Neuer Leitfaden zum Feuchteschutznachweis im Holzbau

Ein Artikel von Engelbert Schrempf, Johannes Tieben | 05.05.2025 - 08:42
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Holzbau-Meister Engelbert Schrempf, Normung und Technik, holzbau austria © holzbau austria

Hygrothermische Simulationen: Ein Schlüssel zum Feuchteschutz

Der Begriff „hygrothermische Simulation“ bezeichnet die bauphysikalische Berechnung und Modellierung des Zusammenspiels von Feuchte- (Hygro-) und Wärmetransport (Thermo-) in Bauteilen und deren Einzelmaterialien unter variablen Klimabedingungen zur Sicherstellung der feuchteschutztechnischen Performance. Besonders im Holzbau spielt dieser Prozess eine zentrale Rolle, da Holz empfindlich auf erhöhte Feuchtigkeit reagiert. Holzfäule und/oder Schimmelpilzbefall in der Bausubstanz können die mittel- bis langfristige Folge sein.

Die Simulation ermöglicht eine standortspezifische feuchteschutztechnische Bauteilbemessung, sodass Schäden an der Bausubstanz bereits im Vorfeld ausgeschlossen werden können. So wird gewährleistet, dass die Baukonstruktionen auch langfristig stabil und funktional bleiben.

Speziell entwickelte Programme wie WUFI® (Fraunhofer IBP) oder Delphin® (Bauklimatik Dresden Software GmbH) sind in der Lage, die komplexen Wechselwirkungen zwischen Wärme- und Feuchtetransport zu simulieren. Sie berechnen, wie sich Temperatur und Feuchtegehalt über die Zeit hinweg in Bauteilen wie Wänden, Dächern oder Fassaden entwickeln, und berücksichtigen dabei das für den Gebäudestandort typische Außen- und Innenklima im instationären (sich zeitlich verändernden) Jahresverlauf. Letzteres dabei auch in Abhängigkeit von der Gebäudenutzung (Feuchteklassen). 

Der Handlungsleitfaden zur Anwendung der ÖNORM B 8110-2:2020

Der neue Handlungsleitfaden zur Anwendung der ÖNORM B 8110-2:2020 zur hygrothermischen Simulation von Holzbaukonstruktionen wurde von Experten der Holzforschung Austria und weiteren Fachleuten aus der Branche erarbeitet. Zu den Autoren gehören Johannes Tieben, Mara Schumacher, Vera Stiegler, Rupert Wolffhardt und Bernd Nusser, die praxiserprobte Simulationsansätze vorstellen, welche sich in der letzten Dekade in der bauphysikalischen Bemessungspraxis bewährt haben.

Der Leitfaden enthält neben einigen essenziellen parametrischen Ergänzungen zur Norm auch Anleitungen, welche die Simulation von spezielleren Bauteilsituationen ermöglichen. 

Ein besonderer Aspekt bei der Entwicklung dieses Leitfadens lag in der breit gefächerten Expertenrunde, welche an der Umsetzung beteiligt war: Mathias Baldauf (RWT plus ZT GmbH), Thomas Bednar (TU Wien), Heinz Ferk (TU Graz), Clemens Häusler, Christopher Leh (TU Graz), Oskar Pankratz, Andreas Sarkany (TU Wien), Florian Schnabel (TU Wien), Daniel Rüdisser (TU Graz), Martin Teibinger und Paul Track (RWT plus ZT GmbH). Das Rückgrat bei der Erstellung des Leitfadens bildete eine zweistufige Ringsimulation, an der insgesamt vier der oben genannten Personen sowie zwei Experten der Holzforschung Austria beteiligt waren.

In den insgesamt zwei Ringsimulationsrunden wurden beispielhafte Bauteile, wie begrünte und bekieste Flachdächer, hinterlüftete Holzfassaden sowie Steildächer und Außenwände mit WDVS-Dämmung von den beteiligten Bauphysikern unabhängig voneinander simuliert. Auf Basis der Ergebnisse und Abweichungen zueinander wurde der Handlungsleitfaden nach jeder Ringsimulationsrunde sukzessive angepasst, damit dessen Anwendung zu möglichst einheitlichen Ergebnissen, unabhängig vom simulierenden Bauphysiker, führt.

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Johannes Tieben, Sachbearbeiter Bauphysik, Holzforschung Austria © Hozforschung Austria

Nachweisfreie Konstruktionen und Ergänzungen zur ÖNORM B 8110-2:2020

Im abschließenden Kapitel des Leitfadens werden nachweisfreie Bauteile gelistet, welche eine Ergänzung zum Bauteilkatalog der ÖNORM B 8110-2:2020 darstellen und mittels einer insgesamt 1160 Simulationsvarianten umfassenden Studie nachgewiesen wurden. Diese Bauteile bieten eine praxisnahe Grundlage zur Planung und Ausführung von Holzbaukonstruktionen, bei denen Feuchteschutz und Wärmeeffizienz berücksichtigt werden müssen.

Die Planung dieser Simulationsstudie wurde von Engelbert Schrempf (holzbau austria) und Johannes Tieben (Holzforschung Austria) vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Konstruktionen den neuesten bauphysikalischen Anforderungen entsprechen und gleichzeitig praktikable Lösungen für die Planung und Ausführung im Holzbau bieten.

Kostenfreier Zugang zum Leitfaden

Der neue Handlungsleitfaden zur hygrothermischen Simulation von Holzbaukonstruktionen ist für alle Fachleute im Bereich Holzbau kostenlos abrufbar. Er bietet wertvolle Unterstützung und Orientierung für die fachgerechte Umsetzung von Feuchteschutzkonzepten im Holzbau und stellt sicher, dass sowohl die bauliche Qualität als auch die Nachhaltigkeit der Gebäude langfristig gesichert sind.

Fazit

Die Anwendung von hygrothermischen Simulationen im Holzbau ist ein bedeutender Schritt in Richtung eines noch nachhaltigeren und langlebigeren Bauens. Der neue Leitfaden bietet eine praktisch und wissenschaftlich fundierte Grundlage, um Holzbaukonstruktionen optimal zu planen und die Feuchtigkeitsproblematik im Griff zu behalten. Dies trägt nicht nur zur Vermeidung von Bauschäden bei, sondern auch zur Sicherstellung der Energieeffizienz und Langlebigkeit von Holzgebäuden.

Der Leitfaden stellt einen weiteren wichtigen Baustein für den Holzbau in Österreich dar und zeigt, wie moderne Simulationstechniken einen entscheidenden Beitrag zur Qualitätssicherung und Ressourcenschonung leisten können.