Geld fließt erst, wenn die Mängel behoben sind

Ein Artikel von Bernd Haintz | 27.03.2023 - 09:48
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Eine Eigentümergemeinschaft ließ ihr Mehrparteienwohnhaus einer Sanierung unterziehen und übertrug die Baumeister- und Zimmermannsarbeiten dafür einem Unternehmen – Auftragssumme: 700.000 €. Wegen nicht fachgerechter Ausführung der Arbeiten konnte  am Ende einerseits Wasser in die Dachkonstruktion eindringen und die darunterliegende Wärmedämmung schädigen; andererseits konnte Starkwind die Holzdachkonstruktion verformen und dadurch Folgeschäden verursachen. Unter anderem wurde eine ungeeignete Unterdachbahn statt erhöht regensicherer Schalungsbahnen verlegt. Außerdem fehlten die Firstentlüftung und Tropfbleche, es wurden zu breite und zu schmale Schalungsbretter verwendet, der Belüftungsraum unter dem Unterdach sowie die Querlüftung von Stiegen- und Lifthäusern waren zu gering dimensioniert und die Nageldichtbänder am Hauptdach wurden falsch befestigt.

Keine Schritte zur Sanierung

Zur Behebung aller Mängel müssten die Dächer beider Häuser abgetragen werden, was rund 260.000 € kosten würde. Trotz Reklamation setzte jedoch der Auftragnehmer keine Schritte der Sanierung, sondern bestritt die Mängel und klagte 88.000 € an restlichem, zurückbehaltenem Werklohn ein. Richtigerweise kam im Prozess die Replik der Eigentümergemeinschaft, dass bei Vorliegen von Mängeln ein Teilbetrag des Entgelts einbehalten werden kann, da noch (zu behebende) Mängel vorliegen. Obwohl das Werk bereits abgenommen wurde, bedeute dies keinen Verzicht und keine Anerkennung der Mängelfreiheit, also Verzicht auf eine Gewährleistung, so das Erstgericht.  Außerdem hätte das klagende Unternehmen die Beklagten warnen müssen, dass die bestellte Unterdachbahn nicht ausreichend regensicher sei. Auch in zweiter Instanz ging das Verfahren  verloren. Das Höchstgericht schließlich, wo endgültig der Prozess verloren ging, hielt auch bestätigend fest,  dass grundsätzlich  dem Bauherrn ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, wenn Mängel vorliegen und Verbesserungsansprüche zustehen.  Die mögliche Höhe des zurückhaltbaren Entgelts wird von Gerichten immer sehr großzügig gesehen. So könnte etwa die 20-fache Geldsumme der Behebungskosten zurückbehalten werden. Soll heißen, wenn der Sanierungsaufwand 5 % der Auftragssumme ausmacht, müsste bis auf Weiteres nichts bezahlt werden. Die (im Einzelfall zu vereinbarende) ÖNORM B2110 kennt hier aber eine Regelung, dass lediglich das Dreifache der Behebungskosten einbehalten werden darf, was ja nach dem natürlichen Rechtsempfinden noch immer ein sehr ansehnlicher Betrag ist, mit dem man Druck zur  Mängelbehebung ausüben kann. Diese Bestimmung gilt übrigens nicht gegenüber Verbrauchern, hier ist keinerlei Einschränkung zulässig.

Das klagende Unternehmen argumentierte dennoch, dass die Mängel als unbehebbar hätten eingestuft werden müssen, weil ein unverhältnismäßiger Aufwand von 260.000 € Behebungskosten unzumutbar gewesen wäre. Wesentlich eingeschränkt wird das Zurückbehaltungsrecht nämlich immer dann, wenn ein Mangel nicht behebbar ist, denn das rechtlich zulässige Nichtzahlen hat ja immer das Ziel, dass möglichst umgehend der Mangel behoben wird. Also wenn kein Anspruch auf Behebung – dann kein Anspruch auf Zurückbehaltung.

Massive Beeinträchtigung für die Hausgemeinschaft

Nach der Rechtsprechung ist aber eine solche Unverhältnismäßigkeit nur anzunehmen, wenn der mit der Verbesserung verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zu der Bedeutung des Mangels für den Besteller steht, wobei insbesondere die für den Auftraggeber durch den Verweis auf die bloßen Geldansprüche (Preisminderung) verbundenen zusätzlichen Unannehmlichkeiten zu berücksichtigen sind. Ist die Beeinträchtigung des Bauherrn als wesentlich anzusehen, so werden sogar über dem Wert des Werks (!) liegende Kosten für die Verbesserung aufzuwenden sein. Der Verbesserungsaufwand wird in der Regel dann zum Tragen kommen, wenn der aus der Verbesserung erwachsende Vorteil so hoch anzusetzen ist, dass ein redlicher und vernünftiger Verkehrsteilnehmer die Reparatur auch auf eigene Kosten durchführen würde. Nach den Feststellungen besteht schon bei üblichen Witterungsverhältnissen wie Regen oder Starkwind die Gefahr von Nässeeintritten, Verformungen und Folgeschäden. Es ist daher von einer massiven Beeinträchtigung der beklagten Hausgemeinschaft auszugehen. Damit war klar, dass es zu einer Behebung kommen muss, da etwa Preisminderung bei der Schwere der bevorstehenden Schäden sinnlos wäre.

Fazit: Es war die Zurückbehaltung des noch ausstehenden Entgelts zwecks Druckausübung zur Verbesserung zulässig.