Holzbauinstitut samt Roboterlabor

Ein Artikel von Raphael Zeman | 19.07.2022 - 08:28
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Univ.Prof. Dr. Benjamin Kromoser, Leiter des Instituts Hochbau, Holzbau und kreislaufgerchtes Bauen © Christoph Panzer

Herr Kromoser, können Sie uns kurz erklären, wie das neue Institut für Hochbau, Holzbau und kreislaufgerechtes Bauen an der BOKU zustande gekommen ist?

Das hat zweierlei Gründe. Einerseits hatte ich vier Jahre lang bis Januar 2022 die Stiftungsprofessur für biobasiertes Konstruieren inne. Die Arbeitsgruppe hat sich in dieser Zeit sehr positiv entwickelt. Mein Team is von anfangs zwei auf mittlerweile zwölf Mitarbeiter angewachsen und ich habe nun drei weitere Stellen ausgeschrieben. Bis zum Ende des Jahres wird sich mein Bereich, ohne studentische Mitarbeiter und externe Lektoren zu berücksichtigen, auf 15 bis 17 Personen vergrößern. Die BOKU hat Ende 2020 die §98 Professur für Ressourceneffizienten Hochbau ausgeschrieben, die ich dann für mich entscheiden konnte und nun seit Februar 2022 inne haben. Auf Grundlage dieser positiven Entwicklungen hat man sich auf Departmentebene entschieden dass der Arbeitsbereich in einem eigenen Institut fortgeführt werden soll. Und zweitens: Obwohl die BOKU über gute Kompetenzen in Bezug auf ressourcenschonendes Bauen verfügt, war das nach außen nur bedingt sichbar. Durch das neue Institut, ist nun auch viel deutlicher erkennbar, dass auch der Bausektor in unserer Forschung und Lehre an der BOKU umfassend abgebildet wird.

Das heißt, die ersten Lehrveranstaltungen starten dann im Herbst? Was wird am neuen Institut konkret unterrichtet?

Genau genommen gibt es die meisten Lehrveranstaltungen (LVs) bereits, nur werden einige, die ich am Institut für konstruktiven Ingenieurbau gehalten habe, dem neuen Institut zugeordnet. Im Wintersemester sind das beispielsweise die LVs Angewandte Festigkeitslehre – das ist ein Grundlagenfach für die Holztechnologen und Forstwirte –, Ressourceneffizientes Bauen und Material- und Werkstoffkunde. Im Sommersemester gibt es bereits Environmental Impacts of Materials and Constructions, Hochbau und Bauphysik – eines der wesentlichsten Fächer mit Vorlesung, Projekt und Exkursion –, digitale Planung und automatisiertes Bauen und alle Fächer rund um die Thematik Konstruktiver Holzbau.

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© Christoph Panzer

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Das Besondere an der Tragstruktur ist der Knoten: Die geschlitzten Platten und Stäbe sind bei jedem Ende gleich angearbeitet. Das vereinfacht die Planung und ermöglicht eine Wiederverwendung bei anderen Projekten. ©  Christoph Panzer

Das ist ein umfassendes Portfolio.

Allerdings. Wir haben uns die fünf Schwerpunkte Hochbau, Holzbau, automatisiertes, kreislaufgerechtes und nachhaltiges Gestalten und Bauen gesetzt. Da gibt es vielleicht eine kleine Dopplung, aber der Hintergrund ist, dass die BOKU die Zusage für eine Stiftungsprofessur aus dem Waldfonds bekommen hat. Der Bereich nachhaltiges Gestalten und Bauen ist eben dafür vorbereitet und geht in Richtung Architektur. Momentan sind bei mir hauptsächlich Bauingenieure und Kulturtechniker in der Arbeitsgruppe.

Und diese arbeiten jetzt in Groß-Enzersdorf im Roboterlabor. Wie ist es zu dieser Halle in der Halle gekommen?

Ich habe längere Zeit nach einem Ort für dieses Labor gesucht. Die BOKU ist stark gewachsen, es gibt überall Platzmangel. Dann haben wir diese Bestandshalle in Groß-Enzersdorf gefunden. Um die Umwelt nicht mit Lärm und Staub zu belasten, wollten wir uns eine Einhausung bauen. Die Idee war, dass zuerst der Roboter geliefert wird und wir diesen schon für den Abbund verwenden – um ihn kennenzulernen und gleich für Forschungstätigkeiten einsetzen zu können. Daraus entstand auch der gekrümmte Bogenbinder, der vom Greifraum des Roboters inspiriert ist. Das Tragwerk ist strukturoptimiert und wir wollten es logischerweise aus Holz bauen. Daraus entstand ein Tragwerk aus Buchensperrholz-Platten, Buchendübeln und Konstruktionsvollholz-Stäben, das vom Roboter abgebunden und von unserer Arbeitsgruppe in Eigenregie errichtet wurde. Für die Verbindungen haben wir eine große Anzahl an Versuchen mit eingeschlitzten Platten gemacht, denn der Eurocode regelt nur stiftförmige Meallverbindungsmittel, aber keine aus Holz. Deshalb haben wir unterschiedliche Hölzer für die Dübel, unterschiedliche Plattenstärken und Holzarten hinsichtlich dem Tragverhalten getestet. Jetzt machen wir gerade weitere Detailversuche und wollen im Anschluss eine Anpassung bzw. Ergänzung für das Bemessungsmodell nach Eurocode vorschlagen.

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Um die Umwelt nicht mit Staub und Lärm zu belasten, baute man sich eine Holzhülle in die Bestandshalle. Diese wird nun für Lehre und Forschung genutzt, so zum Beispiel in der Lehrveranstaltung „Digitale Planung und automatisiertes Bauen“. © Christoph Panzer

Das Besondere an der Struktur des Labors ist also die Verbindung.

Genau. Die Anarbeitung bei den Stäben ist immer gleich, die ganze Komplexität ist im Knoten – was die Planung erleichtert und eine Wiederverwendung ermöglicht.

Sie haben bereits vergangenes Jahr über Materialeffizienz durch Strukturoptimierung und deren effiziente Herstellung gesprochen. Gibt es weitere Projekte in diese Richtung?

Ja, mit Herbst starten zwei große Projekte mit Holzbauthematik. Eines davon heißt „3DP-Biowall: Additive manufacturing of fully-recyclable wall systems made from renewable materials“. Dabei stellen wir mit unserem Roboter Versuchskörper aus Sägespänen, Lignin und Stärke ohne synthetischen Klebstoff her. Dadurch ist dieses Material rein biologisch und kann im Kreislauf geführt werden. Man könnte es also auftrennen und aus der Wand wieder eine Wand machen. Besonders spannend ist dabei, dass wir Sägenebenprodukte und Lignosulfonat – ein Abfall aus der Papierindustrie – verwenden können. Dabei ist natürlich auch möglich, die ganzen Fraktionen, die nicht sägefähig sind, zu zerkleinern und für diese Zwecke zu verwenden. Wir machen also den gesägten Produkten wie BSP keine Konkurrenz, sondern versuchen den möglichen Umfang der Holzprodukte für die Bauindustrie zu erhöhen. Das zweite Projekt heißt „Prefab.Facade – Performance-Steigerung von kreislauffähigen, seriell vorgefertigten Fassadenelementen“. Dabei werden Fassaden vermessen, segmentiert und die Daten anschließend für den automatisierten Fertigungsprozess vorbereitet und dieser dann auch umgesetzt. Das heißt, zur thermischen Fassadensanierung werden dann nicht Vollwärmedämm-Verbundsysteme, Styropor etc. verwendet, sondern diese kreislauffähigen Fassadenelemente. Unser erster Prototyp ist ein Holzrahmen, der vorne und hinten beplankt und mit Dämmung aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Cellulose, Hanf oder Flachs, gefüllt ist. Der Vorteil an dieser Lösung ist die serielle Vorfertigung und die schnelle Montage durch das einfache Einhängen. Unser Ziel ist jetzt zu evaluieren, wo Optimierungspotenzial besteht bzw. in welcher Ausführungsform diese Fassaden wirtschaftlich werden können.

Sind diese Elemente dezidiert für thermische Sanierungen gedacht?

Nicht ausschließlich, sie können mit dem selbsttragenden Rahmen natürlich auch im Neubau eingesetzt werden.

Hinsichtlich Klimakrise ist ein Hinweis auf Bestandssanierungen hier dennoch nicht verkehrt.

Ja, das hier vorhandene Potenzial wird immer noch nicht überall wahrgenommen. Ich habe vor Kurzem eine Zusammenstellung über die Möglichkeiten der Gebäudeweiterentwicklung gemacht und hier als Beispiel einen Ziegelbau aus den 1930er-Jahren herangezogen. Dabei habe ich vier Varianten verglichen. Varianten A bis C beinhalteten einen kompletten Abriss und Neubau in Ziegelbauweise, mit BSP-Oberbau und in Beton. Variante D war ein Erhalt des Bestands. Das Ergebnis: Egal welche Variante ich wähle, sobald abgerissen und neu gebaut wird, sind für den Neubau – auch bei Verwendung von Recyclingmaterialien – große Mengen an Primärrohstoffen und Primärenergie erforderlich. Am besten ist es, wenn ich den Bestand stehen lasse – denn das ist die große Masse. Daher ist die Weiterentwicklung des Gebäudebestands das Um und Auf. Es gibt diese Aussage: „Österreich ist schon gebaut.“ In meinen Augen stimmt das.

Sie sagten 2021 auch, dass man sich überlegen muss, wie man die klein strukturierten Betriebe mit ihrem großen Know-how in gemeinsam in die Zukunft führt. Ist das neue Institut ein Schritt in diese Richtung?

Es ist auf jeden Fall ein Beitrag. Wir beschäftigen uns teils noch mit dem Handwerk, hauptsächlich aber natürlich mit der akademischen Ausbildung auf dem Gebiet. Je mehr Fachkräfte wir in diesem Bereich aufbauen, umso mehr hilft man natürlich der lokalen Wirtschaft – sowohl den klein strukturierten Betrieben als auch der Industrie. Und wenn man beide Seiten kennenlernt, kann man diese besser vernetzen – das ist ganz klar der Gedanke dahinter. Ich bin auch Teil eines Konsortiums für ein Projekt unter der Federführung der FH Johanneum Graz, wo es allgemein um die Weiterentwicklung des Holzbaus geht und wo wir genau dieses Thema behandeln würden. Wie sieht die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Betrieben aus, wo sind die Schnittstellen und wie können diese verbessert werden? Das Projekt ist allerdings erst eingereicht und es ist noch nicht entschieden, ob es gefördert wird.

Sie haben vorhin bereits den Waldfonds erwähnt. Profitieren Sie bzw. die BOKU viel von dieser Fördermaßnahme? 

Ja definitiv. „3DP-Biowall“ und die kurz vor Ausschreibung befindliche Stiftungsproffessur für Nachhaltiges Gestalten und Bauen – Neues Europäisches Bauhaus (BMLRT) sind Waldfonds-Projekte. Das gerade genannte Projekt zur Steigerung der Konkurrenzfähigkeit des Holzbaus und noch zwei weitere, an denen wir beteiligt sind, wurden beim Waldfonds eingereicht und werden erst entschieden. Es ist eine einzigartige Situation, dass in diesem Themengebiet in Österreich ein eigener Fördertopf geschaffen werden konnte, um den Holzbau weiterzubringen. Ich finde das großartig und nur so ist es möglich, dass wir uns in Österreich als Technologieführer weiter beweisen können.

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Das Tragwerk besteht aus Buchensperrholz-Platten, Buchendübeln und Konstruktionsvollholz-Stäben, wurde direkt mit dem neuen Roboter abgebunden und von der Arbeitsgruppe in Eigenregie errichtet. © Christoph Panzer

Eine Frage, die wir uns in dieser Ausgabe als Grundsatzfrage stellen: Sind die serielle Vorfertigung und Planung der Tod des individuell Schönen? Leidet die Architektur unter der Vervielfältigung?

Das ist eine äußerst berechtigte Frage, über die wir selbst auch in mehreren Projekten sehr intensiv nachdenken. Das neue europäische Bauhaus beruht ja auch auf den drei Säulen Nachhaltigkeit, Ästhetik und Schönheit sowie Inklusion. Die in unterschiedlichsten Formen ausgeprägte Baukultur ist zudem ein Spezifikum von Europa. Grundsätzlich trägt das serielle Bauen, wie man es früher kannte, natürlich nicht zur Ästhetik bei. Wenn man aber mass customization-Ansätze denkt, hat man schon eine gewisse Variabilität. Man muss dann auch selbst unterscheiden – und wir analysieren das gerade –, warum gewisse Bausysteme gescheitert sind. Früher wurden meistens immer wieder die gleichen Bauteile hergestellt. Eine von mir betreute Masterarbeit hat sich mit der Flexibilisierung des Raumzellenbaus beschäftigt und untersucht, ob man mit einem Set an Modulen mehr Flexibilität erreicht – und das tut man. Das gewährt zumindest schon einmal eine gewisse Individualität. Für uns ist Folgendes besonders wichtig zu untersuchen: Wenn man automatisieren möchte, braucht man einen wiederholbaren Prozess. Aber man muss hinterfragen, was eigentlich als individuell empfunden wird. Denn womöglich kann ich einen Herstellungsprozess immer wiederholen, aber das Gefühl der Individualität aufrechterhalten. Ich denke da zum Beispiel an einen schwedischen Möbelhersteller. Jeder kann dort seine Küche individuell zusammenstellen und es ist trotzdem ein Massenprodukt. Natürlich ist es beim Bauen komplexer, aber in diese Richtung muss man gehen. Ein gelungenes Beispiel dafür sehe ich im Vivihouse, einem Projekt der TU Wien. Bei uns an der BOKU schließt sich in meinen Augen mit dem Institut für nachhaltiges Gestalten und Bauen der Kreis und man kann das Feld – insbesondere für den Holzbau – komplett bedienen. Wenn man dann bedenkt, dass außerhalb des Instituts an der BOKU noch die gesamte Wertschöpfungskette Holz abgebildet wird, ergibt sich ein sehr rundes Bild.

Die Zukunft des Bauens besteht also aus standardisierten Tragsystemen und Modulen, aus denen ich ein Gebäude zusammenstelle?

Wahrscheinlich schon, ja.

Wo werden sich dann die Zimmerer in diesem System wiederfinden? Als bloße Monteure auf der Baustelle?

Das ist eine berechtigte Frage, aber ich glaube, nein. Denn wenn der Prozess gut aufgebaut wird, braucht man das Know-how der Zimmerer nach wie vor. Und das ist genau das, was derzeit fehlt. Eine gute Vernetzung, damit das Know-how der Zimmerer in die Entwicklung solcher Systeme einfließt. Das ist momentan unser Problem und das muss man unbedingt mehr etablieren. Deswegen ist auch die Forschung an der Schnittstelle essenziell, um die „neue“ Rolle der Zimmerer besser zu definieren.