter der Leitung von Gründer Nanne de Ru und Partnern wie Stefan Prins, Sander Apperlo und Johanne Borthne verfolgt Powerhouse Company einen integrativen Designansatz, der Ästhetik, Funktionalität und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Besondere Aufmerksamkeit erlangte das Büro durch innovative Projekte wie das Floating Office Rotterdam, ein CO2-neutrales, energiepositives und vollständig rückbaubares Bürogebäude im Rotterdamer Rijnhaven. Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Global Center on Adaptation realisiert und dient als Paradebeispiel für nachhaltiges und zukunftsfähiges Bauen.

Architektur mit Verantwortung

Für das Projekt Valckensteyn brauchte es ein Architekturbüro, das sowohl innovative Bauweisen als auch soziale Verantwortung in Einklang bringen kann. Powerhouse Company erfüllte diese Anforderungen ideal: „Unser Wunsch nach einem Holzwohnbau wurde zu einem integrierten Entwurf entwickelt, der Nachhaltigkeit, Wohnkomfort und Naturverbundenheit vereint“, freut sich Robbert Groeneveld, Senior Projektleiter bei Woonstad Rotterdam.

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Die innenliegenden Wohnungstrennwände wurden als vorgefertigte Elemente geliefert. © Sebastian van Damme

Valckensteyn steht im traditionsreichen Nachkriegsquartier Pendrecht, wo bereits in den 1970er-Jahren ein gleichnamiger Wohnblock errichtet wurde. Mit seiner gestaffelten Kubatur nimmt der Neubau Bezug auf den Vorgängerbau und auf die offene, grünorientierte Siedlungsplanung von Lotte Stam-Beese. Zugleich setzt er ein starkes architektonisches Signal für eine neue Baukultur. Die Hauptstruktur des Gebäudes besteht nahezu vollständig aus Holz. Zum Einsatz kamen rund 1500 m3 Brettsperrholz und 250 m3 Brettschichtholz von Binderholz. Hinzu kamen 61 vorgefertigte Wohnungstrennwände aus der neuen b_solution-Produktionslinie, einer individuell konfigurierbaren Systembaulösung für den mehrgeschoßigen Wohnbau. Diese Elemente wurden passgenau gefertigt, mit Dämmmaterial und Gipskartonplatten beplankt sowie bereits mit Elektro-Leerverrohrungen und Brandschutzsteckdosen ausgestattet. Damit konnte ein hoher Vorfertigungsgrad realisiert werden, der kurze Bauzeiten und hohe Präzision ermöglichte. Für Binderholz markiert Valckensteyn einen Meilenstein: Es verdeutlicht die Rolle des Unternehmens als Komplettanbieter im großvolumigen Holzbau und demonstriert die Praxistauglichkeit industriell vorgefertigter Holzsysteme.

Mit leichter Holzkonstruktion aufgebaut

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Die Rückseite des Gebäudes dient der funktionalen Erschließung. © Sebastian van Damme

Elf der zwölf Geschoße bestehen vollständig aus Holz, lediglich das Erdgeschoß sowie der Aufzugs- und Treppenkern sind in Beton ausgeführt. Dank der leichten Holzkonstruktion konnte auf den Fundamenten des Vorgängergebäudes weitergebaut werden, wodurch Ressourcen geschont und der CO2-Fußabdruck minimiert wurden. Außerdem wurde bewusst auf Klebemittel verzichtet, sodass das Gebäude bei Bedarf demontierbar ist und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft unterstützt. Sichtbare BSP-Oberflächen und freiliegende Brettschichtholz-Balken schaffen im Innenraum eine warme, hochwertige Wohnatmosphäre, während die Fassade aus hellbraunen und anthrazitfarbenen, rückbaubaren Faserzementplatten die Holzstruktur elegant ergänzt. Das Powerhouse-Team konnte laut Bauherr das historische Nachkriegsquartier Pendrecht sensibel aufnehmen, die charakteristische gestaffelte Kubatur des Vorgängerbaus interpretieren und gleichzeitig ein zukunftsweisendes, kreislauffähiges Wohngebäude entwickeln. Der Eingangsbereich ist als großzügige Lobby gestaltet und mit dem Fahrradabstellraum verbunden. Die Wohneinheiten wurden mit raumhohen Verglasungen ausgestattet und die offenen Balkone, mit sichtbaren Brettsperrholz-Elementen, ermöglichen spontane soziale Interaktionen sowie weite Ausblicke.

Großzügige Balkone ermöglichen den Bezug zur Natur

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Der Eingangsbereich mit Travertin-Platten erinnert an die Architektur der Nachkriegszeit und integriert sich harmonisch in das Stadtbild. © Sebastian van Damme

Auch die Wohnqualität trägt zur Attraktivität leistbaren Wohnens bei: Alle Wohnungen verfügen über diese großzügigen Balkone mit knapp 14 m2 Fläche, fast 2 m tief, was den Wohnraum spürbar erweitert. Ergänzt wird das Ensemble durch eine parkartige Gartenanlage mit Biodiversitätsmaßnahmen wie Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, die den Bewohnerinnen und Bewohnern zugleich einen Bezug zur Natur bieten. „Valckensteyn beweist, dass leistbarer Wohnraum und nachhaltige Bauweise Hand in Hand gehen können. Dabei schaffen wir Wohnungen, die nicht nur bezahlbar sind, sondern auch hohen Wohnkomfort und durchdachte Architektur bieten“, erzählt Stefan Prins, Partner Architekt bei Powerhouse.

Ein durch und durch grünes Projekt

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Das alte Gebäude war kein Hingucker. Schon 1971 stand hier ein Wohnhochhaus gleichen Namens, das den damaligen Wohnraummangel entgegenwirken sollte. © Stadtarchiv Rotterdam

Von den Balkonen aus eröffnet sich den Bewohnern in der Abendsonne ein weitläufiger Blick ins Grüne, der Ruhe und Entspannung inmitten des urbanen Umfelds bietet. Der Freiraum wurde von LAP Landscape & Urban Design liebevoll gestaltet: Unterschiedliche Pflanzungen sorgen das ganze Jahr über für Farbe, Struktur und eine hohe Biodiversität, sodass Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten das Viertel beleben. Selbst der Parkplatz folgt dem ökologischen Anspruch: Er ist als „grüner Teppich“ mit zementfreien Pflastersteinen ausgeführt, die Regenwasser aufnehmen und filtern, wodurch der Boden geschont und das Mikroklima verbessert wird. Kleine Sitznischen, verschlungene Wege und blühende Beete laden zu Begegnungen zwischen Nachbarn ein, während naturnahe Gestaltungselemente wie Hecken, Stauden und Gräser das ganze Quartier in ein lebendiges Ökosystem verwandeln.

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Errichtet wurde Valckensteyn im traditionsreichen Stadtteil Pendrecht, einem der Nachkriegsquartiere Rotterdams.  © Stadtarchiv Rotterdam

„Unser naturnahes Design steigert die Lebensqualität der Bewohner, die sie von ihren großzügigen Balkonen aus genießen können“, führt Projektarchitektin Daphne Delissen aus. So wird das Außenareal zu einem erweiterten Wohnzimmer, das Natur, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit auf harmonische Weise miteinander verbindet. Damit bietet Valckensteyn nicht nur günstigen Wohnraum, sondern schafft ein ganzheitliches Lebensumfeld, das urbanes Wohnen mit naturnaher Erholung verbindet – ganz im Sinne seiner ehemaligen Stadtplanerin Lotte Stam-Beese. Heute ist Pendrecht ein lebendiges Viertel, das sowohl die Herausforderungen als auch die Erfolge der Nachkriegsstadtplanung widerspiegelt. Es bleibt ein wertvolles Erbe der modernen Stadtentwicklung und ein Zeugnis für die Visionen und Bemühungen seiner Planer.

Die Zukunft liegt im Holzbau

Das Projekt Valckensteyn passt perfekt in die Gegend südlich der Stadt und zeigt exemplarisch, wie architektonischer Anspruch, sozialer Auftrag und technische Innovation im modernen Holzbau Hand in Hand gehen. Mit diesem Vorzeigewohnbau sendet Rotterdam nicht nur in den Niederlanden, sondern in ganz Europa ein klares Signal: Die Zukunft des leistbaren Wohnens liegt im Holzbau.

Vortrag am IHF:
Freitag 05.12.2025, 11.40 – 12.10 Uhr, Block C