Holzbau macht automatisch Sinn

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 16.08.2019 - 09:55
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Michael Flach, Leiter des Lehrstuhls für Holzbau an der Universität Innsbruck © Kathrin Lanz

Wie kommt man als Bauingenieur auf Holz?

Das Arbeiten mit Holz stand bei mir von Anfang an auf der Wunschliste – wobei ich anfänglich am liebsten Förster werden wollte. Während meines Bauingenieurstudiums hat mich der Holzbau mehr inspiriert als der Beton- oder der Stahlbau. Trotzdem absolvierte ich in Frankreich ein Aufbaustudium im Stahl- und Spannbetonbau, um für alle Baustoffe offen zu sein. Nach fünf Jahren Ingenieurstätigkeit war mir aber klar, wie langweilig es ist, Stahlbewehrungen für vordefinierte Betonquerschnitte zu berechnen. Bei meinem Wechsel zum Holzbau war mir wichtig, vom Besten – das war damals der sogenannte „Holzpapst“ Julius Natterer – zu lernen. Ich hatte das Glück, als Neueinsteiger in Großprojekte involviert zu werden, um mich rasch als Spezialist für weit gespannte Holzbauwerke zu profilieren. In knapp zehn Jahren realisierten wir über 200 Holzbauten.

Ab 2002 wurden Sie an die Universität Innsbruck berufen, um den Holzbaulehrstuhl aufzubauen. In 17 Jahren hat sich hier viel getan.

Genau. Vorerst hieß es, qualifiziertes Personal für Lehre und Forschung zu lukrieren. Es galt, eine neue Generation von Studenten heranzuziehen, aus denen wiederum ein wissenschaftlich hochwertiges Personal heranwuchs. Auch die Infrastruktur musste erst einmal aus eigenen Ressourcen geschaffen werden, um moderne holzgerechte Laboreinrichtungen und eine CNC Abbundanlage für die Holzforschung, wie wir sie heute betreiben, zu erwerben.

Unser Schwerpunktthema ist „Chance Vorfertigung“ – gibt es diese Chance?

In der Werkstatt lässt es sich wesentlich geschützter und mit Maschinen genauer und schneller arbeiten als auf der Baustelle. Auch die Arbeitssicherheit wird dadurch beträchtlich erhöht und man gewinnt viel Zeit auf der Baustelle. Die Planung und Vorbereitung sind allerdings aufwändiger und langwieriger als im Betonbau. Diese Zeit lässt sich aber während der Vorlaufzeit unterbringen, die der Betonbau braucht, um auf der Baustelle die Gründungen und Unterbauten zu realisieren.

Welche Chancen bietet der Trend dem Zimmerer?

Integrierte Vorfertigung gewinnt durch die Digitalisierung an Bedeutung und erfordert, dass Zimmereibetriebe immer mehr zu Generalunternehmern werden. Nur so können eine Logistik und eine Baukultur für den großvolumigen Holzbau entwickelt werden, die der starken Nachfrage nach mehrgeschossigem und verdichtetem Holzbau gerecht werden. Dementsprechend muss auch die Ausbildung von Fachkräften überdacht werden.

Haben Sie Denkanstöße bezüglich des Umgangs mit der Ressource Holz?

Nachdem die Nachfrage nach Holz aus Klimaschutzgründen zunehmend steigen wird, sollten wir ressourcenschonend damit umgehen. Dabei ist natürlich auch die Veränderung des Waldbestands und der Holzarten zu berücksichtigen. Die derzeitige Normung ist vorwiegend auf Nadelholz ausgerichtet, aber in Zukunft müssen wir gerade im Laubholzbereich forschen. Fichte wird weiterhin dominieren, aber Laubholz vor allem als Bestandteil von Hybridprodukten an Bedeutung gewinnen.

Materialverbrauch rechtfertigt zum Teil auch komplexe organische Strukturen.

Ich bin davon überzeugt, dass organische Formen, wie es uns die Natur vormacht, sparsamer mit der Ressource Holz umgehen. Dank der Digitalisierung hätte man viel mehr Möglichkeiten, rationell mit überschaubarem Aufwand organisch zu bauen. Das bedeutet eine Chance für den Holzbau.

Gibt es etwas, das der Holzbau falsch macht?

Die Marktanteile nehmen zu, da der ökologische Baustoff in Zeiten des Klimawandels einfach logisch ist. Der Holzbau hat dabei aber noch nicht den Platz, der ihm aus umweltpolitischer Sicht zusteht. Das liegt in erster Linie an einer falschen Einschätzung der Kosten. Derzeit werden ja immer noch nur die Primärkosten und nicht die Gesamtkosten inklusive des Lebenszyklus und des Schadens, der durch den Klimawandel entsteht, einbezogen. Der Holzbau muss aber auch in Zeiten der Hochkonjunktur darauf achten, dass die Preise nicht übertrieben explodieren und die Materiallieferungen keine Bauzeitverzögerungen verursachen.

Das politische Umfeld für den Holzbau in Österreich ist nicht optimal. Steht die Politik zu wenig hinter dem Holzbau?

In Österreich steht der Holzbau hoch im Kurs und ist ein maßgebender Wirtschaftsfaktor geworden, der auch politisch sehr gewürdigt wird. Insbesondere in Tirol hat der Holzbau in den vergangenen Jahrzehnten seine Produktionskapazitäten in vorbildlicher Weise erhöht, indem er eine geschlossene Wertschöpfungskette mit entsprechenden Holznebenprodukten geschaffen hat. Das hat wiederum ermöglicht, dass Österreich zum führenden Exportland für Holz geworden ist. Was die vorbildliche Wirkung des Einsatzes von Holz als Klimaschutzmaßnahme angeht, hat es die Politik allerdings verschlafen, hier Zeichen zu setzen.

Ihre Ära an der Universität Innsbruck geht im Oktober zu Ende: Was macht Professor Flach im Leben danach?

Ich bin sehr gerne sportlich unterwegs, habe Enkelkinder, eine Partnerin – für mein Privatleben werde ich künftig mehr Zeit haben. Ich denke, nach meinen beruflichen Lebensphasen, wie der Planung und Umsetzung von Holztragwerken sowie der Wissensvermittlung und Forschung, steht mein kommender Lebensabschnitt im Zeichen des sozialen Engagements zum Wohle der Gesellschaft. Daher arbeite ich zurzeit an einem sozialen Projekt für ein Mutter-Kind-Zentrum in Steinach und möchte mich bei „Ingenieure ohne Grenzen“ betätigen.

Das ist ein schöner Ansatz. Sie haben sicherlich einen genauso schönen Schlusssatz bereit?

(schmunzelt) Wenn man mit Holz baut, ist man automatisch jemand, der der Gesellschaft einen Nutzen tut und einen guten Beitrag für die Zukunft liefert. Was die Sinnhaftigkeit betrifft, ist Holzbau etwas, das unser Leben reicher macht.

Zur Person

Michael Flach, Jahrgang 1954, ist studierter Bauingenieur mit Vertiefung Holzbau. 1988 eröffnete er ein Ingenieurbüro gemeinsam mit Prof. Julius Natterer. Bis 2002 unterrichtete er an der Ecole Polytechnique Federale in Lausanne. Ab 2002 zählte Professor Flach am Lehrstuhl Holzbau an der Universität Innsbruck die Entwicklung neuer Holz- und Holzverbundprodukte sowie Gebäudehüllen und die Qualitätssicherung im Holzbau zu seinen Schwerpunkten. Rund 40 seiner Projekte wurden ausgezeichnet. Seine Forschungstätigkeit wurde im Jahr 2006 mit einer Anerkennung beim 1. Houskapreis ausgezeichnet. Stets legte Flach Wert auf praxisorientierte Forschung sowie die enge Zusammenarbeit mit Architekten und Bauingenieuren.