Von der Wiege des Holzbaus

Ein Artikel von Redaktion | 11.05.2020 - 17:39

Vor gut einem Jahr wurden Sie von Ihren Kollegen zum Bundesinnungsmeister Holzbau gewählt. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden und die Arbeit macht mir wirklich Spaß. Es ist schön, für eine Branche zu arbeiten, die sich seit vielen Jahren auf der Erfolgsspur befindet. Zudem haben wir neun engagierte und kompetente Landesinnungsmeister, die sich wertschätzen und an einem Strang ziehen. Das ist auch nicht selbstverständlich.

Wo liegen die Stärken und Potenziale österreichischer Holzbau-Meister und des Holzbaus generell?

Das sind unser ökologisch unschlagbarer Werkstoff Holz, die ständige Weiterentwicklung von Technologien und die neuen Produkte, die uns heute zur Verfügung stehen. Zudem haben wir größtenteils Mitarbeiter und Material aus Österreich, sodass wir krisensicher unsere Leistungen anbieten können.

Behaupten das nicht alle Branchen von sich?

Der moderne Holzbau-Meister ist enorm leistungsfähig. Vom Carport bis zur Wohnanlage können wir alles eigenständig ausführen. Eine Zimmerei mit zehn Mitarbeitern errichtet in kürzester Zeit eine komplette Wohnanlage und das nicht erst seit heute. Nehmen wir nur das Frauenmuseum Hittisau, welches vor 20 Jahren von einer Fünf-Mann-Zimmerei erstellt wurde, oder das dreigeschossige Appartementhaus Rote Wand, welches mein Betrieb bereits 2001 – damals mit 15 Leuten – im Werksgelände vorgefertigt und innerhalb von fünf Tagen in Lech/Zug aufgestellt wurde. Sagen Sie mir, welche Branche so große Gewerke mit so wenigen Mitarbeitern in so kurzer Zeit bewältigt.

Ihr Beruf hat eine große Transformation hinter sich – sozusagen vom Dachstuhlzimmerer zum Holzbau–Meister, der immer öfter als Generalunternehmer tätig ist. Wie sieht die weitere Entwicklung aus?

Ich würde sagen, dass wir uns nicht nur weiterentwickelt haben, sondern zu unseren ursprünglichen Wurzeln zurückgekehrt sind. In früheren Zeiten haben Zimmerer ganze Städte, riesige Brücken und große Schiffe gebaut. Heute werden weltweit Wohnanlagen, Hochhäuser und Stadtquartiere in Holz gezimmert. Damit ist Holz in die Städte zurückgekehrt. In Vorarlberg haben wir bereits 2004 unter der Betreuung von Prof. Volker Giencke einen Architekturstudentenwettbewerb namens „Warp Visions – die Rückkehr des Holzes in die Städte“ ausgerufen. Der damalige Sieger, Jakob Achrainer, arbeitet heute im Team von Snøhetta, welches europaweit mit urbanen Holzbauprojekten für Aufsehen sorgt.

Welche Auswirkungen hat die Klimaveränderung beziehungsweise haben Diskussionen darüber auf die Entwicklung des Holzbaus?

Holz ist der absolut umweltfreundlichste Leistungsbaustoff. Darüber müssen wir nicht mehr diskutieren. Als Vorarlberger sage ich, dass unser Land dank echter Pioniere unter den Architekten und Zimmerern die Wiege des modernen Holzbaus ist. Damit kam der regionale Holzbau als Antwort auf die Globalisierungsentwicklungen ins Spiel. Gerade in den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, wie richtig das war. Die österreichischen Zimmerer konnten ihre großen und kleinen Baustellen abwickeln, sofern wir nicht auf andere Gewerke warten mussten. Wir Zimmerer waren kaum abhängig von geschlossenen Grenzen, ausländischen Mitarbeitern oder Quarantänevorschriften. Wir hatten auch immer genug Material, seien es Holzprodukte, Dämmstoffe, Verbindungsmittel oder Holzfenster.

Sie haben von Quartieren und Hochhäusern in Holz gesprochen. Inwieweit ist das Thema „brennbare Baustoffe“ für die Branche heutzutage noch relevant?

Wir Praktiker haben das Thema „Feuersicherheit“ im Holzbau schon lange gelöst – mit Hightech-Holzprodukten, kompetenten Fachplanern und umsichtigen Zimmerleuten. Deshalb erfüllen wir alle Sicherheitsvorschriften und könnten weit mehr leisten, wenn wir nur dürften. Leider hinken in Österreich die rechtlichen Regelungen noch hinterher. Da ist die Schweiz viel aufgeschlossener. Ich empfehle jedem, der sich für dieses Thema interessiert, das aktuelle Magazin „Zuschnitt“ von proHolz mit dem Titel „Brandrede für Holz“ zu lesen. Danach gibt es keine Ausreden mehr. Das ist meine Botschaft an die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung.

Wie sehen Sie das Zusammenspiel von Holzbau und Architektur? Haben Sie Wünsche an die
Architekten?

Direkte Wünsche habe ich keine, aber ich bin verwundert, warum große Teile der Architektenschaft in Zeiten des Klimawandels nicht viel mehr in Holz bauen. Bei ihren Materialentscheidungen gibt es in Bezug auf die Umwelt noch viel Luft nach oben. Das verwundert mich speziell, wenn es sich um öffentliche Gebäudeprojekte handelt, die erst recht so umweltfreundlich wie möglich erstellt werden sollten.

Und was sehen Sie als Ihre wichtigsten Aufgaben als Bundesinnungsmeister Holzbau?

Ganz klar die Aus- und Weiterbildung. Ich habe mit den Landesinnungsmeistern ein Aus- und Weiterbildungsprojekt geplant, das wir so rasch wie möglich starten. Mich freut, dass zahlreiche Kollegen bereit sind, in einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Hans Rupli, dem ehemaligen Präsidenten von Holzbau Schweiz, ein moderneres Ausbildungssystem zu erarbeiten. Wir müssen als Holzbau-Meister unsere Kompetenzen erweitern, Bildungsangebote ausbauen und uns mit neuen Querschnittsmaterien beschäftigen. Der Holzbau wird weltweit gewaltig zulegen und in Österreich wollen wir in Sachen Kompetenz vorne dabei sein.

Dafür benötigen Sie aber auch holzbaufreundliche Normen und Regelwerke. Wie sieht es da in
Österreich beziehungsweise Europa aus?

Für uns ist das bundesweite, aber auch europäische Mitwirken an Normen und Regelwerken das Um und Auf. Da wir diese riesige Herausforderung nicht aus den personellen Ressourcen der Bundesinnung bewältigen können, haben neun Landesinnungsmeister unter Leitung des früheren Bundesinnungsmeisters, Maximilian Dallago, 2001 den Verein holzbau austria gegründet. In diesem Verband kümmern wir uns mit Experten und einer Gruppe von ausgewählten Leistungspartnern um die permanenten Verbesserungen unserer Rahmenbedingungen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit unserer Branche läuft seither zentral und ich denke, dass die holzbau austria zu einer wichtigen Marke in der Holzbauarchitektur geworden ist.

Sie sind auch Vizepräsident der Timber Construction Europe (TCE). Wie sehen Sie die europäischen Entwicklungen im Holzbau?

Europaweit sind riesige Holzbauprojekte entstanden, die zeigen, wohin die Reise geht. Die Gründe dafür sind immer dieselben: Die Schönheit und Ästhetik des Materials, die Geschwindigkeit der Produktion sowie der Baustellenabwicklung und die CO2-Einsparung. Da frage ich mich schon, wo diesbezüglich Österreich steht, das „HoHo Wien“ mal ausgenommen. Verbandspolitisch vertreten wir mit der TCE unsere europäischen Interessen. Diese Arbeit ist zäh und kostspielig, weil wir mit Experten in jedem wichtigen Gremium mitarbeiten. Als Handwerker müssen wir uns diese Experten leisten, weil die Normen, die aus Brüssel kommen, unsere Arbeit tagtäglich berühren. Ich persönlich empfinde viele Regelungen als überzogen und bürokratisch, aber wir können die Sachlage nur verbessern, wenn wir aktiv mitwirken. Meine TCE-Vorstandskollegen in Deutschland, der Schweiz, in Südtirol und Luxemburg sind selber erfolgreiche Holzbauunternehmer und gemeinsam mit unserem Expertenteam sind wir sehr gut unterwegs.