Zwischen Downwash und Nervenkitzel

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 20.01.2023 - 14:24

Besonders war die Montage zum einen, weil man den durch die Schlucht kanalisierten Abwind unterschätzte und zum anderen, weil Arbeitssicherheitsmaßnahmen wie ein absturzsicherndes Netz über dem Abhang sowie ein Gerüst in der Schlucht nicht möglich waren.

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© Jäger Holzbau

„Eigentlich sind wir erfahren, was Helikoptertransporte betrifft, aber dieser Brückenbau hat uns dann doch ein paar Nerven gekostet“, erzählt Dario Jäger, Geschäftsführer von Jäger Holzbau aus dem Schweizer Chur. Die Rede ist von einer Holzbrücke im Dorf Fanas im Kanton Graubünden. Diese ist Teil einer neuen Bergstraße, die über eine Schlucht namens Fatanstobel führt.

Unmöglich war es, die Leimbinder, hergestellt im Schweizer Werk von Hüsser Holzleimbau in Bremgarten, per herkömmlichem Lkw-Schwerlasttransport zu liefern. „Die Straße war viel zu eng und kurvenreich.“ Ebenso unmöglich war ein Gerüstbau in der Schlucht zur Montage. Damit mussten einerseits zwei Helikopter zum Transport her. Andererseits bestand die Aufgabe darin, sich ein System zu überlegen, um die durchgängigen Fahrbahnträger lediglich an den beiden Endstücken zu befestigen.

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Ab hier wechselten die Leimbinder ihr Beförderungsmittel. © Jäger Holzbau

35 m lang, 4,6 t schwer

Um die jeweils vier Diagonalstützen für die beiden Seiten zu transportieren, kam ein sogenannter K-Max-Helikopter, ein speziell für Außenlasten konzipiertes Fluggerät, zum Einsatz. Die Stützen mussten von den beiden Flughelfern, die per Funk mit dem Piloten kommunizierten, und den Jäger-Mitarbeitern in die richtige Position gerückt werden, sodass sie mit jeweils zwei Bolzen am Metallschuh am Betonfundament befestigt werden konnten. Das funktionierte überraschend gut. Als wesentlich größere Herausforderung sollte sich die Montage der 35m-langen und ein Meter hohen Längsträger erweisen. Deren Länge stellte neben dem Einzelgewicht von 4,6 t nur zwei der Schwierigkeiten dar. Für diese vier Fahrbahnträger musste der „Schwergewichtsmeister Europas“ angeflogen kommen. Die Piloten mit Spezialkönnen sind international mit ihren Schwerlasthelikoptern unterwegs. In der Schweiz tätig sind nur zwei der Sorte „Kamov“ mit einem maximalen Hebevermögen von 5 t.

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© Jäger Holzbau

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Alles bereit für den Anflug der Diagonalstützen:  Zwei Flughelfer und drei Jäger Holzbau-Mitarbeiter mussten dafür sorgen, dass die Bolzenverbindung sitzt. © Jäger Holzbau

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Die Kommunikation zwischen Flughelfern vor Ort und dem Piloten ist ein essenzieller Bestandteil einer geglückten Montage. © Jäger Holzbau

Abwind total unterschätzt

80 m Seil spannten zwischen dem 35 m langen Träger und dem Helikopter. „Was wir total unterschätzt haben, war der starke Abwind des Helikopters.“ Der sogenannte Downwash wurde beim Absetzen des Trägers durch die Schlucht zusätzlich kanalisiert. Zudem flog der Helikopter am Limit. „Zum Glück herrschte kühles Wetter. Denn pro Grad Temperaturanstieg reduziert sich die Nutzlast um an die hundert Kilo.“ Nach einigen Planänderungen und etwas Nervenkitzel saßen alle vier Fahrbahnträger letztendlich an der richtigen Stelle. „Wir haben gerade wieder an einer Ausschreibung für einen Brückenbau teilgenommen“, erzählt Jäger, der sich vor Herausforderungen offensichtlich nicht scheut.

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Es ist vollbracht, die Brücke ist montiert. © Jäger Holzbau

Aus erster Hand beschreibt Projektleiter Marcel Tanner den Ablauf der Montage in diesem Video eines Regionalmediums. Auch zu sehen: Wie stark der Abwind des Helikopters war und wie die Jäger-Mitarbeiter samt Flughelfern mit den 35 m langen Leimbindern zu tun hatten.