Tourismus finanziert leistbares Wohnen

Ein Artikel von Birgit Gruber | 20.11.2019 - 10:40

Gegen Auswüchse des Massentourismus

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Karte der Stadt Rom mit temporären Appartements:  Die Boxen sollen nach Roventas Vorstellung nahe den wichtigsten Sehenswürdigkeiten stehen. Technische Anforderungen sollen je nach örtlichen Gegebenheiten gelöst werden, Strom generiert man per Photovoltaik. Nach dem Abbau hinterlassen die Boxen keine Spuren und greifen auf diese Weise nicht in die Landschaft ein. © Angelo Roventa

„Dicht bebaute Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten oder Landschaften mit interessanten Naturphänomenen werden jedes Jahr von Zigtausenden Menschen ,heimgesucht‘, die untergebracht werden müssen. Das freut die lokale Wirtschaft, die mit der Vermietung von Wohnraum an den Tourismus viel Geld einnimmt, die Immobilienpreise aus diesem Grund anhebt und so nach und nach die lokale Bevölkerung aus den Städten verdrängt“, weiß Architekt Angelo Roventa. Die Einwohner in Barcelona zum Beispiel wehren sich nicht nur gegen diese Unterwanderung des Wohnungsmarktes durch internationale Vermietungsplattformen, sondern immer mehr gegen den Tourismus allgemein. Auch Mallorca zog bereits 2017 die Notbremse. Die Regierung der spanischen Ferieninsel steuert die Touristenobergrenze künftig über eine Bettenbeschränkung. Konkret bedeutet das, dass die Menge der Gästebetten in Hotels und Privatunterkünften nicht mehr erhöht wird. Das Tourismusgesetz gilt auch für Mallorcas Nachbarinseln Ibiza, Menorca und Formentera. Mit dem Gesetz wird zudem der verbreiteten illegalen Ferienvermietung der Kampf angesagt. „Pop-up-Tourismus ist ein Konzept, das einen aktiven Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten kann“, erklärt der Architekt.

Wohnmodule aus Brettsperrholz

Bei seiner Herberge auf Zeit, die sich an beliebigen Orten für einen bestimmten Zeitraum schnell und sauber auf- und abbauen lässt, handelt es sich um vorgefertigte Wohnmodule in Brettsperrholz. „Diese können auf einfachen Fundamenten aufgebaut und in späterer Folge übereinandergestapelt werden“, erklärt Roventa. Die Größe der Einheiten sei jedoch so geplant, dass sie sich per Lkw transportieren und vor Ort per Kran übereinanderstapeln lassen. Die festgelegten Plätze beherbergen dann temporäre Touristenwohnungen. „Gleichzeitig können so Standorte in einer Stadt oder Region identifiziert werden, die für den endgültigen Bau von leistbarem Wohnraum infrage kommen“, erklärt Roventa. Nach Ablauf der festgelegten Zeit könne man die Holzmodule einfach verlegen und zu permanenten Wohngebäuden zusammenbauen. Ein Großteil der Baukosten wird damit vom Tourismus getragen.

Teil einer Kulturinitiative

Roventa bezeichnet den Status seines Projekts selbst als „work in progress“. Umsetzen will er es erstmals in Vorarlberg. Dort liegt es auch gerade zur Prüfung bei der zuständigen Baubehörde, die eine temporäre Aufstellung außerhalb der Bauflächenwidmung prüft. Zusätzlich sollen die Boxen von 20 ausgewählten Künstlern individuell gestaltet werden. Mitte November steht außerdem eine wichtige Entscheidung an, die Roventas Arbeit weitere, wichtige Impulse geben könnte. „Eine österreichische Stadt wird im Jahr 2024 gemeinsam mit Tartu (Estland) und Bodø (Norwegen) wieder zur europäischen Kulturhauptstadt. Für den Titel in Österreich haben sich Dornbirn, Bad Ischl und St. Pölten beworben“, berichtet der Architekt. Sollten Dornbirn und die gesamte Region dabei als Sieger hervorgehen, könnte das Projekt Teil dieser kulturellen und städtebaulichen Initiative werden.