Tödlicher Arbeitsunfall auf Baustelle – Regress beim Arbeitgeber

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 05.11.2025 - 08:40
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Ein Bauarbeiter stürzte von einer Leiter und verletzte sich tödlich. Aufgrund eines plötzlichen Krampfanfalls fiel er dabei ohne jede Abwehrbewegung zu Boden. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Mann beim selben Arbeitgeber zwei ähnliche Anfälle erlitten – einer davon beim Lenken eines Firmenfahrzeugs, was zu einem Unfall führte. Da die Ehegattin des Verunfallten dem Arbeitgeber nach diesem Autounfall mitteilte, dass Untersuchungen „keine Diagnose ergeben hätten“ und der Arbeitgeber kurz danach einen weiteren Anfall des Versicherten beobachtete, bei dem dieser plötzlich auf einer Baustelle zu Boden fiel, untersagte er ihm aus Sicherheitsgründen das Lenken von Firmenfahrzeugen.

Trotz dieser Vorgeschichte wurde der Mann im Jahr 2022 erneut eingestellt – wieder für Arbeiten auf Baustellen. Befragt beim Aufnahmegespräch nach seinem Gesundheitszustand, erklärte der Arbeiter, dass es ihm gut gehe. Damit gab sich der Arbeitgeber schon zufrieden. Aufgrund dieser Angaben, dass sein Gesundheitszustand in Ordnung sei, er keine Diagnose erhalten habe sowie der Umstände, dass er weiterhin über einen Führerschein verfügte und zuvor bereits auf anderen Baustellen gearbeitet hatte, ging der Arbeitgeber davon aus, dass er als Arbeiter auf Baustellen eingesetzt werden könne. Er stellte ihn daher wieder als Facharbeiter ein. Der Arbeitgeber verzichtete auf eine weitere medizinische Evaluierung, etwa durch die AUVA oder einen Arbeitsmediziner. Auch gab es keine besonderen betrieblichen Sicherheitsvorkehrungen für den Mitarbeiter, obwohl die gesundheitlichen Risiken sehr wohl bekannt waren.

Das Erstgericht sprach dem klagenden Sozialversicherungsträger – der Arbeitgeber war mittlerweile insolvent – bereits eine unbedingte Insolvenzforderung von rund 10.000 € sowie eine bedingte Forderung für künftige Aufwendungen in Höhe von 359.000 € zu. Es stellte fest, dass der Arbeitgeber den Unfall durch mehrfache Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften grob fahrlässig verursacht habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Einschätzung.

Der OGH war gleicher Meinung wie die Vorinstanzen: Der Arbeitgeber handelte grob fahrlässig und hat für den Schaden aufzukommen. Das Höchstgericht betonte dabei, dass Arbeitgeber laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verpflichtet sind, Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu ermitteln und zu beurteilen (Gefahrenevaluierung). Besonders gefährdete Arbeitnehmer – etwa mit gesundheitlichen Einschränkungen wie Anfallsleiden, Krämpfen, zeitweiligen Bewusstseinsstörungen, Beeinträchtigungen des Seh- oder Hörvermögens und schweren Depressionszuständen – dürfen nicht mit Tätigkeiten betraut werden, die sie oder andere gefährden könnten, meint das Gesetz.

Nun galt es zu prüfen, ob seitens des Arbeitgebers grobe Fahrlässigkeit vorliegt, denn nur dann kann sich die Versicherung schadlos halten. Grobe Fahrlässigkeit liegt laut OGH dann vor, wenn eine „auffallende Sorglosigkeit“ gegeben ist – also eine außergewöhnliche Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht, bei der der Schaden wahrscheinlich vorhersehbar war. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber, so die Höchstrichter, trotz bekannter gesundheitlicher Risiken keine Maßnahmen zur Gefahrenvermeidung getroffen. Eine medizinische Untersuchung zur Abklärung der gesundheitlichen Beeinträchtigung unterblieb.

Auch wurden Einschränkungen bei der Arbeitsausführung für den Arbeitnehmer seitens des Betriebes unterlassen. Der OGH stellte klar: Auch wenn der Arbeitnehmer selbst seinen Gesundheitszustand als „gut“ beschrieben habe, entbinde dies den Arbeitgeber nicht von seiner Pflicht zur Gefahrenevaluierung – insbesondere, wenn bereits ausreichende Hinweise auf gesundheitliche Probleme vorliegen.

Der Beklagte argumentierte vergeblich, der Arbeitnehmer habe durch unvollständige Angaben zu seinem Gesundheitszustand eine Mitverantwortung am Unfall. Der OGH wies dies zurück. Der Arbeitgeber habe bereits vor der Wiedereinstellung von den Anfällen gewusst, so das Gericht, und wäre daher verpflichtet gewesen, eine umfassende Gefahrenbeurteilung vorzunehmen. Es liegt damit kein gravierendes Mitverschulden des Arbeiters vor. werden.