Haltung zum Handwerk als Schlüssel zum Erfolg

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 05.07.2023 - 09:22
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„Überholz“-Studiengangsleiter Helmut Dietrich (li.) und Koordinator Stefan Lasinger engagieren sich für die Holzbaukultur Österreichs. © Kathrin Lanz

Über den Tellerrand blickend, zeigen die beiden Architekten nicht nur auf, dass die Kompetenzen des jeweiligen anderen Planenden wertvoll sind. Dietrich identifiziert die Haltung zum Handwerk gar als Schlüssel zum Erfolg eines Projekts.

Im Titel des Lehrgangs wird der Begriff „Holzbaukultur“ verwendet. Was bedeutet das für Sie?

Helmut Dietrich: Eines der Ziele war von Anfang an, dass nicht nur Holzbau gelehrt, gezeigt und geübt wird, sondern dass das ganze Feld, also Holzbau in Zusammenhang mit Baukultur und Architektur, in seiner Gesamtheit vermittelt wird. Holzbau ist die eine Sache – technisch und konstruktiv. Aber wenn ein Gebäude nicht den baukulturellen Ansprüchen genügt, stehen wir bei Überholz nicht dahinter.

Stefan Lasinger: Es gibt einen Radiosender, der behauptet, kein Klassik-, sondern ein Kultursender zu sein. So ähnlich sehe ich das hier auch. Wir sind breit aufgestellt, behandeln ebenfalls Randthemen, wie Holz in Kombination mit Lehm. Die historische Komponente ist zudem wichtig, um den Baustoff zu verstehen. Das heißt, wir unterrichten nicht nur den „klassischen“, modernen Holzbau.

Diese Kultur impliziert nicht nur die Sinnhaftigkeit und Ästhetik des finalisierten Holzgebäudes, sondern auch Holzbauwissen ganz zu Beginn eines Projekts.

HD: Ja, beim Holzbau wird unberechtigterweise immer noch nachgefragt: „Geht das überhaupt?“ Das wird im Stahl- oder Betonbau niemand fragen. Nachdem sich der Holzbau in den vergangenen Jahren unheimlich verbreitert und ausgedehnt hat, muss man Antworten haben auf Bedenken.

Innerhalb welcher Disziplinen bewegt sich der Lehrgang und wie kann man sich den Ablauf vorstellen?

HD: Das Besondere des Lehrgangs ist, dass er Personen der drei Disziplinen Tragwerksplanung, Architektur und Holzbauausführung anspricht. Neben der Tragwerksplanung lehren wir auch Bauphysik und Haustechnik, somit die Gesamtheit des Bauens mit allen Faktoren. Einzigartig ist, dass neben Akademikern auch Holzbau-Meister, also Praktiker, zum Universitätslehrgang zugelassen sind. Wir versuchen, bei allen Modulen, Lehrende aus allen Bereichen zu gewinnen.

SL: Der Lehrgang erstreckt sich über zwei Jahre. Im Grundlagenjahr beschäftigt man sich im Prinzip innerhalb dreier Gruppenarbeiten, die sich im Laufe der Zeit im Umfang steigern, mit verschiedenen Themen. Hier ist es uns wichtig, dass jede Gruppe interdisziplinär besetzt ist, also drei Fachrichtungen vertreten sind. Zudem sollen nicht immer die gleichen Teilnehmer zusammenarbeiten, sondern die Gruppen sich durchmischen. Das bewirkt die Bildung eines Netzwerks, das sich innerhalb des Lehrganges, aber auch danach rege austauscht. Dies hat eine Gesprächskultur in einer sehr homogenen Gruppe zur Folge.

Und was passiert im Masterjahr?

SL: Jeder Teilnehmer sucht sich ein eigenes Thema, das er über das ganze Jahr hinweg bearbeitet. Ein ausgewählter Betreuer begleitet die Arbeit, die dann das gesamte Team bewertet. Diese Masterthesis mündet in einem akademischen Abschluss. Der Aufwand darf also nicht unterschätzt werden.

Überholz predigt es seit Jahren: Kommunikation zwischen den Disziplinen ist der Schlüssel zum gelungenen Holzbauprojekt. Woran scheitert es zurzeit?

HD: Wenn wir die Teilnahmemotivation bei Absolventen abfragen, bekommen wir oft die Antwort, dass sie das jeweilige Gegenüber besser verstehen lernen wollen. Ich finde, es hapert am Mangel der Möglichkeit, sich im notwendigen Ausmaß auszutauschen. Das ist genau der Grund, warum der Gründer, Roland Gnaiger, diesen Lehrgang genau so konzipiert hat. In Vorarlberg haben wir eine Sondersituation, weil jeder im Freundeskreis oder in der Verwandtschaft jemanden kennt, der im Holzbau tätig ist. Das heißt, man ruft einfach an und entwickelt Dinge gemeinsam. So hat man sich möglicherweise jahrelang einiges an Frustration erspart.

Was können Architekten zur besseren Zusammenarbeit beitragen, was Holzbau-Meister?

HD: Den Versuch zu unternehmen, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Was mich während meiner Studienzeit und später in der Praxis in Wien überrascht hat, war, dass es diese Symbiose zwischen Architekten, Tragwerksplanern und Holzbauern, wie ich sie aus Vorarlberg kannte, nicht gab. Handwerker wurden eher als notwendiges Übel gesehen. Vielerorts herrscht auch heute noch immer der Glaube, man müsse mit einem Holzbau in der Planung nicht anders umgehen, als mit einem Stahl- oder Betonbau. Für erfolgreiches Bauen ist eine Einstellung notwendig, die Ausführende ernst nimmt und motiviert. Dann gelingt einiges besser. Die Haltung zu den Handwerkern auf der Baustelle, die Aufgeschlossenheit, deren Kompetenz wahrzunehmen, ist grundsätzlich der Schlüssel zu einem erfolgreichen Projekt, im Holzbau doppelt.

Was kann die Ausbildung dazu beitragen?

HD: Es ist schon fast eine Plattitüde, aber ich sage es trotzdem: Es ist meiner Meinung nach Common Sense, dass der Holzbau für die Klimaschutzproblematik einen positiven Beitrag leistet. Es hat sich auch die Auffassung durchgesetzt, dass Holzbauten von der Atmosphäre und der Wohnqualität sowie die Anrainerbelastung während des Errichtungsprozesses deutlich angenehmer sind. Wenn man also den Holzbau aus diesen Gründen forcieren will, dann braucht es noch deutlich mehr Know-how-Transfer von Leuten, die Praxiserfahrung haben. Und weitere Ausbildungsmöglichkeiten. Da wird noch mehr Anstrengung notwendig sein, auf allen Seiten – auf jenen der Architekten, Tragwerksplaner und Bauingenieure. Und natürlich auch auf Seiten der Holzbauer, die sehr gut ausgebildete Leute im Betrieb brauchen. 

Der nächste Universitätslehrgang startet im Oktober! 
Anmeldeschluss: 10. Juli 
Hier gibt es alle Infos