Am Puls der Zeit

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 21.12.2022 - 10:59
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Am 20.000 m2 großen Areal vereint das Holzbauunternehmen Flexibilität mit Qualitätsbewusstsein. © Weißhaidinger Ingenieur-Holzbau

Peter Weißhaidinger gründete seinen Betrieb 1991 als technisches Büro, ein Jahr später kam die Zimmerei dazu. Davor war er bei dem Altheimer Familienbetrieb Wiehag beschäftigt. Sein enger Kollege dort war Karl Niedermayer. Eine Bekanntschaft, die noch schicksalhaft werden sollte, wie sich später herausstellte. Denn Anfang 2012 bekam Weißhaidinger eine folgenschwere Krebsdiagnose und brauchte rasch eine vertrauensvolle Nachfolge für seinen Betrieb. Weißhaidingers Sohn Fabian war erst 17 Jahre und steckte mitten in der Zimmererlehre – in einem Fremdbetrieb, darauf hatte sein Vater größten Wert gelegt. Niedermayer war damals schon über 30 Jahre bei Wiehag beschäftigt. „Vom Monteur bis zum Bereichsleiter habe ich in dem Unternehmen alle Stationen durchlaufen“, erzählt der Holzbau-Meister beim Besuch von holzbau austria in Taufkirchen an der Pram. An Erfahrung, einen Zimmereibetrieb zu übernehmen, fehlte es ihm nicht. Und an Vertrauen fehlte es wiederum Weißhaidiger nicht. Er legte die Geschicke, sein Vermächtnis, in Niedermayers Handwerkerhände. „Noch am Sterbebett habe ich die Generalvollmacht unterschrieben“, erzählt Niedermayer, dem man ansieht, dass ihm der Tod seines Kollegen und Freundes nahe ging.

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In der Produktionshalle wickelt man sowohl Modulbau mit der höchsten Vorfertigungsstufe als auch Elementbauweise ab. © Weißhaidinger Ingenieur-Holzbau

Durchdachtes Betriebskonzept

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Seit 2013 ist Karl Niedermayer Geschäftsführer des Innviertler Holzbaubetriebes. © Kathrin Lanz

Seit Anfang Januar 2013 leitet Karl Niedermayer also die Geschicke von Weißhaidinger Ingenieur-Holzbau. Die Witwe Gabriele Weißhaidinger hält die Eigentümeranteile der Firma. Fabian Weißhaidinger ist mittlerweile im väterlichen Betrieb beschäftigt. „Bei der Anlagenbedienung ist Fabian ein Vollprofi“, schwärmt Niedermayer, als wir ihn in der 3000m2-großen Abbundhalle vor der Hundegger K2i treffen. Über uns schweben zwei 10t-Hallenkräne, ein dritter 20t-Kran managt Be- und Entladungen vor der Halle. Im Anschluss befindet sich eine Tischlerei und im zweiten Gebäude eine Schlosserei. Auf dem Dach kam im März eine Photovoltaik-Anlage zu liegen. „Gerade noch rechtzeitig“, lacht Niedermayer, der sich keine Sorgen um Lieferschwierigkeiten von PV-Anlagen machen muss. „Damit sind wir nahezu energieautark“, freut sich der Innviertler über die rentable Investition. Zudem werden alle Holzabfälle des Unternehmens aufbereitet und als Hackschnitzel zum Heizen verwendet.

Stahlbau mitgedacht

In nächster Zukunft kommt eine zweite Abbundanlage dazu. Wie das bei den derzeitigen Lieferzeiten von über zwei Jahren möglich ist? Bei der Neuanschaffung handelt es sich um eine fünf Jahre alte Gebrauchtmaschine eines befreundeten Holzbauers. „Es ist wieder eine Hundegger, eine Speedcut mit genau derselben Software, die wir jetzt schon verwenden.“ Diese Anschaffung sei angedacht, um den Lohnabbund im Betrieb zu intensivieren, erfahren wir wieder im Büro angekommen. Über dem Tisch hängt das Kapital des Unternehmens, ein Bild der Mannschaft. „Wir haben ein sehr junges Team.“ Aber nicht aufgrund hoher Fluktuation, wie man annehmen möchte. „Die Fluktuation ist bei uns sehr gering. Den ersten Techniker, den Peter eingestellt hat, der ist noch immer da. Geschätzt 90% der Belegschaft absolvierten bereits die Lehre im Betrieb“, konstatiert Niedermayer. Heuer hätte er nur einen Lehrling bekommen, im vergangenen Jahr waren es dafür fünf. Insgesamt beschäftigt der Betrieb 35 Mitarbeiter, 25 davon in der Werkstatt.

Wie der Name schon sagt, liegt ein Unternehmensschwerpunkt auf dem Ingenieurholzbau. Über Kompetenzen im Stahlbau und Schwarzdeckerbereich verfügt der oberösterreichische Zimmereibetrieb ebenfalls. „Das verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Betrieben. Es gibt nicht viele, die den Stahlbau mitdenken können.“

7000 verschiedene Holzbauteile

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Fabian Weißhaidinger in der 3000 m2-großen Abbundhalle. Er gilt als Vollprofi an der Abbundanlage. © Weißhaidinger Ingenieur-Holzbau

Ein weiterer Schwerpunkt sind Sonderkonstruktionen mit hohem Schwierigkeitsgrad, die zum Teil schon in der Planungsphase durch die Ingenieure und Techniker im Betrieb mitgestaltet und beeinflusst werden. Eines der herausforderndsten Projekte, das Niedermayer in den vergangenen zehn Jahren gebaut hat, war mit Sicherheit ein nach anthroposophischen Grundsätzen konzipiertes Seniorenheim in Puch im Tennengau. 120m lang und 30m breit „wird der Blick durch eine Biegung abgefangen“, erläuterte der Architekt und Bildhauer Christian Hitsch während der Errichtung im Jahr 2017 gegenüber dem ORF. Dadurch ließen sich demotivierende „Endlosgänge“ vermeiden und engere Blickachsen bilden, womit zu gehende Ziele für Senioren näher erscheinen. So einzigartig das Konzept, so herausfordernd die Konstruktion. Die komplexe Dachgeometrie hatte 7000 verschiedene Holzbauteile zur Folge. „Wenn man da nicht BIM-fähig ist, hat man überhaupt keine Chance“, erläutert Niedermayer. „Wir waren der einzige von 35 angefragten Betrieben im Umkreis, der sich das Projekt zugetraut hat.“

Keine Zukunftsängste

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© Weißhaidinger Ingenieur-Holzbau

Ein hoher Vorfertigungsgrad ist ebenso ein Credo des Geschäftsführers. In der eigens kreierten Modulbaulinie „Edgar“ kommt diese Einstellung vollends zu tragen. Vom Carport bis zum Einfamilienhaus mit flexiblem Raster von 6,80m, 7,80m oder 8,80m sind viele Nutzungsmöglichkeiten denkbar. Ein Beispiel zeigt die Flexibilität: 2015 brauchte das Rote Kreuz rasch Flüchtlingsunterkünfte in Schärding. Weißhaidinger füllte die Lücke von Unterkünften mit seinen Modulbauten. Nach fünf Jahren wurden diese aber nicht mehr gebraucht und der Holzbauer nahm die Module zurück. Aber nicht, um sie zu entsorgen, sondern um sie einem ganz neuen Zweck zuzuführen. Heute stehen die Module in Andorf und bilden das Leichtathletik-Leistungszentrum. Die Module landeten auf Punktfundamenten und wirken so der Bodenversiegelung vor. Solcherlei Aufgaben erfordern logistische Optimierung und gewährleisten kurze Montagezeiten auf der Baustelle. Niedermayer denkt als Sachverständiger und einer der ersten Absolventen des interdisziplinären Universitätslehrganges
Überholz nicht linear, sondern sucht kreativ nach Möglichkeiten und schaut über den Tellerrand. Deshalb verstärkt das Unternehmen sein Handlungsfeld im Segment Verdichtung. 2022 stockte man in Puch bei Hallein einen Kindergarten auf, der um eine Ganztagsschule erweitert wurde. Aber auch innerstädtisch häufen sich die Aufträge. Um die fünf Aufstockungen pro Jahr gehen dem oberösterreichischen Mittelstandsunternehmen von der Hand. Apropos „Hand“: „So hart das auch klingt, der händische Abbund ist beinahe verschwunden“, kontert Niedermayer. „Man bekommt das wirtschaftlich nicht mehr durch, wenn man die Arbeiten händisch kalkuliert.“ Mit der Digitalisierung habe sich der Holzbau über die Jahre hinweg sowieso gewaltig verändert, was für den Holzbau-Meister eine durchaus positive Entwicklung darstellt. „In dem Bereich mehrgeschossiger Bau können wir so dem konventionellen Bau am meisten Marktanteile abnehmen“, findet er. Zugleich ist er der Ansicht, dass in Zukunft am Markt weniger gebaut wird, der Holzbau aber gleichzeitig noch mehr Fahrt aufnehmen kann. „Wer breit aufgestellt ist, braucht keine Zukunftsängste zu haben. Im mehrgeschossigen Holzbau liegt viel Potenzial. Bei Aufstockungen und Sanierungen sowie im Segment modularer Bauweisen kann der Holzbau seine Vorteile voll ausspielen.“ Zudem falle der Holzpreis im Moment und mit Initiativen des Waldfonds vom Bundesministerium gebe es bundesweit Förderungen pro Holzbau. „Jetzt müssen die Genossenschaften Farbe bekennen“, sagt Niedermayer in Hinblick auf leistbaren Wohnraum in Holzbauweise.

Damit endet das Gespräch mit einem positiven Zukunftsausblick und dem Wissen um viel Arbeit – immer mit dem Finger am Puls der Zeit.