Mittelauflager als „Flugzeugträger“

Ein Artikel von Raphael Zeman | 30.01.2020 - 15:32

Auf einer Bruttogeschossfläche von 12.800 m2 kommen eine als Durchfahrt konzipierte Anlieferung, eine Produktionsfläche von 7500 m2 sowie Werkstätten und Mitarbeiterräumlichkeiten unter. Sollte der Platz in Zukunft zu eng werden, kann die Halle noch einmal um dieselbe Fläche erweitert werden. Nebenan wird außerdem ein dreigeschossiger Besucherpavillon errichtet und mittels einer Brücke, welche weiterführend durch die gesamte Halle verläuft, angeschlossen.

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Christoph Dünser, Architekt und Projektleiter © HK Architekten

Für das Konzept des Gebäudes zeichnet HK Architekten aus Schwarzach verantwortlich. Ganz besonders ausgeklügelt ist dabei die Dachkonstruktion des rund 114 mal 96,5 m messenden Neubaus. Ein knapp 4 m hoher Fachwerkbinder überspannt die etwa 82 m lange Produktionsfläche – und das mit nur einer mittig platzierten Stütze. Die Halle ist in fünf, etwa 18 m breite Schiffe unterteilt und fast ausschließlich in Holzbauweise errichtet. Dank einer novellierten Industriebauverordnung war es möglich, die Raumabschlüsse zum Bereich Anlieferung und zur Westspange, welche die Technik aufnimmt, in Form von Brandwand-Ersatzwänden auszuführen. In der Ostspange befinden sich Werkstätten und Sozialräume. Diese Seitenbauten beinhalten zudem die Gebäudekerne in Brettsperrholz, die mithilfe der integrierten Randstützen die Lasten des Hauptfachwerkes aufnehmen. Jene Hauptfachwerke sind in Längsrichtung von rund 18 m breiten Nebenfachwerken unterspannt, welche wiederum entweder an die Hauptfachwerke, Giebelstützen oder REI 90 B-Wand angeschlossen sind.

Filigrane Konstruktion dank leistungsfähigen Materials

Ein entscheidender Faktor für das Gelingen des Projekts war die Verwendung von BauBuche. Damit wurden Haupt- und Nebenfachwerkträger, Dachverband sowie Rand- und Mittelstützen der Hauptfachwerke ausgeführt. Das Material weist gegenüber herkömmlichem Brettschichtholz eine etwa dreimal so hohe Biege-, Druck- und Zugfestigkeit auf, wodurch zimmermannsmäßige Kontaktanschlüsse ermöglicht werden. Die hohe Rohdichte des Baustoffes begünstigt zudem die Verwendung von Schrauben, da diese bereits ab einer Einschraublänge vom rund Zehnfachen des Nenndurchmessers ihre volle Tragfähigkeit erreichen. Durch einen sehr hohen Ausnutzungsgrad hielt man die Dimensionen möglichst gering und benötigte „lediglich“ ein Volumen von 420 m3 BauBuche, das das Creuzburger Unternehmen Pollmeier lieferte und von Schlosser Holzbau aus Jagstzell verbaut wurde.

Statisches Meisterwerk

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Henning Ernst, Tragwerksplaner © SWG Produktion

Vor allem das Mittelauflager, das der Tragwerksplaner Henning Ernst von SWG-Engineering entwickelte, zeugt von hoher Ingenieurskunst, denn es muss die Lasten von fünf, durch Druckkraft beanspruchten Stäben aufnehmen. Die Kräfte der vertikal und der beiden diagonal einwirkenden Stäbe werden dabei nach unten abgeleitet und gleichzeitig wird eine Lastdurchleitung über Querdruck der beiden horizontalen Stäbe im Untergurt vermieden. Entscheidend ist dabei, die Kräfte der Diagonalstäbe durch den Anschluss über zwei Druckpunkte zu verteilen: Die eine Lastkomponente wirkt senkrecht zur Winkelhalbierenden zwischen Diagonale und Stütze, die andere senkrecht zur Winkelhalbierenden zwischen Diagonale und Gurtstab beziehungsweise Schubholz. Das erreichte man durch eine innenseitige Ausnehmung der Diagonalstäbe sowie eine außenseitige Reduktion der Untergurtstäbe. So kann ein Teil der Diagonalen am Untergurt vorbeigeführt werden und dieser bis zum Schwerpunkt des Anschlusses durchlaufen. Zudem schnitt man die Kontaktflächen zwischen Stütze und äußeren Laschen der Diagonalen auf die gemeinsame Winkelhalbierende. Die Innenseiten der Diagonalen stoßen in der gemeinsamen Winkelhalbierenden gegen eine Schubknagge. Dadurch werden beide Lastkomponenten in die Stütze beziehungsweise Knagge, welche die Kräfte mittels unterseitiger Verzahnung wiederum in die Gurtstäbe einleitet, abgetragen. Eine vertikale Verschraubung der Knagge mit den Untergurtstäben nimmt die durch die Verzahnung entstehenden Umlenkkräfte auf. Sowohl die Diagonal- als auch die Untergurtstäbe werden auf einen stumpfen Stoß geführt, zudem wird die Druckkraft der Letzteren ebenfalls über Laschen und Längsdruck in die Stütze eingeleitet.

„Verlängerter“ Treppenversatz erhöht Tragfähigkeit

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© Juergen Stanka

Ein weiteres interessantes technisches Detail im Hauptfachwerk stellt der Anschluss der Diagonalen im Obergurt dar. Diese führte man, je nach anzuschließender Kraft, in Form eines Treppen- oder „verlängerten“ Treppenversatzes, also einer Aneinanderreihung von Fersenversätzen aus. Hierbei gilt es, das Abscheren der Treppenstufen am Gurt zu beachten. Um die Tragfähigkeit dieser Anschlüsse zu erhöhen, ordnete man die Furniere stehend an. Wo die notwendige Schubfestigkeit dennoch nicht erreicht werden konnte, vergrößerte man die Anschlussfläche mithilfe einer Knagge, welche die Diagonalkraft in einen flacheren Winkel umlenkt. Die senkrecht zum Gurtholz wirkende Kraft leitete man über Querpressung in den Gurt ein.

Bereits im kommenden Jahr wird die neue Produktionshalle in Waldenburg in Betrieb genommen. Von außen weißt sie mit ihrer Fassade auf den metallverarbeitenden Betrieb von SWG Produktion hin. Im Inneren jedoch verkörpert sie die (rund 12 m) hohe Holzbaukunst der beteiligten planenden und ausführenden Unternehmen.