Der schlampige Sachverständige

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 11.11.2020 - 12:46
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Ausgangspunkt war hier ein Sachverständiger, der mehr als nachlässig agierte und damit dem Auftraggeber eines schlüsselfertigen Hauses Schaden zufügte. Er selbst hatte mit ihm keinen Vertrag über die gutachterliche Tätigkeit, sondern mit dem ausführenden Bauunternehmen. Dieses hatte den Auftrag zur Bestätigung gegeben, dass Rohbau und Dach des Hauses fertiggestellt sind, der dritte Bauabschnitt beendet und somit die dritte Rate des Werklohnes fällig sei. Dieses Gutachten erstellte dann auch der Sachverständige und der hoffnungsvolle Auftraggeber des Hauses zahlte. Nur leider war der dritte Abschnitt nicht fertiggestellt und wies zusätzlich zahlreiche erkennbare Mängel auf. Dass mit dieser erfolgten Zahlung dann die Bauarbeiten eingestellt wurden und das Unternehmen Konkurs anmeldete, verschlimmerte noch die Situation des Bauherrn. Natürlich wurde deshalb versucht – letztendlich erfolgreich –, sich am Gutachter schadlos zu halten.

Ersatzpflicht steht nur Vertragspartner zu

Bereits in der allerersten Feststellung im Urteil des Höchstgerichts wurde klargestellt, dass die Ersatzpflicht grundsätzlich nur dem Vertragspartner zusteht. Hier gab es zwar keinen Vertrag, das Wort „grundsätzlich“ deutet aber schon darauf hin, dass es Ausnahmen gibt – so auch hier. Das Konstrukt nennt sich Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und das Höchstgericht bringt es hier zur Anwendung, weil es meint, der Bauherr wäre hier schutzwürdig.

Gericht zitierte anderen Fall

In den Ausführungen des Gerichts wurde auch ein anderer, ähnlich gelagerter Fall zitiert. Dabei erstellte ein Sachverständiger bei der Ermittlung der Energiekennzahl eines Gebäudes im Rahmen eines Kaufes ein grundfalsches Gutachten mit wesentlich besseren Werten, das Grundlage für den Kaufvertrag war. Hier wie dort gab es eine „objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht“ des Sachverständigen zugunsten eines Dritten, wenn Ersterer damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für das Handeln des Dritten bilden werde. Der Geschädigte ist also dann geschützt, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll. Wesentlich ist daher vor allem, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde. Im ersten vorliegenden Fall bezog es sich auf die Veräußerung eines Hauses, wofür das Gutachten erforderlich war. Dieses wiederum hatte Einfluss auf den Kaufpreis. Aktuell war die gutachterliche Unterlage Anlass zur Zahlung der dritten Rate.

Schaden durch Differenzrechnung zu ermitteln

Zur Schadensberechnung wurde noch gerichtlich festgehalten: Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln: Es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen. Übersetzt und verkürzt heißt dies: Es sind die kostenmäßigen, negativen Folgen des Falschgutachtens zu ersetzen.