Wärme speichern im Eis

Ein Artikel von Stefan Leitner | 26.02.2021 - 12:17
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Vorteile gegenüber einer konventionellen Wärmepumpe: 
+ Speicherung auf niedrigem Temperaturniveau
+ Über das ganze Jahr betrachtet höherer Wirkungsgrad
+ Möglichkeit, im Sommer zu kühlen   Nachteile gegenüber einer konventionellen Wärmepumpe:
Höherer Investitionsbedarf
Komplexe Steuer- und Regelungstechnik

Der beste Weg, um beim Wohnen Energie zu sparen, ist eine bedürfnisorientierte, intelligente Planung. Am umweltfreundlichsten ist die Energie, die erst gar nicht gebraucht wird.  Eine effiziente Haustechnik bzw. die Nutzung von physikalischen Prozessen und natürlichen Gegebenheiten kann darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung leisten. Die Eisspeicher-Technik ist zwar noch wenig verbreitet, sie hat aber den Sprung vom Experiment zum Industrieprodukt bereits geschafft. Es gibt mehrere Anbieter mit fertigen Lösungen für verschiedene Bauaufgaben am Markt. Die Kombination mit einem Holzbau bietet sich an, schließlich ist bei Gebäuden mit Eisspeicherung eine gut gedämmte Hülle besonders gefragt.

Eine Frage der Umwandlung und Speicherung

Die Sonne liefert auch in unseren Breiten ausreichend Energie: Rund 1.000 kWh treffen pro Quadratmeter im Jahr auf. Die Herausforderung ist es, diese Energie so umzuwandeln und zu speichern, dass sie dann zur Verfügung steht, wenn wir sie brauchen.

Physikalische Grundlage: Kristallisationswärme

Eine besonders intelligente Lösung ist die sogenannte Eisspeicherung. Sie nutzt ein physikalisches Grundgesetz: Wenn ein Stoff seinen Aggregatzustand von flüssig auf fest ändert, wird die sogenannte Kristallisationswärme freigesetzt. Bei Wasser entspricht die Kristallisationswärme der Energie, die notwendig wäre, um es auf 80° C zu erhitzen. 10 m³ Wasser setzen bei der Vereisung die Energie von 100 l Heizöl frei. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik, der sogenannte Energieerhaltungssatz, bedingt umgekehrt, dass der Umgebung beim Schmelzen Energie entzogen wird.

Wärme speichern im Eis

Bei der Eisspeicherung wird die Energie aus dem Wechsel der Aggregatzustände des Wassers als Energiespeicher genutzt. Wenn Wärme benötigt wird, wird sie dem zunächst noch flüssigen Wasser einer meist im Garten vergrabenen Zisterne entzogen. Für ein Einfamilienhaus reicht ein Fassungsvermögen von etwa 10 m³ aus. Wenn das Wasser als Folge der Temperaturentnahme durch den Wärmetauscher einer Wärmepumpe gefriert, entsteht Kristallisationswärme.  Auch diese Energie wird mit der Wärmepumpe genutzt. Wenn überschüssige Energie, beispielsweise aus Sonnenkollektoren, zur Verfügung steht, kann sie verwendet werden, um den Speicher über einen sogenannten Regenerationswärmetauscher wieder „aufzuladen“, sprich das Eis aufzutauen. Die Wärme aus dem angrenzenden Erdreich leistet ebenfalls einen Beitrag zur Regeneration. Im Sommer kann der Eisspeicher die Kühlung des Gebäudes unterstützen.

Georg Bechter, Hittisau

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© Georg Bechter

Architekt und Designer Georg Bechter hat umgebaut: Aus dem Stall seines Vaters wurde ein 850 m³ Werk- und Büroraum. Gebaut wurde mit Holz, Stroh aus der Region und Lehm aus der eigenen Baugrube. Die Energiebereitstellung für das Gebäude erfolgt mittels Solar- und Photovoltaikanlage in Kombination mit einer Eisspeicheranlage. Als Eisspeicher hat sich eine bestehende leere Jauchegrube angeboten.

Bauherr und Planer: Arch. Georg Bechter Architektur + Design
Ausführung: Dr‘ Holzbauer, Dietmar Berchtold GmbH
Standort: Hittisau
Fertigstellung: 2020
BGF: 850 m²

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© Georg Bechter, Hittisau

Kampa K8

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KAMPA K8: Prototyp eines achtgeschossigen Holzbaus in Plus-Energie-Standard © KAMPA GmbH

Das K8 ist der gebaute Prototyp eines skalierbaren Baukastenkonzepts für mehrgeschossige Holzbauten des Fertighausherstellers KAMPA in Aalen-
Waldhausen. Die Heizung erfolgt mit drei Standard-Wärmepumpen in Kombination mit einem 685 m3 großen Eisspeicher mit 186 m² Solar-Luft-Kollektoren zur Regeneration. Die Antriebsenergie für Heizung, Lüftung und Wasser erfolgt mit einer 60 kWp Photovoltaikanlage am Dach. Das Gebäude leistet einen jährlichen Energieüberschuss von rund 14.000 KWh und erreicht Plusenergie-Standard.

Bauherr: KAMPA Beteiligungs GmbH & Co. KG
Planer: Florian Nagler Architekten GmbH
Ausführung: Beteiligungs GmbH & Co. KG
Standort: Aalen-Waldhausen (D)
Fertigstellung: 2014
Nutzfläche: 3.000 m²

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Der Eisspeicher des K8 umfasst 685 m³. © Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH

Erste Versuche mit PCM (Phase-Changing Materials)

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© Hochschule Mannheim

Eine derzeit im Forschungsstadium befindliche Technologie, die ebenfalls die Änderung des Aggregatzustandes nutzt, ist der Einsatz von Phase-Changing-Materials (PCM) als Speichermasse im Innenraum. Unter den richtigen Voraussetzungen haben sie die zehnfache Speicherfähigkeit von Beton. In einem kürzlich veröffentlichten Projekt der Hochschule Mannheim in Zusammenarbeit mit der Firma Willi Mayer Holzbau wurden PCM in der belüfteten Vorsatzschale eines Versuchsgebäudes eingebaut. Als PCM kam eine spezielle Mischung aus Salzhydraten mit einer Schmelztemperatur von 21-22° C zum Einsatz. Beim Schmelzen wird der Umgebungsluft Energie entzogen, bei der Kristallisierung Energie abgegeben. Die Messdaten einer 89-tägigen Monitoringphase sind vielversprechend und zeigten eine deutliche Amplitudendämpfung der Raumtemperatur. An einer Weiterentwicklung wird gearbeitet. Das Material könnte konzentriert in einen zentralen Speicher eingebaut und mit einer kontrollierten Be- und Entlüftung gekoppelt werden.

Überschätzte Speichermasse

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Einbau von PCM in die belüftete Vorsatzschale eines Versuchsgebäudes. Der Speicher bewirkte einen Ausgleich der Raumtemperaturen. © Hochschule Mannheim

Simulationsberechnungen des Labors für Bauphysik an der TU Graz im Jahr 2015 zeigten, dass die Vermeidung sommerlicher Überwärmung sehr effektiv mit Verschattung und einem hohen Luftwechsel erreicht werden kann. Die Speichermasse der unterschiedlichen untersuchten Bauweisen hatte hingegen relativ wenig Auswirkungen auf die Sommertauglichkeit. Speichermasse kann speziell in Ballungsräumen, wo durch den Klimawandel mit einem deutlichen Anstieg der Tropennächte zu rechnen ist, sogar zur Falle werden. In Tropennächten sinkt die Temperatur nachts nicht unter 20° C ab. Deshalb können aufgeheizte Bauteile kaum abkühlen.