Öde Routine, ade

Ein Artikel von Birgit Gruber | 17.10.2023 - 08:21
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Sophie Blaha © Mato Johannik

In Blahas Vorstellung gelangt die heute verlangte Wohlfühlatmosphäre am Arbeitsplatz im Holzbau zur Vollendung  – natürlich in Kombination mit natürlichen Materialien im Möbelbau. Was sich in den vergangenen 20 Jahren in der Branche getan hat, wie es gelingt, die Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurückzuholen und warum es während der Arbeitszeit üblich sein sollte, sich beim Spazierengehen zu erholen, erzählt die 31-Jährige im Interview.

Kann ein Arbeitsplatz glücklich machen?
Absolut. Das kann gelingen, wenn wir den persönlichen Sinn der Arbeit entdecken. Unterstützend wirkt da ein gemütlicher Arbeitsplatz mit persönlichen Gegenständen. Genügend Platz, um sich auszubreiten, sowie der freundliche Austausch mit den Kollegen, macht sicherlich auch glücklich. Das Büro sollte also Raum für Inspiration sein. Dafür braucht es flexible Strukturen, die wichtige Beziehungspunkte für informelle Begegnungen herstellen, sogenannte „Social Spaces“. Von ihnen geht dann Energie für Innovation und Sinnfindung im Unternehmen aus. Gerade nach anstrengenden zwei Coronajahren muss das Headquarter zum Ort der Gemeinschaft werden, mit Zonen für reflektierte Gespräche und konstruktive Diskussionen.

„Wellbeing“ ist seither das große Schlagwort, das in Unternehmen zum Imperativ geworden ist.
In den zwei Jahren hat sich deutlich gezeigt: Auch wer zu Hause arbeitet, braucht einen klar definierten Bereich. Denn auf Dauer entspricht ein umfunktionierter Esstisch nicht den Anforderungen an professionelle Ausstattung. Mit Ende der Pandemie war uns zudem noch mehr bewusst, dass wir soziale Wesen sind. Mit diesem Wissen müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro holen und die sozialen Kontakte wieder stark fördern. Denn Teambeziehungen leben vom persönlichen Austausch, der sich nicht durch Onlinebesprechungen ersetzen lässt. Soziale, kommunikative Aspekte spielen für Leistung und Motivation eine große Rolle. Aktuell findet dementsprechend eine Neuerfindung des Office statt. Verlangt wird ein sicherer und zugleich ansprechender Arbeitsraum.

Was hat sich im Laufe der vergangenen 20 Jahre in Ihrer Branche verändert?
Früher war die Arbeitswelt anonymer. Man ist öfter in geschlossenen Räumen oder abgetrennten Kojen gesessen. Die Arbeitnehmer waren für sich anstatt miteinander, wie es heute in modernen Arbeitswelten der Fall ist. Ein Büro mit fließenden Raumfolgen ist heutzutage sicherlich effizienter, sofern wesentliche Aspekte eingehalten werden. Diese betreffen in meiner Branche vor allem Themen wie Schall- oder Sichtschutz. Flexible Arbeitsorte verlangen aber auch unterschiedliche Ausstattungen. So lassen sich abgeschirmte Rückzugsorte beispielsweise gut mit textilen Einhausungen visuell und akustisch strukturieren. Flexible Besprechungstische für Teamarbeit und Lounge-Anordnungen mit Couches für informelle Gespräche können den Arbeitsplatz 4.0 harmonisch abrunden. Sie korrespondieren durch offene Blickachsen miteinander. Das Büro von heute benötigt innovative, intelligente Produkte. Dazu gehören auch mobile Möbel, mit denen sich kurzfristig Räume verdichten oder erweitern lassen.

Welche Faktoren sind heute entscheidend?
Moderne Arbeitsweisen setzen verstärkt auf kreatives Miteinander. Das befreit unser Potenzial von öden Routinen oder stundenlanger Tätigkeit am Schreibtisch. Neue Arbeitsplätze sind im Fluss. Denn das Büro ist von unterschiedlichen Dynamiken geprägt. Kreative Ecken, also Hotspots für zwanglose Gespräche, ermöglichen legeres Beisammensein und informelle Treffen in Wohlfühlatmosphäre. Dabei dürfen Büromöbel so verwendet werden, wie sie das Individuum gerade braucht. Hier in Korneuburg haben wir zum Beispiel eine Bar, ein Café und eine großzügige Lounge. Aktivitätszonen, wo unsere Mitarbeiter zusammenkommen können. Sich an der frischen Luft zu erholen, spazieren zu gehen oder die Mittagspause in der Sonne zu verbringen, gehören zum Arbeitsalltag.

Sie haben bereits die Akustik angesprochen – zu viel Lärm kann ja bekanntlich auch krank machen.
Richtig. In der Arbeitswelt-Gestaltung fehlen meist textile Elemente, die den Schall absorbieren. Diese kann man zum Beispiel an Decken, Wänden oder als mobiles Funktionselement einsetzen. Dabei setzen wir durchgehend auf natürliche Materialien. Im Inneren des Akustikmoduls regelt die Hanf-Dämmplatte die Luftfeuchtigkeit, die Schafschurwolle dient als Katalysator zur Schadstoffreduzierung. Diese permanente Luftreinigung wirkt auf Lebenszeit und ist weder zu reinigen noch zu warten. Die Akustikkassetten werden umweltfreundlich und nachhaltig produziert. Hanf weist eine CO2-positive Bilanz auf und wird in Österreich angebaut, ist 100 % recycelbar und benötigt keine Pestizide im Anbau. Schafschurwolle gilt ebenfalls als schadstofffreies Naturprodukt mit luftreinigenden und schallabsorbierenden Eigenschaften.

Wie kann man gesundheitlichen Problemen der Arbeitnehmer vorbeugen?
Wir als Hersteller befassen uns ganz stark mit dem Thema, wie das ideale Büromöbel aussehen soll. Die Rohmaterialien spielen dabei eine ganz wichtige Rolle. Sie sollten natürlich und nachhaltig sein. Stetige Forschung und Entwicklung werden bei uns neben dem Austausch mit Kunden auch großgeschrieben. Ganz wichtig in Büros sind meiner Meinung nach sogenannte „Break-out-Zonen“, damit Bewegung initiiert wird. Denn gerade stundenlanges Sitzen vor dem Computer ist schlecht für den Rücken und die Augen. Aktuell arbeiten wir getreu dem Motto: „Räume mit Schönheit fluten“. Dabei entstehen Orte, in denen Menschen ihr geistiges und emotionales Potenzial voll entfalten können. Kreativität ist nur möglich, wenn man sich in seiner Umgebung wohlfühlt. Dann kann ich Ideen generieren und Geist und Körper bleiben gesund.

Welche Anforderungen gibt es seitens der Mitarbeiter in Bezug auf Work-Life-Balance und wie können Unternehmen diesen Bedürfnissen entsprechen?
Ich finde diesen Begriff immer ein wenig schwierig, weil es wörtlich Leben und Beruf trennt. Wie eingangs erwähnt, ist es auch wichtig, dass der Beruf Sinn macht. Studien zeigen, dass das persönliche Sinnerlebnis im Job eine wichtige Kraft- und Motivationsquelle ist und somit Teil unseres ganzheitlichen Lebens. Fördern und fordern, lautet diesbezüglich unsere Devise. Unternehmen sollten Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten. Wir bei Blaha setzen stark auf Teambuilding-, Teambonding- beziehungsweise After Work-Aktivitäten, die den Zusammenhalt stärken. Dazu braucht es eine Atmosphäre der Offenheit und flache Hierarchien.

Damit fließen gesundheitliche und psychologische Themen in die Bauindustrie ein. Was kann der Holzbau diesbezüglich leisten?
Holz ist ein wertvolles Material. Es erzeugt in den Innenräumen genau diese Wohlfühlatmosphäre, die für einen gesunden Arbeitsplatz so notwendig ist. Seine warme Ausstrahlung sowie seine angenehme Haptik verleihen einem Holzbau positive Effekte. Ein Holzbau gibt uns ein gutes Gefühl, weil wir Menschen über unsere Sinne wahrnehmen. Die Büromöbelindustrie reagiert darauf ebenso mit natürlichen Materialien und Oberflächen. So kann ein Arbeitsplatz im Holzbau im Idealfall zum runden Ganzen werden. Zudem kann man mit diversen Holzbausystemen sehr flexibel in der Raumgestaltung bauen und auf sich verändernde Lebensbedürfnisse Rücksicht nehmen. Neue Funktionsmöbel werden diesen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Raumgestaltung unterstützen.

Zur Person

Nach ihrem Studium an der FH Wien für Unternehmensführung studierte Sophie Blaha Interior Design an der renommierten Universität Parsons School of Design in Manhattan. Bevor sie wieder nach Österreich zurückkehrte, war sie in einem Architekturbüro in New York beschäftigt. Seit Anfang 2020 ist die heute 31-Jährige an der Seite ihres Vaters in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens Blaha Büromöbel tätig. Als produzierendes Unternehmen vereint Blaha die Planung, Produktion und Gestaltung von Arbeitswelten an Ihrem Standort in Korneuburg.