Ökologisch optimiert

Ein Artikel von Birgit Gruber | 05.06.2025 - 09:25
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Die Sanierung der Hülle wie die Erhöhung des Dachgeschoßes führten zu einer neuen Interpretation der Fassade. Der ursprüngliche Charakter der Putzfassade mit kleinen Öffnungen wurde dem Wunsch der Bauherrschaft nach einer Umsetzung in Holz entsprechend weiterentwickelt. © Dominic Kummer

Für Lukas Peter Mähr, der vor fünf Jahren mit MWArchitekten in Hohenems sein eigenes Architekturbüro gegründet hat, ist das klassische Einfamilienhaus, das auf der grünen Wiese steht, nicht mehr zeitgemäß. Mähr selbst hat sich mit seiner Frau, als er von der Großstadt zurück ins Ländle gezogen ist, ein Doppelhaus gebaut. Zuvor suchte man von der Schweiz bis Südtirol nach anderen Möglichkeiten, hätte sich das Leben auch in einer Wohnung vorstellen können. „Wir haben dann aber ein ruhiges Grundstück mit leichter Hanglage gefunden. Dort hat für uns eigentlich alles gepasst. Doch wollten wir es mit anderen Bewohnern teilen, weil mir das heutzutage sinnvoll erscheint. Wir haben sehr nette Nachbarn gefunden, die so wie wir gerade aus der Stadt aufs Land zurückgezogen sind“, erzählt der Planer. 

Gegen die Siedlungspolitik der vergangenen Jahrzehnte

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Die ergänzenden Außenbereiche, welche der Erschließung wie dem Aufenthalt dienen, komplettieren das Volumen des Bestandes. Der entstandene Zwischenraum erzeugt als stimmungsvoller, semiprivater Freiraum einen echten Mehrwert. © Dominic Kummer

Was den Einfamilienhausbau betrifft, spricht Mähr vor allem die Siedlungspolitik der vergangenen Jahrzehnte an. Grundstücke für Bauvorhaben werden immer kleiner. „Teilweise werden sogar zusammenhängende Flächen von 2000 m2, welche für verdichtetes Wohnen geeignet wären, häppchenweise verkauft, um junge Häuslbauer anzusprechen. Für mich macht das keinen Sinn und mir wäre dort ehrlich gesagt ein gelungener Wohnbau in Holzbauweise lieber“, gibt er offen zu. Mähr, der auch Berater für das Energieinstitut Vorarlberg ist, will die Menschen für dieses wichtige Thema sensibilisieren. Gerade bei größeren Grundstücken rät er Bauherren immer, Mehrgenerationen- beziehungsweise Doppelhäuser oder ein Gebäude mit Einliegerwohnung zu bauen. Es gäbe aber nicht nur den klassischen Einfamilienhausbau versus den klassischen Wohnbau: „Dazwischen existiert ein breites Spektrum an Um-, Aus- oder Weiterbaumöglichkeiten, welches ich sehr interessant finde“.

Das Beste aus dem Projekt herausgeholt

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Der Innenraum des Dachgeschoßes profitiert vom zugeschalteten Dachraum. Die Raumhöhe wie die Dachfenster erlauben ein lichtdurchflutetes, luftiges Wohnen. © Dominic Kummer

Mit seinem Büro versuche er immer, das Beste aus Projekten herauszuholen und auf verdichtetes Wohnen zu setzen, wie beim vorliegenden Fall in Feldkirch. Der Auftrag kam direkt, der gute Ruf eilte Mähr voraus, denn die Bauherren hatten hohe Ansprüche an Abwicklung und Resultat. Hinzu kam ein sentimentaler Wert, da es sich um ein geerbtes Elternhaus aus den 1960er-Jahren handelte. Innerhalb der Familie gab es aber keinen weiteren Wohnungsbedarf. „Aus diesem Grund war relativ schnell klar, dass für ein sinnvolles Projekt, mit dem man in die Vermietung geht, zwei Einheiten entstehen müssen“, erzählt Mähr. Das Haus befindet sich in einem typischen Siedlungsgebiet mit geringer baulicher Dichte, geprägt von selbstreferenziellen Einfamilienhäusern. „In solchen Umgebungen ist es oft nicht möglich, mehrgeschoßigen Wohnungsbau zu realisieren, und so haben wir das Einfamilienhaus in ein Zweifamilienhaus verwandelt, mit Option auf Erweiterung.“ Der Gebäudebestand wurde energetisch saniert, um ein offenes Treppenhaus ergänzt und das Dachgeschoß ausgebaut. Durch die Sanierung der Gebäudehülle sowie die Aufstockung ergab sich eine neue gestalterische Interpretation der Fassade. Den ursprünglichen Charakter der verputzten Außenwände mit ihren kleinen Öffnungen haben Architekt und Handwerker im Sinne der Bauherrschaft weiterentwickelt und in Holz neu umgesetzt. Das Projekt stellte also eine Möglichkeit dar, die vorhandene Siedlung nachträglich zu verdichten. 

„Besonders beeindruckt hat mich, dass hier nicht für den Eigenbedarf saniert und nachverdichtet wurde. Ich würde mir für Vorarlberg viel mehr mutige Eigentümer wünschen, die so neue Wohnkonzepte schaffen“, gibt Mähr offen zu. Im Team war auch wieder Holzbau-Meister Dietmar Berchtold. Die beiden haben gemeinsam schon einige Bauvorhaben erfolgreich umgesetzt.

Außenraumqualitäten für beide Wohnungen

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Die Erschließung der zwei Wohneinheiten erfolgt mittels außenliegendem, offenem Treppenhaus. © Dominic Kummer

Das bestehende Ziegelmauerwerk wurde mit einer hinterlüfteten Fassadenkonstruktion versehen und durch eine zweilagige Dämmung aus jeweils 8 cm Mineralwolle energetisch ertüchtigt. Das aufgestockte Dachgeschoß hat Berchtold in moderner Holzrahmenbauweise mit Zellulosedämmung realisiert. Die bestehende Kellerdecke erhielt eine zusätzliche Dämmung auf der Unterseite, im darüberliegenden Bereich wurden neue Bodenaufbauten ausgeführt. Zur weiteren Optimierung der energetischen Bilanz wurden neue Holz-Holz-Fenster mit dreifacher Wärmeschutzverglasung eingebaut. Die Wärmeversorgung erfolgt nun über eine Erdwärmepumpe, womit ein nachhaltiger Betrieb des Gebäudes sichergestellt wird. „Tüfteln mussten wir bei der Frage, wie beide Wohnungen Außenraumqualitäten bekommen. Beim Obergeschoß brauchte es eine Weile, bis wir eine gute Lösung fanden. Die untere Wohnung war nämlich zu diesem Zeitpunkt mit Loggia und Gartenzugang die attraktivere“, erzählt Mähr. Ein offenes Treppenhaus war die Lösung. Die zusätzlichen Außenbereiche, die sowohl der Erschließung als auch dem Aufenthalt dienen, vervollständigen das Volumen des Bestandsgebäudes. Der entstandene Zwischenraum schafft einen stimmungsvollen, semiprivaten Außenbereich, der einen echten Mehrwert bietet. „Dadurch ist auch für die obere Wohnung ein qualitativer Aufenthaltsraum im Außenbereich entstanden. Dort befindet sich nun auch eine Bank zum Sitzen, ein Platz, wo sich die Bewohner treffen oder ihrer Tomatenzucht nachgehen können. Eine offene Fassade mit Holzstäben schützt vor Witterung“, weiß der Architekt.

Verbaut wurde hauptsächlich Fichte. Die Vertäfelung der Decke erfolgte in Weißtanne. Für den Innenausbau wählte man heimische Esche. Großzügig dimensionierte Öffnungen stärken die Beziehung der einzelnen Wohneinheiten zum Außenraum. Die Erdgeschoßwohnung orientiert sich direkt zum Garten und ermöglicht einen fließenden Übergang ins Freie, während das Obergeschoß durch die vorgelagerte Loggia eine qualitätsvolle Freiraumverbindung erhält. „Im ausgebauten Dachgeschoß schafft die vergrößerte Dachfläche zusätzliche Nutz- und Belichtungsqualitäten. Die erhöhte Raumhöhe in Kombination mit gezielt gesetzten Dachflächenfenstern ermöglicht ein helles, offenes und räumlich differenziertes Wohnumfeld“, freuen sich Mähr und Berchtold unisono. Ergänzt wird das Projekt um ein kleines Nebengebäude, das als Garage dient.

Betonhaus? Nein, danke!

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Die Erdgeschoßwohnung geht direkt in den Garten über, wogegen das Obergeschoß eng mit der vorgelagerten Loggia zusammenhängt. © Dominic Kummer

Für Mähr war jenes nicht das erste Bestandsprojekt. Ganz im Gegenteil: Fast jedes seiner Projekte berührt Bestand in irgendeiner Form. Darüber hinaus ist ökologisches Bauen für ihn innerhalb der sinnvollen Grenzen Pflicht. „Zu mir braucht keiner kommen, der ein Haus in Sichtbeton oder ein Styropor-Wärmedämmverbundsystem will“, sagt der Architekt. Er versteht den Bestand nicht als Einschränkung, sondern als Impulsgeber für ein vertieftes, kreatives architektonisches Denken. „Dadurch entstehen Räume, an die man ansonsten gar nicht gedacht hätte.“

Selbstverständlich birgt das Bauen im Bestand einen Mehraufwand, den er aber nach eigenen Angaben sicherlich nicht scheut. Woher kommt dieser tief verankerte Nachhaltigkeitsgedanke? „Schon als Kind verspürte ich eine große Liebe zur Natur, deshalb hat man von mir auch immer geglaubt, dass ich einmal Biologe werde. Ich will mich immer in den Spiegel schauen können und habe am Ende des Jahres lieber weniger verdient, dafür passt aber das Gesamtkonzept meiner Projekte. Das sind wir unseren Nachkommen einfach schuldig“, ist sich Mähr sicher. 

Projektdaten

Standort: Feldkirch
Fertigstellung: April 2024
Bauherr: privat
Architektur: MWArchitektur
Holzbau: dr‘ HOLZBAUER Dietmar Berchtold
Statik: Martin Fetz
Bauphysik: Hafner Weithas Bauphysik
Tischlerarbeiten: Tischlerei Künzler, kuenzler.at; Tischlerei Andreas Walch, tischlerei-walch.at
Holzarten: Fichte, Weißtanne, Esche
Wohnnutzfläche: 240 m2
Energiekennwert: 49,36